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101. Jahrgang Sonnabend, am 14. Dezember 1935 Nr. 291 « »ilk G.»- Ausnahme: Bittner (M> Die Puppenmutter d o M //ckös5onz/cs/ M tV/'^/e/'^sc/«^ kMMvWnME die Bettstelle klopft, und bei den Worten: „ich tritt di", muß sie mit den Füßen gegen die Bettlade treten. Der heilige Thomas hilft bestimmt, denn sein Orakel ist von besonders suggestiver Kraft. Der Brauch vermischt sich mit den sehnen den Gedanken des Mädchens und schafft so recht leicht eine Stimmung. Lie schließlich in einen Traum von dem Ge liebten ausklingt. Ein anderes Orakel der Thomasnacht läßt die Auswahl zwischen mehreren Freiern zu. Welche Maid sich in der Qual der Wahl nicht zu Helsen weih, möge folgendes Rezept versuchen: Sie nehme soviel Zettel, als sie Freier zu besitzen glaubt, und schreibe auf jeden Zettel den Namen eines Freiers. Diese Zettel lege sie unter ihr Kopf kissen. und im mitternächtlichen Dunkel der Thomasnacht ziehe sie einen davon hervor. Dieser trögt den Namen ihres zukünftigen Mannes. Die Liebesorakel sind Anhängsel fast aller Lostage der Weihnachtszeit und sehen sich darüber hinaus bis zum neuen Jahr und dem Dreikönigstag fort. Auch werden die gleichen Orakelbräuche an verschiedenen Tagen geübt. Bon solchen Bräuchen, die den Winternächten an sich gehören, wird aus Baden berichtet, daß Vie dortigen Mädchen einem Gänserich besonders seherische Gäben zutrauen. Unter Lachen pnd ' Scherzen bilden die Mädchen einen Kreis, in dessest Mitte sie einen Gänserich sehen. Aus welches Mädchen das kluge Tier nun zuerst zugeht, entscheidet darüber, welche aus dem Kreis der Freundinnen zuerst in den Stand der Ehe treten wird Was ein „Ganter" fertigbringt, kann eine ' uge Henne schon lange, «steinen die Jungfrauen in der Umgebung von Lorch. Hier bilden aber schon einander zugetane Paare den Kreis. Die Henne allerdings, die eines so wichtigen Orakel- spruches würdig ish muß kohlrabenschwarz sein Sie wird in der Mitte des Kreises eingeschläfert, und wenn sie erwacht, verläßt sie den Kreis zwischen dem Paar, das noch im gleichen Jahr heiraten wird. Die gleiche Frage nach dein Zeitpunkt der El wird auch durch bas „Schuhwen: den verschiedensten Formen vor in', sich in die Mitte ihres Sch' einen Schuh aus und wirft ihn hinter sich. Zeigt die Spitz? des Schuhes nach der Tür, so wird es noch im kommenden Jahr einem Freier aus dem Hause folgen. Fällt der Schuh jedoch umgekehrt, so muß es noch ein Jahr warten. Das weihnachtlichste Liebesorakel ist wohl das Befragen kleiner Walnußschiffe. In die ausgehöhlten Hälften von Walnüssen werden kleine Lichtlein als Maste gesetzt und irr für jeden Burschen und jedes Mädchen, das an diesem Orokct teilnimmt. ein Schiss hergestellt. Aus der Msttc des Tischce steht eine große mit Wasser gefüllte Schale, in der die Schiss chen mit ihren brennenden Lichtlein aus ihre Orakelsahn geschickt werden, ohne daß das Wasser in Bewegung geseh, werden darf. Die Schiffchen, die aus dieser Fahrt so zu- sammenstoßen, daß sie Paare bilden, sollen verraten, welch« Burschen und Mädchen sich auch im Leben zusammentur werden. In der Steiermark bekommen die Mägde für eir nicht unbeschwerlsches Orakel eine recht dürftige Auskunft Dort müßen sie in der dem Orakel günstigen Nacht aus einer Zwetschqenbaum steigen und diesen- schütteln. Hören si« dabei einen Hund bellen, so zeigt dieses Gebell die Richtunz an. aus der der Freiersmann zu der Magd kommen wir» Eine unendliche, bunte Reihe solcher Liebesorakel durch zieht das Brauchtum dieser ahnungsvollen Winternächte von Spieqclbesragen" bis zum „Bleigießen", vom „Lauscher am Ofen", bis zum „Scheiteziehen" Wir lieben diese Orakel 'piele, auch wenn wir an die Wirksamkeit der Orakel nich» mehr mit der gleichen Kraft wie früher glauben. Der Sinn dieser Dinge hat sich bei uns zum Spiel gewandelt, dar Miniernächten einen heimlichen Zauber sibt, das mit dem Liebesorakel die Frühlings- und Liebessehnsucht der Jugend willen im kalten Winter wachruft. So mancher dieser Orakel- inrüche Hal «ich erfüllt, nicht durch irgendwelche geheimem in w?u die jungen Menschen es wollten, daß er Liebesorakel gehören mit zu der Sieber- c >?n die sich in taufend Gleichnissen und ä? gehören mit zu der Sttvimuna de» ; s. ieliges Ahnen der stederwinoung wellior. - Es duftet In der Stube herbsüß nach Winteräpfeln. Draußen heult der Sturm durch die Nacht. Die Abende auf dem Lande.sind lang geworden und geben den Gedanken weiten Raum, die sich aus der Wintersenge heraussehnen, die