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KOMKN VOG 'Ml (5 Fortsetzung.) Günter stand im Gespräch mit dem Magazinverwalter, als einer der Angestellten zu ihm herantrat: «Herr Sartorius, Sie werden am Apparat gewünscht." Günter ging hinüber mw «ahm de» Hörer. «Sartorius", sagte er kurz und ».Kg „Diesmal wirklich oer He,r Günter Sartorius — nicht wahr?" ließ sich eine schwingende Frauenstimme ver nehmen. Ein leises fachen slaiwrtc den Worten nach. Günter lauschte erstaunt. Die Stimme schien ganz ans der Nähe zu kommen, der Draht gab sie offenbar natur- getreu wieder. Und diese Stimme halte zweifellos etwas Bekanntes und beinah Vertrautes, wenn man im Augen blick auch nicht wußte... „Ja, wer ist denn dort?" forschte er nnsiche. Bist du cs, Annelies?, hatte er fragen wollen. Aber Annelies war es nicht, bestimmt nicht. Wieder klang ein leises Lachen wie Vogclzwilschern durch den Draht her. „Aber Günter...! Deine Stimme würde ich unter Tausenden hcrauskcnncn, und du hast wirklich keine blasse Ahnung, wer dir guten Tag sagen will?" Günter fühlte eine merkwürdige Beklemmung, über die er sich keine Rechenschaft zu geben vermochte. Diese Stimme war eine Erinnerung, das stand fest. Aber wer — wer »lochte das sein? Wie ein zündender Funke kam ihm plötzlich ein Ge danke. „Nein, unmöglich!" verwarf er ihn wieder. Und doch... Da meldete die Stimme sich wieder: „Kennst du vielleicht eine gewisse Mia Rcchberg — ge borene Scholvin...?" Also doch! Wirklich Mia...! Günter hatte die dumpfe Empfindung von einem unerwarteten Ucberfall ans den« Hinterhalt. Sein Denken stockte für einen Moment. Ein lähmender Wirbel kreiste brausend in seinem Kopfe. Wie ein plumpes, riesenhaftes Tier sprang sein Herz. Tie Füße waren ihm plötzlich schwer wie Blei. Er riß sich mit Gewalt zusammen. Wie kam Mia hierher? Oder sprach sie von dort unten her? Was wollte sie von ihm? Sie war doch verheiratet, dort unten in Siiddcutschland... Hörer anhängen! Weg! „Aber du antwortest doch gar nicht, Günter", klang cs in sein mühsames Denken, das gar nicht aus ihm zu komme», sondern irgendeinem andere^, fremden Meirschen zu gehören schien. Er wollte eben zum Spreche» ansctzen, alS wieder ein Lachen durch den Draht hcrschwang, dunkel und girrend. „Gott, was für einen Schreck der arme Mensch weg hat! Du bist ja ganz blaß geworden, Bubi! Freust du dich dem« gar nicht ein bißchen?" Bubi! — Dies infame, aufreizende Wort! Mia hatte es zuweilen gebraucht, wen«« sie mit ihm gespielt hatte wie mit einem täppischen jungen Hünd. Es hatte, ihn jedesmal in heimliche Raserei versetzt. ,,Da bist' du aber gewaltig in« Irrtum", zwang er sich zu beherrschten« Sprechen. „Ich habe bestimmt keine Ursache, zu erschrecken. Einigermaßen überrascht bin ich allerdings. Begreiflicherweise.:. Von wo aus sprichst du denn?" „Gau; ans der Nähe, vom Hotel ans. Ich wohne gleich neben euch, im EonUncntal Hotel" „Wie kommst du denn hierher?" „Ich will morgen znm Rennen. Ein Bekannler läßt l erstmalig einen Dreijährigen lausen — .Goldfasan' — du wirst ja von der Nennung bereits gelesen haben. Ta hast du gleich einen glztcn Tip: .Goldfasan' wird unter Ein- acweihten als Favorit bezeichnet." „Tanke. Ich kann aber keinen Gebrauch davon machen." „Wie den» ...? Kommst du etwa nicht znm Nennen?" „Nein." „Hast du dir's plötzlich anders überlegt? „Ich habe cs von vornhercin nicht vorgehabt." „Und das soll ich glauben?" Günter hob steif die Schultern, als ob Alia Rcchberg ! cs scheu könnte. ! „Ich kann dich nicht hindern, das Gegenteil zu glauben." Eine kurze Panse enlstand. Tann klang es wieder durch den Traht her: „Sag mal, Bubi, vn hast Wohl Angst — was?" Wieder spürte Günter das dnmpse Brausen in« Kops nnd das plumpe Schlagen des Herzens. „Angst? Ich? Vor was denn? Vor wen« denn?" „Vor mir oder vor sonst jemanden« vielleicht nicht, aber — vielleicht vor dir selber..." Günter quälte sich ein Lachen ab.