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— 188 - „Paatziii, wenn du mit tMst, dann aber los!" brüllten zwei Stimmen vom Hanse her über den weihen, stillen, wei ten Hof. Patzi horchte ans und setzte sich sosort in Trab. Schnufke tappelte ein paar Schritte mit. Aber der Schnee ballte sich an seinen kleinen Pfoten fest. Tas war äußerst lästig. Wozu die Mühe! Im Kuhstall war cs auch lustig und warm obendrein. Also machte Schnufke kehrt. Patzi aber tüffelte weiter, so schnell die kleinen sechsjährigen Füße, die dicken Schuhe und der lange, mollige Alante! cs zuließcn. Als die Kleine bei den beiden andern angelangt war, nahmen die großen Schwestern den braunen Purzel liebevoll in die Mitte. — Die schöne breite Allee wurde im Lansschritt durcheilt, uud dann bogen sie in den herrlichen Waldweg ein. „Wir gehen znr Bärenschlucht; da sind die schönsten Bäumchen," erklärte Erika, die Zweitälteste, aber die unbestrittene Führerin. Aus dem schwerblauen Him mel fielen ein paar Schneeflocken. So gleich fing Patzi, ernsthaft ergriffen von Ler lautlosen Schönheit ringsum, stim mungsvoll an zu singen mit ihrer kindlichen Stimme: „Leise rieselt der Schnee..." Die Großen sahen sich halb der- und halb überlegen über die Kleine hinweg an. Aber bei der Stelle: „Weih nachtlich glänzet der Wald" wurden auch sie mitgerissen und sangen hell und froh ,»Freue dich, Christkind kommt bald!" „Wißt ihr was? Nun wollen wir noch einmal unser Programm für morgen Lurchüben. Das ist gerade fertig, wenn wir bei der Schlucht sind," gab Erika an. Die beiden andern stimmten zu. Und so schallten Lieder und Weihnachtsgedichte froh und jubelnd durch den Weihnachts- Wald. Im schneeverwehtcn Unterholz haben Hirsch und Reh sicher die feinen Ohren gespitzt und gelauscht. Erika hatte recht gehabt: Das Fest programm war fertig durchgeübt, als die Schlucht erreicht war. Herrlich große Tannen mit schwerer Schneelast standen da wie Könige. Tief, tief unten gluckerte der schmale Bach unter seiner Eisdecke, in die ilnige Löcher für die Fische geschlagen waren. — So, und nun los auf die kleine Schonung mit den reizenden kniehohen Tännchen, von denen eins zu schlagen ihnen erlaubt war. Voll ernsthafter Sorgfalt wurde aus gewählt. — „Zu groß — zu klein, etwas schief — etwas dünn..." „Dies hier, dies ist schön!" entschied Erika. Lieselotte zog vorsichtig zwei Messer hervor, die dick in Zeitungspapicr eingewickelt waren. Ja, vorsichtig waren sie, die „Bälg'"! — Nun wurde das Bäumchcu abgesiedelt. Aber das war nicht so leicht, wie sie es sich gedacht hatten. So klein das Tänn chen auch war, so zäh hielt cs doch mit seinem Füßchen im Waldboden fest. Es hatte gar keine Lust, sich ans dem schönen Weißen Schneebcttchen wegbriugen zu lassen. Die Großen arbeiteten, bis sie krebsrot und glühend heiß wurden. Schwesterchen stand gelangweilt daneben und fing nach einer Weile an zu jammern! „Mir frieren die Hände und die Füße so sehr. Ich kann's nicht mehr aus halten!" „Heul' nicht," polterte Erika sie gut mütig-liebevoll an, „lauf die Schlucht einmal 'runter und wieder 'rauf; dann wird dir schon warm werden!" Patzi trottete ab. Lieselotte meinte: „Wenn das Bäum chen wüßte, wozu wir es haben wollen, würde es nicht so widerspenstig sein." Und sie sprach leise, freundliche Worte: „Liebes Bäumchen, wir wollen dich in unsere schöne, Helle Stube nehmen, Ker zen sollen auf dir glänzen; wir wollen dich mit Gold und Silber behängen. Komm doch mit uns mit!" — „Meinst du, davon kriegen wir den Baum losge- schnitten? Gib lieber schnell nochmal das andere Messer; dies ist schon stumpf!" Dabei siedelte Erika noch einmal auf den Stamm los, der nun doch nachgab. „So, und nun nach Hause; sonst wird cs uns noch dunkel! — Paaatziii!" — Sie sahen sich nach der Kleinen um, die aber noch nicht wieder aus der Schlucht auftauchte. Tief unten hörten sie daS Schwcsterlein reden: „Na, nnn komm doch, mein Kleiner, komm doch mit!" Immer wieder sprach sie dieselben Worte mit zärtlichster Stimme. Die Großen glaubten ihren Augen nicht zu trauen: Von unten her begann Patzi langsam den Abhang wie- der zu erklettern, und ihr nach stieg, von der leisen Stimme der kleinen Tier freundin zauberhaft angezogen, ein —