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(30. Fortsetzung.) Er griff sofort noch ihren Händen. „Gott sei Donk, endlich...! Wie habe ich mich ans den heutigen Tag gefreut, Sibhllc! Und nun? Ihre Gäste in Ehren, aber man kann ja kaum ein Wort mit Ihnen sprechen." Sie lächelte schwach. „Das bringen solche Gelegenheiten eben mit sich." „Und damit soll man sich absurden? Es bringt mich bald um. Sie wissen ja gar nicht, wie ich mich nach Ihnen gesehnt habe, Sibylle." ' Er umfaßte ihr Gesicht mit einem glühenden Blick und versuchte, sie zu sich heronzuziehen. „Kleine Sibhllc!" sagte er mit gepreßter Stimme. Sibylle fühlte cs dunkel in den Ohren rauschen. „Kleine Sibylle...!" So hatte auch Lutz Dornow neulich zu ihr gesagt. Aber wie ganz anders hatte cs geklungen! Ihre Lippen zitterten leise. Sic entzog Bruckner ihre Hände wieder. „Vernünftig sein, Horst! Sie wissen doch, was wir ausgemacht haben." Er schien wirklich Mühe zu hoben, sich zu beherrschen. „Wenn es nur nicht so wohnsinnig schwer wäre!" seufzte er und fuhr sich mit vcr Hand über die Stirn. Eickstedt und Duintjer sprachen indessen über Bruckner. Eickstedt erzählte, daß er Bruckner als seinen zukünftigen Schwiegersohn betrachtete. Mario Bornholm wußte es bereits und halte den jungen Mann daraufhin mit be sonderem Interesse beobachtet. „Wenn ich ehrlich sein soll — ich wundere mich eigent lich über de» Geschmack seiner Tochter!" sagte sie nach denklich. „-Lieso? Bruckner ist doch ein ganz ansehnlicher Mensch. Intelligent ist er auch, ein tüchtiger Kaufmann. Ich wüßte nicht, was an ihm ousznsctzen wäre." „Man kann jo nicht gleich mit Sicherheit urteilen. Frei lich, aber mir ist er ein bißchen zu laut und zn sehr von sich eingenommen." „Na ja! Schönheitsfehler gibt cs überall. Aber sonst ist er doch ganz passabel. Und ich glaube auch, daß die beiden sich ganz gut verstehen werden. Ich wünsche jeden falls sehr, daß aus den beiden ein Paar wird. Bruckners Vater übrigens auch." „Ihr wollt wohl nur die beiden Firmen gern mitein ander verheiraten?" „Na, das wäre denn Wohl doch zu viel gesagt. Gin biß chen Geschäftsinteresse ist ja natürlich dabei, aber eine reine Verstandesheirat möchte ich Sibylle denn doch nicht zumuten. Sie soll doch glücklich werden. Ich bezweifle auch stark, daß sie lediglich der Firma zuliebe heiraten würde. Da fällt mir übrigens wieder ein: dein Bruder nahm gestern an, daß Dornow Sibylles Zukünftiger sei. Das hat mich stutzig gemacht. Hast du vielleicht etwas bemerkt, was darauf hindeuten könnte, daß zwischen den beiden etwas im Gange ist?" Maria Bornholm hatte ihre Beobachtungen gemacht, aber sie wollte Eickstedt nicht vor der Zeit beunruhigen. Es würde ja doch alles kommen, wie cs kommen sollte. „Man kann sich da sehr leicht täuschen!" erwiderte sie ausweichend. „Wie ein Glücksritter sieht Dornow übrigens ganz und gar nicht aus." Kurz vor halb vier Uhr fand Lutz sich ein. Er war der erste der Gäste, die man erwartete. Er kam in sehr ge hobener Stimmung, aber ein leises Gefühl des Un behagens beschlich ihn plötzlich, als er Bruckners ansichtig wurde. Bruckner ging es nicht anders. Ueberraschung und tiefe Verstimmung über das gänzlich unvermutete Er scheinen des ehemaligen Schulkameraden waren ihm deut lich vom Gesicht abzulesen. Dornow hier? Heute, zur Ge burtstagsfeier? Das war ja allerhand! Er sah, daß Lutz von Maria Bornholm und ihrem Bruder freundlich und wie ein guter Bekannter begrüßt wurde. Auch die Begrüßung durch Sibylle und ihren Vater ließ deutlich erkennen, daß Lutz nicht etwa zufällig kam, sondern erwartet wurde. Was hatte denn das zu be- seuten? Mit rechten Dingen ging das bestimmt nicht zu! Einen simplen Angestellten, dem man überhaupt erst auf sic Beine geholfen hatte, lud man doch nicht ohne