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t-Irbeberrecbtsscbuti:: kunk l'ürme-V'crlsg, UaUe (8aulc> 17> Nachdruck verboten. „Vielleicht doch. Ich begegnete Julchen Mittrasch. Sie lief allerdings nach Ritesberg hinüber. Sie hatte einen Korb und grüßte mich sehr devot. Ich habe sie zwar im Verdacht, daß sie Weidenkätzchen geschnitten hat. Und viel leicht sah sie da zufällig Käthe Randolf am Wasser, und da hat sie sich herangeschlichen, hat das Mädelchen hinein- gestoßen." „Furchtbar! Ich traue es ihr auf einmal zu, Arndt. Denn so einen Zufall gibt es nicht, daß ausgerechnet die Mittrasch in der Nähe gewesen ist, als der kleinen Käthe so etwas angetan wurde." „Sie kann sich freuen; jetzt habe ich es satt", sagte Arndt von Berken zornig. Dabei blickte er wieder nachdenklich in Käthes liebes, junges Gesicht. Und ein sonderbarer Gedanke kam ihm. Ein ganz, ganz sonderbarer Gedanke. Arndt von Berken sprach noch ein paar Worte leise mit seiner Schwester, dann verließ er das Zimmer. * * * Eine Lungenentzündung hatte Käthe Randolf lange Zeit aufs Krankenlager geworfen. Und Brigitte von Berken hatte dieses Krankenlager nicht verlassen. Der Schloßherr ging auch mit tiefernstem Gesicht umher. Der infame Klatsch, der von Schloß Gleiberg aus den Oster sonntag über verbreitet wurde, der gedieh ringsum auf bestem Boden. Arndt wußte es! Wußte alles! Wilhelm Martens hatte es ihm gesagt. Hatte hinzugesctzt: „Und ich hatte doch gedacht, daß Nora und Sic — lieber Berken... Können Sie denn das Mädel nicht weg- schicken?" Arndt von Berken hatte den alten Mann einfach stehen- lassen. Was hätte er denn aus all den niederträchtigen Klatsch entgegnen sollen? Aber in ihm reiste ein Entschluß. „Ich habe Ihnen so viele Mühe gemacht. Wie soll ich das jemals gutmachen?" Käthe Randolf lehnte den blonden Kopf müde an die Schulter Brigittes, die wieder, wie so ost, bei ihr sah, seit sie nun aufstehen konnte. Sie war auch mit Brigitte schon einige Male im Park gewesen, der sich in schönster Pracht präsentierte. Sah sie den Schlotzherrn einmal, dann zuckte sie ängstlich zusammen. Brigitte merkte dies alles genau. Sie hatte auch des Bruders undurchdringliches Gesicht beobachtet, heimlich, voll Sorge. Was plante er? Hoffentlich entfernte er das kleine, liebe Mädelchen nicht aus Berkenhofk»! Sie hatte sich so an Käthe gewöhnt.- Und deren unaufdringliche Zärtlich keit tat ihr so wohl. Ein wunderschöner Gedanke kam Brigitte einmal. Das war eine Stunde, in der Brigitte von Berken alle Vor urteile, allen Stolz beiseite warf und einen jungen, wert vollen Menschen bei sich einschätzte! Ganz objektiv und gerecht cinschätzte! i Aber — es würde Wohl nicht sein! Und es durfte vielleicht auch nicht sein. Bestanden nicht im Hausgesetz Klauseln in dieser Beziehung? Brigitte warf die Gedanken beiseite. Mo^ig hatte sie sich verirrt^ Aber sie" tonnte es nicht ändern, daß sie in den nächsten Tagen, Wochen immer wieder diesen Gedanken hatte. Freilich! Tante Adelheid! Die letzte noch lebende Berken, die außer ihr, Brigitte, im Hausgesetzbuch zu unterschreiben hatte, wenn ein Gesetz im Einverständnis aller zur Zeit letzenden Berken umgestoßen wurde. Tante Adelheid würde niemals unterschreiben, daß Arndt ein armes, kleines Mädel heiraten durfte. Ein Mädel aus dem Volte! Tante Adelheid, die so adelsstolz und voreingenommen war gegen alles, was alte Vorurteile über den Haufen werfen sollte. Und daran scheiterte ja alles! * * * Nun war ein wundersamer, warmer