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Uorrekt und normal Benesch über die Beziehungen szu Deutschland Präsident de Baillet Latour delm Führer Berlin. 6. November. Der Führer und Reichskanzler empfing den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees, Grafen de Bail- let-Latour, im Beisein des Reichs- und preußischen Mini sters des Innern, Dr. Frick, des Präsidenten des Organi sationskomitees für die 11. Olympiade, Staatssekretärs a. D. Wirk!. Geh. Rat Exz. Dr. Lewald, und des Reichssportfüh rers von Tschammer und Ostc zu einer längeren Unter redung. Neuer tschechoslowakischer Ministerpräsident Prag, 6. November. Wie amtlich mitgeteilt wird, hat Präsident Wasaryk der Ministerpräsidenten Jan Malypetr auf dessen Ansuchen au: seinem Amt entlassen und den Landwlrtfchaftsminister Dr Milan hodza zum Vorsitzenden der Regierung ernannt. Wie hierzu verlautet, wird Ministerpräsident Dr. Milar Hodza sein bisheriges Ressort, das Landwirtschaftsniiniste- j rium, weiter betreuen. j Mittritt -es Memel-irektoriums Löst Litauen sein Versprechen ein? Memel, 6. November. Der Rücktritt des Direktoriums Bruvelaitis ist amtlich bekanntgegeben worden. Der Gouverneur hat den Rück tritt angenommen und Bruvelaitis beauftragt, die Geschäfts bis zur Bildung eines neuen Direktoriums weilerzuführen. Der Rücktritt des Direktoriums Bruvelaitis war nach der vernichtenden litauischen Niederlage bei den Memelwah len eine Selbstverständlichkeit. Bruvelaitis wäre vom me melländischen Landtag, der am heutigen Mittwoch zusam mentritt, ohnehin gestürzt worden. Die litauische Regierung hat sich auch den Unterzeichnermächten gegenüber verpflichtet, ein Direktorium nach dem Willen der Mehrheit der memelländischen Bevölkerung zu bilden. Dieses Ver sprechen wird nunmehr eingelöst werden müssen. Prag, 6. November. Außenminister Dr. Benesch machte im Parlament eingehende Ausführungen zum Kampf um die Sicherheit in Europa und zum italienisch-abessinischen Konflikt. Die tsche choslowakische Regierung, so sagte er, bleibe auch weiterhin trotz der Unterbrechung der Verhandlungen Anhängerin des Donaupaktes und sei gemeinsam mit den übrigen Staaten der Kleinen Entente der Ansicht, daß kein so großes Hin dernis vorhanden sei, um die Verhandlungen nicht mit Er folg abschließen zu können. Zum abessinisch-italienischen Konflikt erklärte der Mi nister, die italienische Regierung habe anscheinend das ent schiedene Eintreten der Engländer für die Völkerbundsver pflichtungen nicht erwartet und auch an die Möglichkeit ei ner größeren Aktion des Völkerbundes nicht geglaubt. Der Minister ging dann auf das Verhältnis zur Sow jetunion ein und stellte fest, daß der Vertrag mit der Sow jetunion weder geheime noch sonstige Zusätze enthalte noch gegen irgendeinen Staat gerichtet sei. Die Politik der Freundschaft mit Sowjetrußland diene nicht nur der'Sicher heit des Staates, sondern vor allem dem dauernden Gleich gewicht in Europa. Unser Verhältnis zum nationalsozialistischen Deutsch land, fuhr Benesch fort, bleibt ebenso korrekt und normal, wie dies bereits in früheren Kundgebungen festgeskellt wor den ist. Dir hätten mit diesem Staat gern den Ostpakt oder auch einen Pakt, wie ihn der Reichsaußcnminister in einer Anregung zur Zeit der Konferenz von Stresa angedeutet hat, unterschrieben und so den Ausgleich der Beziehungen sowie eine größere gegenseitige Annäherung vorbereitet, denn wir haben mit Deutschland keine direkten Differenzen und werden sie auch, wie ich hofse, in Zukunft nicht haben. Bon uns aus werden auch niemals Anlässe oder Ur sachen für Differenzen mit Deutschland entstehen. Wenn sich s Deutschland mlt den Staaten Westeuropas einigt, werden i wir dies warm begrüßen. In dieser Richtung haben wir niemals ein Hindernis gebildet. Wir könnten mit Deutsch- j land Schwierigkeiten als Reflex der alleuropüischen > Disssronzen ha»sn, denn die Staaten Europas hängen heute j alle voneinander so stark ab, daß der allgemeine Friede > Europas tatsächlich unteilbar ist. In dieser Beziehung ist , namentlich auch die Politik aller drei Staaten der Kleinen s Entente Deutschland gegenüber absolut einheitlich. Wir gehen aber in jedem Falle so vor, daß in unserem gegeu- ! seitigen Verhältnis mit Deutschland nichts geschieht, was in ! der Zukunft ein gemeinsames Einvernehmen hindern könnte, und daß wir gemeinsam mit allen anderen Staaten, auch , mit Deutschland, in einer Front der Arbeiter und Retter ! des Friedens in Europa stehen können. Bei dieser Gelegen heit wiederhole ich hier, was ich bereits anderwärts vielfach ! gesagt habe: Die Frage des inneren Regimes dieses oder jenes Staa tes kann im Rahmen unserer Friedenspolitik kein hinder- ' nis für wahrhafte Einigung und Zusammenarbeit-mit ihm : sein, wir sind Verbündete des demokratischen Frankreich, i