tieferen Grund zur Geburtstagsfeier ein... Bruckner sah mit einem unruhigen und erstaunt fragen den Blick zu Sibylle hinüber. Sie schien ganz ruhig, als ob cs sich bei der Sache um eine glatte Selbstverständlich keit handelte. Das war wirklich allerhand) Er konnte sich im Augenblick nicht beherrschen, wollte cs auch gar nicht. Er rührte sich kaum, als Lutz zu ihm herautrat, und reichte ihm nur knapp die Fingerspitzen seiner Linken. „Sieht man dich auch mal wieder? Die Verhältnisse haben sich ein bißchen geändert — was?" sagte er mit ver letzender Kälte und Herablassung. Auf Lutz schien diese offenbare Taktlosigkeit nicht den mindesten Eindruck zu machen. „Allerdings!" lächelte er, Bruckners Fingerspitzen kaum berührend. „Aber ich hoffe, du hast keine Ursache, darüber böse zu sein..." In seinem Lächeln und in seiner ganzen Haltung war etwas fraglos Ueberlegenes. In gewinnender Weise wandte er sich sofort den anderen wieder zu, ohne Bruck ner weiter zu beachten. Man hatte dessen' Taktlosigkeit sehi peinlich empfunden und versuchte nun, sie durch doppelte Liebenswürdigkeit Lutz gegenüber wieder wettzumachcn Bruckner biß sich heimlich auf die Lippen. Auf diese Weise kam man diesem Menschen nicht bei, und man setzte sich in den Augen.der anderen nur selbst herab. Er sah wieder zu Sibylle hinüber und fing einen glitzernden Blick von ihr auf, der nichts Gutes verhieß. Teufel auch, da hatte man tatsächlich eine Riesendummheit begangen! Es würde Mühe kosten, die Geschichte wieder einzurenken. Der nächste Gast war Gerda ftzguner. Auch sie be grüßte Lutz mit Herzlichkeit wie einen alten Bekannte». Bruckners heimliche Erregung wuchs. War denn alle Wcl« in den Menschen vernarrt? Er schien hier in der Tat regelrechten Familienanschluß zu haben. Was sollte man sich nur dabei denken! Es kamen nur noch einige nähere Bekannte von Eick stedt; die Mehrzahl der Gäste wurde erst zum Abend er wartet. Die Kaffeetafel war aus der Veranda gedeckt. Man erhob sich, um hinauszugehen. Sibylle hatte nur auf diesen Augenblick gewartet. Sie hielt Bruckner unauffällig einen Augenblick zurück. „Hören Sie mal, Brucknerchen", sagte sie halblaut, aber mit ätzender Schärfe, „derartige Taktlosigkeiten und Ungezogenheiten, wie Sie sich vorhin Dornow gegenüber geleistet haben, dulde ich innerhalb unserer vier Wände nicht noch mal. Dornow ist Gast, ausdrücklich geladener Geburtstagsgast, und Papa und ich erwarten von jeder mann als selbstverständlich, daß er dementsprechend be handelt wird. Wenn Sie glauben, das nicht nötig zu haben oder sich nicht beherrschen zu können — bitte, daun kommen Sie ein anderes Mal wieder!" Bruckner war im stillen darauf gefaßt gewesen, daß Sibylle ihm Vorhaltungen machen würde, aber einen solchen Ausfall hatte er denn doch nicht erwartet. Das war ja ein glatter Hinauswurf, wie er nicht deutlicher sein konnte! Ihm wurde schwarz vor den Augen. Von Rechts wegen hätte man seinen Hut nehmen und auf der Stelle verschwinden müssen. Aber das wäre das Ende gewesen. Und Sibylle so ohne weiteres aufgeben...? Ganz aus geschlossen! Um keinen Preis! „Aber Sibylle, regen Sie sich doch nur nicht so auf!" stammelte er mit hochrotem Kopf. „Ich war im Augen blick verblüfft und ein bißchen verstimmt; hätte mich nicht so gehen, lassen dürfen, freilich. Aber solche Aufregung des wegen — das ist die Sache doch gar nicht wert!" „So? Das ist die Sache nicht wert? Sie haben ja eine merkwürdige Auffassung von Sitte und gutem Ton! — Mögen Sic! Meinetwegen! Ich jedenfalls dulde unter keinen Umständen, daß einer unserer Gäste brüskiert wird. Mag er heißen, wie er will. Und ich blamiere Sie unnach sichtlich vor der ganzen Gesellschaft, wenn Sie sich so etwas noch mal erlauben. Merken Sie sich das! Ich verstehe darin keinen Svan!"