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Orboborrecklssebutr: zVulviirts-Verlag 6. m. b. II. üorlin 21 . . .. . Nachdruck verboten. „Wer sagt, dir denn, daß es sich um eine Dilettanle»- arbeit handelt? Erst mußt du dich doch selbst davon über zeugen, und was deinen Schriftstellernamen betrifft — na ja, so'n paar ganz Gediegene halten große Stücke auf deine .Märkischen Novellen', aber Geld hat dir das Buch nicht eingebracht. Deine Schreibart ist zu steif und spröde, und für deinen Roman fand sich überhaupt noch kein Ver leger. Also zuviel würdest du mit deinem Namen kaum riskieren." Es klang nicht angenehm in Alfred Heldbergs Ohr, was seine Frau sagte, aber es war leider nur zu wahr. Dagegen tonnte er nichts einwenden. Eine Anzahl einfacher Schulschreibhefte in blauen Deckeln hatten die Finger seiner Frau inzwischen aus dem .Packpapier gewickelt. Die Hefte waren numeriert, und Frau Heldberg schlug Heft I auf, las laut die Ueberschrift: „Not macht stark!" Sie reichte ihrem Mann das Heft. „Ich habe ja kein richtiges Verstehst« von dergleichen, aber du wirst bald heraus haben, ob das Geschreibsel was wert ist. Mach dich gleich ans Lesen, dann wissen wir bis zum Abendbrot vielleicht schon, ob der komische Mensch was kann. Eine reichliche halbe Stunde hast du noch Zeit, wnd wen» du magst, liest du nach dem Abendbrot weiter." Sie nickte ihm zu. „Los, Alfred, denke an die Fünfhundert -monatlich, um die es sich auch lohnt, unter deinem Namen den größten Blödsinn an Theater zu verschicken." Seine Antwort wartete sie gar nicht erst ab, weil sie sich die Antwort ungefähr denken tonnte. Er brummle ärgerlich ein paar Worte vor sich hin, und dann begann er doch zu lesen. Er war jetzt wirklich begierig, aus den Heften zu erfahren, wes Geistes Kind der Fremde war. Er rückte sich etwas bequemer in seinem Stuhl zurecht und las allmählich immer aufmerksamer. Um Dilettantis mus handelte es sich keineswegs, das war Alfred .Heldberg nach dem Lesen des ersten Heftes schon klar, und als er das zweite Heft aufschlug, empfand er fast ein Gefühl von Neid. Ihm selbst war es nicht gegeben, so warme, zündende Sätze zu formen, wie sie die kleinen, unscheinbaren Hefte enthielten; ihm selbst war es nicht gegeben, so in Worten zu malen, so markig zu sprechen und lebendigstes Leben nachzuschaffen. Herrgott, wenn er das geschrieben hätte! Seine Frau fragte, als sie beim Abendessen saßen, mit mühsam zurückgehaltener Spannung: „Weißt du jetzt schon ein bißchen Bescheid über das in den blauen Heften?" Er sank ein bißchen in sich zusammen. „Ja, so viel habe ich schon heraus, daß ich glücklich wäre, wenn ich das Schauspiel geschrieben hätte, denn der es geschrieben, ist kein Talent, sondern ein ganz aus gesprochenes Genie." Sie lachte mit derben Weißen Zähnen. Sie lachte so selten; es gefiel ihm, wenn sie es einmal tat. „Also, falls der Mensch nich' ausgeschnitten hat und normal ist, wären uns die fünfhundert Emmchen sicher." Er verwahrte sich dagegen. „Erst hatte ich Angst, meinen Namen für eine Diletiautenarbcit herzugeben, und jetzt scheue ich davor zurück, weil mein fast unbekannter Name eine zu geniale Arbeit decken soll. Das Schanspicl glaubt mir ja keiner, der meinen Stil kennt." Ihr Lachen blieb. „Tu kannst eben auch anders schreiben, und man müßte dir erst das Gegenteil beweisen. Wer aber wäre dazu imstande? Also hoffen wir, daß der Fremde wiederkomint!" Alfred Heldberg wehrte sich weiter: „Ich spiele nicht mit, der Vorschlag des Unbekannten ist dreist; er muiei mir eine glatte Schwindelei zu." Sitz, erwiderte unwillig: „Sei nicht so übertrieben zartfühlend! Arme Menschen wie wir haben dazu kein Recht." Er schwieg, war aber ,'est entschlossen, dem Fremden, falls er wiederkäme, seine Bitte abzuschlagen. Später las er die