wieder aufleben wollen in Hoffnung und Freude, so wie sie uns in Frühlingstagen überfällt. Die Lichter der Freude brennen ja schon im Advent. Die sehnsuchtsvolle Erwartung dieser Tage hat das gesamte Leben ergriffen. Ein junges Mädchen steht im Zimmer, und sinnt dem Duft der Aepfel nach, da kommt ihr ein fröhlicher Gedanke. Sie greift nach einem Apfel, schält ihn behutsam, daß ja der Zusammenhang der Schale nicht reißt, dann wirft sie die Schale hinter sich. In seltsamen Kringeln ist sie auf dem Boden liegengeblieben, aber die Augen des Mädchens er blicken deutlich in den Kringeln ein großes „N". „Richard", jauchzt es heimlich in ihrer Seele, denn sie Hal ein Liebes orakel nach dem Namen ihres Zukünftigen bcsragt. So wie dieses Mädchen möchten in allen deutschen Gauen die heiratsfähigen und heiratslustigen Dirnen Ant wort aus ihr geheimes Sehnen haben, und io braucht es uns nicht wunderzunehmen, daß gerade in den lastgen Winternüchten der Adventszeit die mannigfaltigsten Liebes- oiHkel von größter Bedeutung im Brauchtum des Polkes sind. Beginnend in der Andreasnacht, bis weit über Weih nachten hinaus begleiten sie das Brauchtum aller wichtigen Lostage. Der Liebesapfel ist auch in manchen Gegenden bekannt. Ost nimmt ihn die Magd vom „Christkindlemarkt" mit nach Hause und trägt ihn bis zum .l Weihnachtstag bei sich. Der Mittag naht. Zwilchen ll und 12 Uhr steht s,^ am Fenster und verzehrt den Apfel, aber schön bedächtig, denn die Straße ist leer. Sie wartet aus den Zukünftigen, der nach dem Orakel varüberkommen soll. Siehe, da schwenkt ein Bursche um die Kirchecke, geht an dem Fenster vorüber und ruft dem Mädchen lachend sein „G schmeckts?" zu. Das Orakel hat sich erfüllt. Der Dirne schießt das Blut in die Wangen: aber strahlend dankt sie ihrem Burschen, der sich wohl gehütet hätte, um diese Zeit an dem Fenster oorüber- zugehen, wenn es ihm nicht Ernst um seine Werbung wäre. Das ist ein Orakel, das Hand und Fuß hat, und nicht alles allein dem Zufall überläßt! Der 13. Dezember, der Tag der heiligen Lucia, und auch der 21. Dezember, der Thomastag. scheinen für die Stellung der Orakelsrage besonders günstig zu sein. Freilich, wer die heilige Lucia befragen will, muß schon etwas Mut besitzen. Der Name der Heiligen leitet sich von Lux, das Licht, ab, und sie ist auch sonst im Brauchtum eine lichte Erscheinung, aber seltsamerweise spuken in die Vorstellung von ihr alte Reste eines Herenwahns hinein, der den Tag auch mit man chen Aengsten vor dunklen Gewalten belastet. Von diesem dunklen Aberglauben hat auch das Liebesorakel am Voz^ abend des Tages der heiligen Lucia etwas abbekommen. Un mittelbar nach Mitternacht gehen die Dirnen, die in ihrem Busen ein Schnitzmesser verborgen tragen, nach einem nahen Bach, an dem Weiden stehen. Mit aller Heimlichkeit wird auf der Sonnenseite der Weiden ein Stück Rinde losgeschält, und in den Stamm unter der Rinde graben die Mädchen die sogenannten Lucienkreuze ein. Die abgeschälte Rinde wird wieder darübergelegt und festgebunden, dann eilen die Mägde wieder heim in ihre Kammer, denn die bis 1 Uhr nachts das Haus nicht wieder erreicht hat, ist dem Tode ver fallest, sie wird am nächsten Morgen als Leiche unter den Weiden gesunden. Das ist gewiß kein fröhliches Orakel. Für die ausgestandenen Aengste müssen die Liebenden sogar noch bis zum nächsten Frühjahr auf die Antwort warten, denn erst aus den verschiedentlich durch das Wachstum verän derten Spuren der Lucienkreuze kann das künftige Liebes schicksal herausgelesen werden. Wieviel freundlicher meint es doch da die Thomasnacht mit den wißbegierigen Jungfrauen. Da braucht sich keine Maid bei der Befragung des Llebesorakeis einem gruseligen Gang in die Wintersnacht hinaus auszusetzen. Sie bleibt mit ihrem erwartungsvollen Herzklopfen ganz allein in ihrer Kämmer. Freilich — Geduld muß sie auch besitzen, der Zau ber wird nur in der Mitternacht wirksam. Das heirats- lustige Mädchen wendet sich dann mit ihrem Herzenswunsch- gebet an den heiligen Thomas, den fie mit folgenden War- ten anfpricht: Lieber Thomas, ich bitt' di. Bettstell ich tritt di. Laß mir erscheinen den Herzliebsten meinen! Die Schwäbin freilich ist nicht bereit, sedwede Traum gestalt einfach hinzunehmen und sie fügt dem Gebel noch eine Bedingung hinzu: Kommt er mit einem Glas Wasser, , So. will ich ibn lassen. Kommt er mit einem Glas Wein. So soll er mein Eigentum lein. Wenn das Mädchen sein Sprüchlein aufsagt, muß es kein Obacht geben, daß es vorher und nachher dreimal an