Frühlingstag. Es grünte und blühte ringsum. Es war, als könne sich die Natur gar Nicht genug tun. zu spenden und zu schenken. Käthe saß in einem hohen Lehnstuhl hinten bei den blühenden Sträuchern, die rosa und weih blühten, und deren Duft an Mandelblüten erinnerte. Aber Brigitte von Berken nannte die schönen Blüten Hundeblumen. Sie hatten in der ganzen Umgegend schon immer so geheißen. Niemand war hier. Neben Käthe stand noch der kleine, weiß gedeckte Tisch, an dem sie vorhin Kaffee getrunken und ein Stück guten Kuchen gegessen hatte. Käthe dachte an die letzten Wochen. Und ein zitternder Atemzug löste sich ihr aus der Brust, stieg empor, vibrierte leise durch die Luft. Julchen Mittrasch saß gefangen! Sie hatte, in die Enge getrieben, die unselige Tat eingestanden. Sie würde wohl ein paar Jahre Gefängnis erhalten!, hatte Arndt von Berken gesagt. Und sie hatte gleich noch mit ein- gestaaden, daß Nora von Stetten den Inspektor Fischer ^Wiederholt bei sich empfangen hatte. Dieser, von Eifer- /sucht und R-che geplagt, sollte Käthe Randolf bei seinem Herrn herabsetzen. Sollte sagen, daß er mit Käthe Randolf ein Verhältnis gehabt habe. Julchen hatte das mit angehört, als Frau Nora von Stetten geglaubt hatte, sie, Julchen, sei mit ihrer Arbeit fertig und hätte das Haus längst verlassen. Derart bloßgestellt, hatte Nora von Stetten die Gegend wieder verlassen, aber es hieß, Baron Zesewitz sei auch mit abgereist, und überhaupt hätte der Baron in letzter Zeit sehr viel in Martensbrück zu tun gehabt. Jedenfalls stand so viel fest, daß Nora von Stetten sich hier in der Gegend unmöglich gemacht hatte. Man hatte wieder etwas zum Tratschen, aber bis nach dem stillen Frieden von Berkenhofen langte der Klatsch nicht. Hier- wurde etwas kurz besprochen. Es genügte, wenn man es wußte — und dann Schluß damit. Käthe senkte müde den blonden Kopf. Sie sah rührend blaß und schön aus. Da knirschte der Kies unter einem festen Schritt. Käthe kannte diesen Schritt, würde ihn unter tausenden herauskennen. Liebte diesen festen, energischen Schritt. Arndt von Berken kam zu ihr heran, sagte lächelnd: „Was macht das kleine Mädel heute? Werden wir bald ganz gesund sein?" „Ich bin — doch gesund — ich muß es auch endlich wieder sein. Drüben im Büro hat sich doch sicherlich sehr viel Arbeit angcsammelt." Er nahm ihre kleine Hand in die seine. „Daran denken Sie jetzt gar nicht. Wer weiß, ob Sie noch einmal in das Büro kommen werden." Käthe zuckte zusammen. Was hatte er gesagt? Meinte er, daß er sie fortschickcn wollte? Ihre kleine Hand zitterte in der seinen. Der Mann hielt die kleine Hand fest, die sich da so ängstlich und scheu aus der seinen hinwegstehlen wollte. „Käthe, wollen Sie meine Frau werden?" Käthe wagte nicht, den Mann anzusehen. Wenn er sehen könnte, was sie da soeben mit offenen Augen ge träumt hatte? Denn es war doch nicht möglich, daß er diese Frage an sie gerichtet hatte? Und doch! Ganz deutlich hatte sie es gehört. Und jetzt nahm er sie in seine Arme, küßte sie. „Käthe, willst du meine Frau werden?" Da kam ein schluchzender Laut über ihre Lippen. „Arndt — das ist ja — nicht wahr — das kann ja — niemals kann das wahr sein." „Hast du mich lieb, Käthe?" -Ja!" „Seit wann?" „Seit — seit — seit ich dich in der Eisc "h." Er lächelte gerührt, küßte den blassen Mun«. „Käthe, ich habe aber immer noch keine richtige Antwort." „Ja — ich will deine Frau sein!" Wieder küßte er sie. Und er bereute --- die bindende Frage gestellt zu haben. Zwölftes Kapit-.