Hefte zu Ende, las bis lies in die Nacht hinein, und war danach überzeugt, das Schauspiel würde sehr bald angenommen werden. Wieder dachte er: Wenn er, Alfred, das doch geschrieben hätte! Und er schlug sich mit Neid in seiner Brust herum, der ihm zusetztc wie ein böser Geist. Ein paar Tage später starb eine Freundin seiner Frau m einer kleinen Stadt nahe von Berlin, und die Sterbende -hatte mit bittenden Worten gesteht, die Jugendgespielin möge ihr Kind, ihre fünfzehnjährige Tochter, zu sich ins Haus nehmen. Alfred Heldberg erklärte sich sofort bereit, den letzten Wunsch der Toten zu erfüllen, aber seine Frau war ängst lich. Sie hielt ihm entgegen: „Wir drücken uns ja selbst nnr knapp durch das Leben. So ein junges Ding aber braucht Kleider und Schuhe und sonst noch allerlei. Auch muß Maria etwas lernen, und so gern ich sie nähme — wir können es nicht." Ihr Mann hatte sich schon voll Erbarmen dem blonden Geschöpschen zugeneigt. Väterlich warm zog es ihn-zu dem blassen, schmalen Mädel, das mit verängstigten, ver weinten Augen in eine graue, tMewtfse.Zukunk» schauen mußte. ' Frau Heldberg flüsterte: „Morgen abend wollte der Fr«LL2 wiederkommcn; wenn es ihm ernst ist mit den fünfhundert Mark, brauchen wir uns natürlich gar nicht den Kopf zu zerbrechen, ob Maria in den nächsten Tagen wieder weg muß, oder ob wir sie als Tochter hierbchalten. Es wäre gut, wenn sie bei uns bliebe, weil wir doch so allein sind." Das Mädelchen hatte es Alfred Heldberg angetan. So eine Tochter haben, so eine zarte, feine, blonde Herzens tochter, wie schön das wäre! Und er gab innerlich schon »ach, und hatte nur noch Angst, der Fremde könne vielleicht nicht mehr wiederkommen. Oder alles stellte sich als irgend ein schlechter Scherz heraus. Und es handelte sich um eine längst bekannte und aufgeführte Arbeit, die ihm nur fremd war. Als er am nächsten Abend das Verlagshaus verließ, machte er keinen Umweg wie sonst. Gar nicht schnell genug konnte er heute nach Hause kommen. Die junge Maria Franz öffnete ihm die Tür, und hinter ihr stand seine Frau, sagte, jedes Wort erregt be tonend: „In deinem Zimmer wartet der Herr von voriger Woche auf dich!" Also war er doch pünktlich gekommen! Halb freudiger Schreck, halb ängstliche Abwehr löste die Mitteilung in ihm aus, und dann betrat Alfred Heldberg sein Zimmer, in dessen Mitte der Fremde stand. . Zweites Kapitel. „Ich wünschte, ich hätte Ihr großes Talent!" bekannte Alfred Heldberg ganz ehrlich und reichte dem Besucher die Hand. „Ich danke Ihnen herzlich für die Anerkennung — sic tut mir gut!" Der Fremde hatte glänzende Augen. „Ich hoffe, jetzt damit rechnen zu dürfen, daß Sie meinen Wunsch erfüllen. Ich möchte Ihnen aber wiederholen: Mir liegt nur daran, vor mir selbst das Bewußtsein zu haben, etwas Besonderes zu können. Andere brauchen das gar nicht von mir zu wissen, sollen es nicht einmal wissen. Meine Familie würde mich nur extravagant nennen, und ich will keinen Familienärger, ich bin zu müde dazu. Wenn also mein Schauspiel zur Aufführung' käme, sollen Sie offiziell der Dichter des Schauspiels sein und bleiben mit allen finanziellen Rechten und allen Vor teilen, die sich daraus ergeben. Ich will und werde im Dunkel bleiben." Er hob die Arme. „Der Ruhm gehört mir ja doch, in mein Dunkel strahlt er, meinen Augen sichtbar, und das ist Glück genug für mich!" Sein Gesicht hatte einen so verklärten Ausdruck, wie ihn Alfred Held- bcrg vordem noch auf keines Menschen Antlitz gesehen zu haben glaubte. Es ergriff ihn förmlich, wenn er einen Menschen wie seinen seltsamen Besucher auch nicht zu verstehen ver mochte. ---rn» >— Der schlanke, große Mann ließ die Arme sinken. „Wollen alles, was nötig ist, schnell besprechen. Ich möchte nachher noch ins Theater, Gisela Hammer spielt." Gisela Hammer war