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ivar jemand seinen Wünschen nicht ge- fügig, so war ihm der Kerker gewiß. Als im» Ritter Kuno eines Tages sengend und plündernd durchs Land zog, sah er Güldenreich, die in einem Erker ihres Schlosses stand und die Tande» fütterte. Bon Güldenre/chs Anmut entzückt, vcrneio/e er sich tief nnd fragte fie, ob fie nicht feine Fra» werden wolle. Gn/dcnreich schüttelte traurig den Kopf. Der Ritter gefiel ihr Wohl, denn er war von stattlicher Gestalt. Doch Gülden reich sah an seinem finsteren Blick, daß er ein schwarzes Herz Habe, und sie wollte nur einen Mann mit einem gol denen Heizen zum Gemahl. Der Ritter ging zornig von dannen und sammelte seine Mannen zum Streit Wider das Königreich Immergrün, um Güldenreich mst Gewalt zu holen. Ganz unerwartet siel er ins Land Und besiegte die Bürger nach kurzem Kampf. Gülden reich und ihr Vater wurden gefangen- genommen und im Triümphzug nach der alten Ritterburg gebracht. Den alten König warf Ritter Kuno ins Verlies, und Güldenreich sperrte ^r in den Hun- gerlurm. Mißmutig setzte er sich unter eine große Eiche und sann darüber nach, wie er daS Herz der schönen Güldenreich «Winnen könne. Die Blätter rauschten leise. Die Vöglein sangen ihr Lied. Und ehe Ritter Kuno sich dessen versah, hatte der Schlaf ihn übermannt. Es war ein recht seltsamer Traum, der ihn umfing. Er hörte Güldenreich zärtlich seinen Namen sprechen. Sie kniete inmitten einer Schar weißer Tauben und bat Gott, dem Ritter Kuno für sein schwar zes Herz ein goldenes zu geben. Er er wachte. Doch wie erschrak er, als um den Hungerturm statt der Raben wirk lich weiße Tauben flatterten. Aber Ritter Kuno wußte gar nicht, was es mit dem goldenen Herzen für eine Bewandtnis hatte, und so ging er zu seinen Spießgesellen, die zechend um ein Weinfaß saßen und fragte sie um Rat. Die schrien kreischend auf, und der Ateni wollte ihnen vor Lachen schier vergehe». Da wandte sich der Ritter ab und beschloß, ins Dorf hinunterzugehen und die Bauern zu fragen. Als er jedoch an da« erste Gehöft kanh schlug der Bauer schleunigst das Hoftor zu und schob de» schweren Riegel davor, und der Ritter klopfte vergebens. So ging er weiter auf's Feld. Aber kaum, bah der Knecht ihn nur von weitem erblickte, schirrte er fchncll ein Pferd vom Wagen, schwang sich ans und jagte i» wildem Galopp oavon. Da senkte der Ritter beschämt den Kopf, denn er merkte, daß kein ehr samer Bürger etwas ynt ihm zu schaffen haben wollte. In seiner Not entsann er sich der alten Kathrein, die vor dein Dorfe am Waldrande lebte, und von der man sich erzählte, daß sie mehr wüßte, als andere Leute. Die alte Kathrein sah ihn an, als sie sein Anliegen hörte. „Ei," sagte sie mit ihrer dünnen Stimme, „kommt das feine Herrchen endlich zur Besinnuug?" Langsäm schlurfte sie zum Tisch, schlug ein großes, dickes Buch auf, goß Wasser in ein Glas, schüttete ein Pulver hin ein und starrte lange auf die absonder lich auf- und absteigenden Gebilde. Dann nahm sie ein Stäbchen, berührte den Ritter und murmelte leise: „Jeden Tag einen guten Rat, Jeden Tag eine gute Tat, Einem Weinende» die Träne gestillt, Einem Hungernden die Tasche gefüllt, Helfend am Bett eines Kranken geweilt, Mit einem Frierenden den Mantel ge teilt, Wer also handelt, dem reiben zum Dank, Die Englein das schwärzeste Herze blank. Merkt es euch, Ritter Kuno. Und gut Glück," sagte sie und wies zur Türe. Der arme Ritter, der nie im Leben etwas Gutes vollbracht hatte, stand nun und sann über die Worte der alten Kathrein nach, mit denen er nichts an zufangen wußte. Wie er noch so nach denklich fürbaß schritt, kam ein altes Weiblein des Weges daher. Das hatte eine schwere Bürde auf dem Rücken. Es stöhnte unter der Last; denn die Füße wollten es kaum noch tragen und die Tränen rannen ihn: übers Gesicht. Schon wollte der Ritter an der Armen vorübergehen, da tönte es leise in sei nem Ohr: „Einem Weinenden die Tränen gestillt." Er horchte auf. Und dann tat ev cttvaS, was er selbst kann: sirr möglich