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ZUR EINFÜHR UNG Karol Szymanowsky (1883—1937) gehört zu den bedeutendsten Komponisten Polens. Er war vor dem ersten imperialistischen Weltkriege ein Vertreter des internationalen Impressionismus. Nach dem Weltkriege ließ sich der Vielreisende im Jahre 1922 in Warschau nieder und wurde Kom positionslehrer am dortigen Staatskonservatorium, dessen Direktor er später wurde. Von da ab schmilzt er in seine sehr komplizierte Tonsprache Volksliedelemente ein. Seine Musik wird dadurch kräftiger, ohne die Note des Impressionismus aufzugeben. Vor kurzem sagte ein polnischer Minister, daß Szymanoswsky zwar nicht den Ton des Volkes gänzlich getroffen habe und’seine Musik noch zu kompliziert sei, trotzdem sei er aber einer der ihren und habe Größe gehabt, weshalb die Polen ihn immer auf führen würden. Die beiden Sätze Notturno (Nachtstück) und Tarantella (italieni scher Tanz) zeigen Szymanowskys. Eigenart. Das Notturno ist ein Stimmungsstück, in welchen dunkle und nächtige Farben aufleuchten und düstere Schatten über sie hinweghuschen. Matte Lichter wechseln mit Stellen unheimlicher Stille, betäubende Klänge brechen hervor und ersterben in Seuf zern und Flüstern. Harfe und Celesta, viel Schlagzeug, geben diesem Satz einen rauschenden Hinter- grund. Die Tarantella wird vom Sechsachteltakt geprägt, der Rhythmus gibt diesem lebhaften Satz eine kräftigere Note. Wilde Ausbrüche tragen Unruhe in ihn hinein. Leidenschaftlich endet er. Beide Sätze zeugen von der großen Begabung Szymanowskys, der in der polnischen Musik geschichte eine wichtige Rolle des Überganges vom internationalen Impressionismus zur nationalen polnischen Musik spielt. Robert Schumanns (1810—1856) Konzert für Violoncello und Orchester, op. 129, ist ein echt romantisches Werk. Wohl wie kein zweites Instrument (außer dem von den Romantikern bevor zugten Horn) ist das Violoncello geeignet, einen sehnsuchtsvollen, gefühlsbeladenen Gesang an zustimmen. Es hat die lyrische Weichheit mancher Tenorstimme, aber auch die etwas dunklere Fülle des Baritons, es hat den edlen, etwas verträumten Schmelz, den tiefe Empfindungen auslösen können. Schumann hat diese Eignung des Instrumentes für romantische Stimmungen und Gefühls werte erkannt und ihm ein Werk auf den Leib geschrieben, das alle jene Vorzüge enthält. In den drei Sätzen dieses Konzertes blüht eine Welt des Traumes auf, so schön und melodienreich, daß es fast schmerzlich ist, sie der Wirklichkeit gegenüberzustellen. Die 2. Sinfonie in D-Dur von Johannes Brahms, op. 73, ist 1877 geschrieben und ein Jahr später veröffentlicht worden. Man nennt sie oft die Pastoral-Sinfonie dieses Komponisten, wenn auch hier und da tragische Töne aufklingen wollen. Geschrieben ist dieses Werk am Wörther See, wo sich Brahms besonders wohlfühlte. Dieser Ausdruck des Wohlbefindens und eines Brahmsischen Glück lichseins, das immer mit etwas Melancholie vermischt ist, durchzieht diese ganze Sinfonie. Der erste Satz beginnt mit einem volksliedhaften Gesang der Hörner und der Holzbläser, wobei Celli und Bässe eine kleine Wechseltonfigur spielen, die sich als gestalterisches Motiv für dem-ganzen Satz, ja für das ganze Werk ergiebig erweist. Das erste Thema, von den Geigen vorgetragen, von den Flöten aufgenommen, atmet eine gewisse Behaglichkeit — aber wie sicher gleitet es in den be kannten grüblerischen Ernst, den Brahms nie verleugnet, hinüber. Das zweite Thema läßt die Violoncelli singen, Aber gleich nach diesem ausgesprochenen Gesangsthema findet sich noch ein^^^ drittes, ein rhythmisch-markantes ein, das nun zur Durchführung überleitet, in der das Wechsel-^^F tonmotiv im Blech eine gewichtige Rolle spielt. Die Wiederholung des ersten Teils setzt ganz der klassischen Form entsprechend ein, ein Hornsolo kündet den Beginn der Coda an. Der zweite Satz atmet Trauer und Schwermut. Wiederum singen die Violoncelli eine sehnsüchtige Melodie. Eine zweite Episode hat etwas Traumhaftes an sich, aber nach kürzester Zeit gewinnt in diesem Seelen gemälde der Trübsinn wieder die Oberhand. Den Abschluß bildet die Wiederholung des sehnsüch tigen Gesanges, diesmal von den Geigen, darauf von der Oboe, dann vom Horn gesungen. Der dritte Satz ist ein Allegretto, der das Scherzo vertritt. Die klassische Form ist auch hier für Brahms das Vorbild. Das Trio läuft im Zweivierteltakt ab und verändert dabei rhythmisch das vorher gehende Dreivierteltaktthema. Der Schlußsatz (Allegro con spirito) erinnert stark an die Welt Haydns. Brahms wählt hier die Sonatenform, nur daß er die einzelnen Themen zu Themenkom plexen erweitert und anreichert. Eine ruhige Episode schiebt sich ein, die sichtlich Natureindrücke widerspiegelt. Die Sinfonie ist klarer instrumentiert als ihre schwergepanzerte Schwester, die erste — sie heißt mit Recht die „Pastorale" von Brahms. Johannes Paul Thilman.