eine der bedeutendsten Schau spielerinnen Deutschlands, und wenn sie spielte, waren cs Festtage für Theaterfreunde. Der Fremde lächelte. „Wir brauchen ja gar keine be sonderen Abmachungen. Ich zahle Ihnen monatlich fünf hundert Mark, und Sie kümmern sich dafür um mein Schauspiel, als hätten Sie es geschrieben. Kommt es zur Aufführung, erhalten Sie ein zweites Jahr lang von mir monatlich fünfhundert Mark, und ergeben sich Einkünfte, gehören sie Ihnen samt Ruhm und allem Sonstigen." Seine Rechte zuckte hoch, Alfred Heldberg sah eine zum Schwur bereite Hand, und der Fremde sprach feierlich; „Ich schwöre, das eben gegebene Versprechen nie und nimmer zu brechen." Er ließ sich in den nächsten Stuhl fallen. „Jetzt schwören Sie mir, nie und nimmer, wie es auch kommen möge, zu verraten, wer das Schauspiel in Wirklichkeit geschrieben hat, und möglichen Mißerfolg, den cs Ihnen bringen könnte, ebenso auf sich zu nehmen wie kleinen oder großen Erfolg." In Alfred Heldberg meldete sich eine Stimme, die riet: Laß die Finger davon, du bist auf dem Wege zu einem bösen Betrug! Das glaubte er ja bestimmt zu wissen: das Schauspiel würde zur Aufführung gelangen, und besonderer Erfolg schien ihm sicher. Warum mußte er in diesem Augenblick an seine meist unzufriedene Frau denken, die nach einem etwas besseren Leben gierte, und warum sah er eben das blasse, traurige Gesicht der kinderjungen Maria Franz vor sich, die ihre Mutter verloren, und die er so gern als Töchterchen be treut, der er gern ein wenig Freude geschenkt hätte? Und da gab es noch ein Etwas, das ihn mit bedrängte: die Ruhmsucht war es, die ihn am Schlafittchen gepackt und ihm den letzten Stoß gab. Er leistete den verlangten Schwur: „Wie auch alles kommen möge, ich werde nie verraten, wer das Schauspiel geschrieben!" „Ich danke Ihnen. Niemals hätte ich den Mut gehabt, mich mit dem Schauspiel an die Oeffentlichkeit zu wagen, und ich will und muß doch wissen, ob es gelten darf." Er legte einen geschlossenen Umschlag auf den Schreibtisch. „Die erste Monatsrate, bitte!" Er reichte Alfred Heldberg! hie Hand. „Dank für Erfüllung meines Wunsches. Fortan! werden Sie regelmäßig monatlich auf irgendeine Weise das Geld zugestellt erhalten; wir beide brauchen sonst nichts zu verabreden. Ich werde mich eines Tages wieder bei Ihnen sehen lassen, wenn ich das für nötig halten sollte. Aber vielleicht sehen wir uns auch nie wieder." Alfred Heldberg mahnte hastig: „Sie wollten mir doch heute Ihren Namen nennen?" Der andere lächelte vtosonnen. „IchHabe mir diisAdeAegt und glaube, es ist eigentlich gar nicht notwendig. Es würde Sie in Ihren Hand- lungen wohl nur beirren. Ich möchte für Sie deshalb ein Fremder bleiben, der verschwindet wie ein Spuk, der> untertaucht — die Welt ist groß. Was liegt an mir?! Die! Zeitungen werden es mir scholl erzählen, falls der Ruhm kommen sollte, und lassen wir es dabei: Ich werde mich eines Tages wieder sehen lassen, wenn ich es für nötig halten sollte." Schon war er an der Tür, schon öffnete er sie, schon hatte er das Zimmer so überschnell verlassen wie bei seinem ersten Besuch. Als ihm Alfred Heldberg nacheilte, hörte er seinen hastigen Schritt schon weit unten auf der Treppe. Frau Heldberg selbst öffnete den zurückgelassencn Um schlag und zählte sorgsam die Scheine nach, die er enthielt. Sie ergaben die Summe von fünfhundert Mark. Ihr Mann erzählte ihr den Verlauf seiner Unter redung mit dem Fremden, und die Frau lachte: „Ein merk würdiger Heiliger ist er auf jeden Fall! Ein Narr, ein Kranker oder ein großer Sonderling. Aber was kümmert es uns, zu welcher Sorte von Menschen er gehört? Für sein Geld, die Hilfe aus dem grauen Alltag, wollen wir ihm danken. Maria kann nun bei uns bleiben, und sie soll's gut haben, das arme Ding." Ein W*«, cin