^ Er wnßte nicht, wie fremd und unnatürlich es klang. „Ich habe in mcinem ganzen Leben noch keine Augst gehabt. Und vor mir selber gleich gar nicht." „Um so besser. Also du kommst wirklich nicht?" „Wirklich nicht!" „So? Schade!" Es knackte im Apparat. „Ja, sofort, nur einen Momen« noch", hörte Günter Mia Nechberg wie aus weiter Ferne sagen. Dann war ihre Stimme wieder ganz nahe: „Ich werde von auswärts verlangt, Günter. Es bleibt also dabei? Schade, wie gejagt. Dann also auf Wieder, hören!" Wieder ktang ein knackendes Geräusch her, dann war es still. ' Günter hielt den Hörer noch in der Hand, ohne daß es ihn« zum Bewußtsein kam. Erst die Stimme des Magazin-! Verwalters, der einem der Angestellten etwas znrief« riß ihn auf. Mechanisch hängte er den .Hörer an. Mit- fahriger Bewegung glitt seine Hand über die Stirn unt>> über den Scheitel. Roch zimmer saß ihm der Schreck i«^ allen Gliedern. Oder war es gar nicht mehr der Schreck.! der ihn in, Augenblick fast überwältigt hatte? War eS! noch etwas anderes? Die Wirkung war jedenfalls dieselbe. Als ob man bei etwas Unrechten« ertappt worden wäres Er hob unwillkürlich die Nasenflügel. Wonach roch eS! hier eigentlich? War das Mias Parfüm? Unsinn, natiir- >.ch! Was suc ein Parfüm Chatte sie überhaupt damals immer gehabt? Er kam nich« daraus, aber cs war ihm ganz nahe. Eigenartig und stark, aufreizend stark war cs immer gewesen. Er hatte nicht erwartet, jemals wieder von Mia z.u hören oder gar mit ihr zusammenzutrcffen. Im Anfang, ja, da hatte' er manchmal brennend gewünscht, ihr noch einmal gcgenübertreten zu können, kalt, überlegen und mit stummer, aber beredter Verachtung. Aber das war la*nge vorbei. Was dachte sie sich eigentlich? Was wollte sie von ihm? .Als verheiratete Frau... Kein Gedanke, daß er znm Nennen gehen würde! Selbstverständlich nicht! Bubi war nämlich nicht mehr! Bubi war schlafen gegangen! Man hatte ihn ja damals skrupellos zum alte«« Eise«« gelegt, als man das Spiel satt gehabt hatte. Ob Mias Mani« übrigens wohl mit hier war? Ob die beiden wohl eine glückliche Ehe führten? Ach, was ging das ihn an! Und man sollte ihn gefälligst in Ruhe - lassen. Ruhe...? Ja, was da immer noch in« ganzen Körper pochte und zuckte, das war alles andere als Ruhe! Wie konnte man sich durch so einen dummen Anruf nur so ganz und gar aus den« Gleichgewicht bringe«« lassen! Günter gab sich einen Ruck. Er hörte den unter brochenen Bericht des Magazinverwaltcrs bis zum Ende- an, aber er faßte nur das Wenigste, mußte immcr wieder frage». Von eine»« Bekannten hatte Mia gesprochen — ost das «voll! ein stiller Verehrer war? Ja so — die Be- arbcituna rcr Kommissionen — da mußte ein einfacheres, weniger aubendes Verfahren ausgedacht werden, natürlich. ; die Säcke und Kisten würde man wieder auf Abruf o. i ellen, selbstverständlich. Ja — ob Mia Wohl noch so blendend schön war wie damals? Ob sic noch die geschmeidige Figur hatte, das prachtvolle dunkle Haar, den Mund, der wie eine scharlachrote Blüte lockte? (Fortsetzung folgt.) — 206 — - 207 -