^ „Brigitte, ich habe Käthe Randolf gefragt, ob sie meine Frau werden will." „Also doch!" „Brigitte, ich hab' gedacht, du glaubst, d»v ich wahn sinnig bin, wenn ich dir diese Eröffnung machen werde." „Nein! Ich habe das kommen sehen und habe mich in den letzten Wochen selber mit diesem Problem genügend beschäftigt." „Das konnte ich allerdings nicht ahnen." „Also, was soll nun werden? Tante Adelheid ist das älteste Mitglied der Familie. Und sie gibt ihre Ein- willtgung nie. Das Hausgesetz bestimmt, daß du nur eine Frau aus »altem Adel heiraten darfst. Ausnahmen sind zugelaffen. Wenn nämlich alle noch lebenden mündigen Mitglieder der Familie ihre Einwilligung geben. Und Tante Adelheid gibt sie nie, diese Einwilligung. Du kennst sie doch. Ein alter Name ist bei ihr alles. Je mehr Ahnen, desto besser." „Meinst du? Ich weiß es bester! Menschen können sich zuweilen ändern. Wenn es auch manchmal erst auf die alten Tage geschieht." „Aber Tante Adelheid bestimmt nicht." „Schwesterlein, Liebes, du hattest bisher immer recht, wenn du gar so fest auf einem Standpunkt stehenbliebst. Aber heute muß ich dir leider widersprechen. Höre: Ich habe nämlich einen ausführlichen Brief an Tante Adelheid geschrieben. Hier ist ihre Antwort: Lieber Neffe! Hättest Du mir vor zehn Jahren so einen Brief geschrienen, hätte ich den gesamten Familienrat zu sammengetrommelt, der aus Brigitte und mir bestanden hätte, und wir hätten Dich mal gründlich untersuchen lasten! Seine Sekretärin heiraten? I du meine Güte! Heute aber sage ich Dir: Mache, was Du willst! Schließ- lich muß jeder selber wissen, was er tut, und was er läßt. Und die Standesvorurteile Pnd nun schon gar ein himmelschreiender Unsinn. Was nützt denn ein ur- L alter edler Name, wenn feine Träger.entweder Säufer, Verschwender oder gar Verbrecher sind. Der Kern im Menschen selber — das ist's, nach was man forschen muß. Das blonde Mädel scheint mir ein stiller, wert, voller Mensch. Warum, nicht? Wenn Du es für richtig befindest, dann gib ihr Deinen Namen. Vielleicht wird sie ihn mehr in Ehren halten als irgendein fein- gebildetes »intrigantes Frauenzimmer! Bildung hat jeder Mensch! Nämlich Herzensbildung. Und darauf sieht der liebe Gott — auf weiter gar nicht«. Also mache Du, was Du willst. Ich bin mit Deiner Heirat ein verstanden. Weißt Du, bei manchem Menschen hapert's nämlich mit der Herzensbildung gewaltig. Der Mensch hat diese Bildung, aber bei manchem ist sie gut und beim andern böse! Und wenn man einen Menschen findet, auf den man sich verlaffen kann, ist das mehr wert als ein alter Name. Gott befohlen! Deine Tante Adelheid. Brigitte setzte sich überwältigt. „Jetzt hat sich die Welt gründlich geändert. Das Oberste ist nach unten gedreht — und umgekehrt! Tante Adelheid! Wie kann das nur sein? Es ist ja beinah nicht zu glauben. Aber ich will mich darüber freuen. Und ich bin froh, daß du nun endlich heiraten wirst. Das wird Wohl Tante Adelheid auch gedacht haben, daß es besser ist, du heiratest ein armes, kleines Mädel, als du heiratest gar nicht. Immerhin bist du der letzte Berken." „Daran hab' ich gedacht, Brigitte! Und Käthe ist so schön und blond und zart. Es ist gut, wenn sie mir Kinder schenkt. Blonde, schöne Kinder! Die letzten Bertens waren alle dunkel! Vielleicht sogar ein bißchen häßlich — nicht wahr?" „Du nicht! Aber ich! Dcinc Kinder möchten nach der jungen Mutter sein, dann hätte ich was zum Verhätscheln und Liebhabcn. Wie ich mich freue!" Es war