Kranker ober ein großer Sonderling? DarübcrWMhte Alsreo Hcldberg noch oft nach. > DeWeMküber nach, wenn er monatlich von einer Bank fünfhültdert Mark erhielt, ohne daß der Name des Fremden dabei genannt wurde, dachte darüber nach, als das Schauspiel nach einigen Monaten von einer erst-- klassigen Bühne Berlins angenommen wurde, und dachte auch darüber nach, als die Erstaufführung ein riesiger, unbestrittener Erfolg wurde, der seinen Namen über Nacht in Glanz und Helle riß, ihn zum gefeierten Dichter machte Und er grübelte noch immer darüber nach: Ob de» Unbekannte ein Narr, ein Kranker oder nur ein Sonder ling gewesen, als ihm die Aufführungen schon reiche Tan tiemen ins Haus brachten. Alfred Heldberg bezog jetzt in dem Berliner Vorort eine wundervolle Villa, die in einem partähnlichen Garten lag, und schrieb einen neuen Heimatroman. Die Verleger interessierten sich nach seinem großen Bühnenerfolg Plötz- lich anch für seine Novellen und Romane. Mau be wunderte oft, wie er die Kunst meisterte, mit zwei Federn zu schreiben, so grundverschieden war die Art seiner Bücher von seinem Schauspiel. Aber seine Bücher, vorher kaum beachtet, fanden viele Freunde; die „Märkischen Novellen" sah man in allen Buchhandlungen. Eines Tages erschien der Fremde wieder, ganz plötzlich war er da. Alfred Heldberg erschrak, wenn er auch mit dem Besuch hatte rechnen müssen.. Karn er jetzt, um den Lorbeer für sich cinzufordern? Dem Fremden aber erschien der Erfolg des Schauspiels kaum noch besonders wichtig. Er brachte sein zweites Schauspiel, bat: „Erweisen Sie mir den gleichen Dienst, den Sic mir schon einmal erwiesen. Ich muß wissen, ob auch mein zweites Werk stark ist. Ich schwöre Ihnen wieder: Nie wird jemand erfahren, wer das Schauspiel geschrieben, und ich verlange von Ihnen den gleichen Schwur. Damit gehört es Ihnen. Holen Sie sich den Erfolg vor aller Welt; glückselig, heimlich und stark, ist er ja doch der meine." Alfred Heldberg wehrte sich gegen die neue Verlockung, aber der Fremde bat und bat. Er flehte ihn förmlich an, und Frau Hanna kam, half überreden. Da leistete Alfred Heldberg den Schwur, und auch seine Frau mußte tiefstes Schweigen geloben. Der neue seltsame Pakt war ge schlossen. Es gab ein paar kleine Umarbeitungen in dem zweiten Schauspiel; die Herren mußten sich ein paarmal treffen, um darüber zu reden. Einmal verabredete man sich bei der Schdeibmaschinendame Heldbergs im Osten Berlins, bei det er schon hatte abschr.eibcn lassen, als er noch Redakteur des kleinen Familienblattes gewesen. Er war ihr treu gebliebeN.- Auch das zweite Schauspiel wurde ein ganz große» Erfolg, und Alfred Heldberg gewöhnte sich mehr und mehr an seine Lüge, die ihn wie mit Adlerschwingen hoch ins Licht des Erfolges getragen. Und dann brachte der geheimnisvolle Fremde sein drittes Schauspiel. Er bat: „Behandeln Sie es wie die beiden anderen, aber es ist noch nicht beendet — der eigentliche Schluß fehlt, ich habe nicht mehr die Kraft dazu, ihn zu schreiben. Vollenden Sie die Arbeit! Ich kann es nicht mehr, ich bin zu müde dazu, die Feder ist mir aus der Hand gefallen." „Ich werde das nicht ^Snmn", wehrte sich Alfred Heldberg. - Der andere lächelte ein wenig. , . „Det Schluß ergibt sich von selbst aus dem Schicksal deS Helden, den ich in dem Stück gezeichnet. Es ist mein eigenes Schicksal. Versuchen Sie das Stück zu vollenden, ich wünsche Ihnen von Herzen gutes Gelingen!" Der Fremde reichte ihm die Hand. „Sie sollen niemals schwer tragen an dem Dienst, den Sie mir dadurch geleistet, daß Sie meine Schauspiele mit Ihrem Namen deckten; mir! schenkten Sie dadurch ein großes Glück, und Sie sind' keinem Menschen Rechenschaft schuldig. Ich betone das noch einmal, weil wir unS wahrscheinlich nicht mehr Wiedersehen werden." lFortsetzung folgt.)