keine Phrase: Brigitte freute sich wirklich von ganzem Herzen, und Arndt kannte seine Schwester auch viel zu gut, um das nicht genau zu wissen. So war denn alles in bester Ordnung. Und Brigitte schrieb an Tante Adelheid, ob sic ihr Käthe bringen dürfe. Denn nun, wenn die Verlobung bekanntgegeben wurde, konnte Käthe nicht mehr im Hause bleiben. Käthe blickte ängstlich auf, als sic es ihr sagten, daß sie für einige Wochen nach Pommern reisen würde. Aber sie sah die Notwendigkeit der Reise Vann ein. Sie schrieb einen lieben Brief an Olga und die Mama Kulick nach Berlin. Es dauerte einige Tage, ehe sie Antwort bekam. Aber sie saß dann ganz still und traurig bei ihrem Brief, auf den sie so lange gewartet hatte! Frau Kulick war vorige Woche gestorben. Sie war nur ein paar Tage kränklich gewesen, hatte nicht gewollt, daß Olga der kleinen Käthe etwas davon schrieb. Aber sie hätte immer von ihr gesprochen, hätte noch den letzten Tag gesagt: „Unser blondes Prinzeßchen ist in einem Schloß. Und sie wird dort bleiben für immer — eine Ahnung sagt es mir. Ich freue mich so! Ich freue mich, Olga!" Und dann schrieb Olga noch, daß sie in einer großen Zeitung gelesen habe, daß Kapitänleutnant von Boden- stein an einem gefährlichen Fieber in den Tropen ver- storben sei! Seine Angehörigen hätten es bekanntgcgeben. Und sie, Olga, hätte sich nun auch einen andern Lebens weg gesucht. Sie werde barmherzige Schwester! Die weiße Haube schütze vor allen Gefahren des Lebens, und — sie wolle nichts mehr vom lauten Leben, vom schillernden Vergnügen wissen. Und nun könne sie wenigstens den schönen, frohen Menschen lieben, könne -ihm treu sein bis in Ewigkeit. Der Tote gehöre ihr! Den Lebenden hätte man ihr niemals gelassen! Olga schrieb dann noch, sie wünsche alles Gute und alles Glück. Also hätte die arme gute Mama Kulick doch recht behalten. Und das sei gut so! Käthe werde nun geborgen sein in den Armen des Gatten. Das sei eine große Beruhigung für sie. Und sie werde bald wieder etwas von sich hören lassen, wenn sie eingewöhnt sei in dem neuen Berufe. Die Oberin sei sehr lieb und gütig und die verschiedenen Schwestern auch. Käthe solle manch mal an sie denken, wie auch sie ihre kleine Käthe nie ver gessen würde! Käthe weinte. Und Arndt kam und tröstete sie. Und dann lächelte sw doch wieder glücklich zu ihm auf. Die Hochzeit sollte in Pommern auf Tante Adelheids Gut gefeiert werden — die alte Dame wünschte das sok Es waren noch sechs Wochen Zeit bis dahin. Und Käthe konnte sich von ihrer Krankheit erholen. Am Montag würde Brigitte mit ihr reisen, pnd am Sonnabend vorher wurde die Verlobung öffentlich be- tanntgegeben. DaS gab ein Hallo! Wagen fuhren von einem Gut, von einem Schloß zum andern. Man wurde so schnell mit dieser Neuigkeit nicht fertig. Also doch! Alles war Wahrheit gewesen! Diese Person hatte sich den Arndt geangelt. Es war zum Haare-Ausziehen! Was sollte man tun? Man müßte diese Sache ignorieren. Jawohl! Tot schweigen! Einige wollten sich der Baronin Gleiberg bei dieser schweigenden Verachtung anschließen. Andere wieder nicht. Schließlich gab die Frau Doktor Weitz die Parole aus: „Arndt von Berken ist im Vollbesitz seiner fünf ge sunden Sinne. Wenn er da« schöne kleine Mädel an seine Seite stellen will, hat eS unS andern auch recht zu sein. Ich fahre jedenfalls mit Blumen hin. Ich werde mich hüten und so tun, als ob mir da was nicht paßte bei der Verlobung. Das ist ganz allein Arndt von Berken« Sache!" ^Fortsetzung folgt.)