wir haben uns mlt dem Sowjetverband geeinigt, wir ha- i ben den Donaupakt mit dem faschistischen Italien vorberci- ! tet, wir haben die Verhandlungen mit dem Vatikan erfolg reich beendet, und wir wünschen auch mit dem heutigen Deutschland Frieden und Zusammenarbeit. Die Beziehungen zu Oesterreich bleiben freundschaftlich, die Beziehungen der Kleinen Entente zu Ungarn haben sich im Verlauf der Donanpaktnerhnndlungen gebessert. In un- i serem Verhältnis zu Polen ist keine Äenderung zum Besse- > ren eingetreten. Die tschechoslowakische Regierung hat den , guten Willen zur direkten Verständigung und widerruft keine ihrer früheren Anregungen zur Lösung des Konflik tes, wird aber auf ihrem Gebiet unter keinen Umständen eine ungesetzliche Agitation oder Aktion dulden. Botschaft König Eeorgr Rückkehr nach Griechenland am 24. November. Athen, 6. November. Wie in politischen Kreisen Athens verlautet, wird König Georg U. am 24. November nach Griechenland zurückkehren. Der griechische Kreuzer „Helli" wird den König in Spalato (Split) erwarten. Bis zur Rückkehr des Monarchen wird in der innerpolitischen Lage keine Veränderung eintreten. Man glaubt allgemein, daß Georg ll. die Bildung einer Re gierung anstreben wird, die neben den royalistischen Füh rern wie Kondylis, Theotokis auch Tsaldaris und Metaxas sowie Persönlichkeiten umfaßt, die außerhalb der Politik stehen. Kondylis will nach seiner Wiederbetreuuna die Na tionalversammlung auflöscn und Neuwahlen für Dezember ausschreiben. Die griechische Regierung hat ein Telegramm König Georgs ll. erhalten, in dem dieser dem Staatspräsidenten und dem Ministerrat mit bewegten Worten seinen Dank für die Glückwünsche zu dem Ausgang der Volksabstimmung ausspricht. König Georg bittet dann die Regierung um Veröffentlichung einer Botschaft an das griechische Volk, in der es u. a. heißt: Griechen! Mit Gottes Hilfe und durch den Willen des griechischen Volkes kehre ich in mein Vater land zurück. Die Trennung war für mich ein grausames Geschick, und die Prüfungen, die ich durchwachen mukte. ma ren zahlreich. Aber ich denke nicht im geringsten anirgenö- eine Vergeltung. Ich habe unter die Vergangenheit einen Schlußstrich ge zogen, um mich ganz der Zukunft zu widmen. Gestützt auf die Zuneigung meines geliebten Volkes, will ich als treuer Wächter des Regimes meine ganze Kraft in die Ver wirklichung unserer Ideale sehen. Der Wahlspruch meiner Väter, so schließt die Botschaft, wird auch der meine sein: Weine Stärke liegt in der Kraft meines Volkes l (1. Fortsetzung.) Eine schwere, drückende Pause folgte seilten Worten. Vom Hof klangen Stimmen durch das offene Fenster herein. Dumpfes Brüllen kam von den Ställen her; man begann mit der abendlichen Fütterung. Frau Varnhagen saß wie in einem ungeheuren Wirbel von Rauschen mch Brausen. Ihre Schläfen klopften wie dumpfe Hämmer. ' „Es ist mir ganz und gar unmöglich, das Kapital zu beschaffen«, sagte sie mit leiser, schwankender Stimme. „Sie wissen ja, daß das Gut überlastet ist. Wenn Sie uns seinerzeit nicht mit der Hypothek geholfen hätten, wären wir schon damals am Ende gewesen.« Westhoff spielte anscheinend nachdenklich mit dem funkelnden Brillantring am kleinen Finger seiner flei schigen Linken. „Das ist allerdings wenig tröstlich und bringt mich Ihnen gegenüber in eine sehr unangenehme Lage«, er widerte er mit zusammeugeschobcncu Augenbrauen. „Ich kann mir die Gelegenheit unmöglich entgehen lassen; ich brauche das Kapital unter allen Umständen.« Wieder folgte tiefe Stille seinen Worten. Ein paar Fliegen summten leise durch das Zimmer. Frau Varu- hagen empfand den surrenden Ton wie den drohenden Flügelschlag nahen Unheils. Draußen auf dem Flur ging eine Tür. Eine zweite wurde geöffnet und wieder zugeschlagen. Leichte Schritte kamen heran, dann öffnete sich die Tür zum Salon. Ursel Varnhagen erschien auf der Schwelle. Sie kam eben vom Bleichplatz und hatte überall nach der Mutter gesucht. Ihr hübsches, ovales Gesicht verriet Ucberraschung und leichtes Erschrecken, als sie Westhoff gewahrte. Ein forschender, besorgter Blick ihrer herrlichen, dunkelblauen Augen ging zwischen ihm und der Mutter hin. Mit leichtem Zögern trat sie ein und ging auf den unerwarteten Besucher zu. „Du, Georg — ?« Westhoff hatte sich, erhoben. Ein brennender Blick flackerte in seinen grauen, nicht sehr angenehmen Augen aus, als er rhr dio.Hand reichte. „Wie du siehst;; Ursel! In voller Lebensgröße. Wie geht es dir?« In köstlicher Lebcnsfrische stand sie vor ihm, trotz des frühzeitigen Ernstes, der ihre Züge überschattete und sie «was älter erscheinen tieft, als- sie in Wirklichkeit war. Beim Besprengen der Wäsche hatten sich ein paar ver- streute Wassertropsen in threw blonden, seidigen Haar verfangen; sie sunkelten wie Diamanten in der leuchtenden ! Abendsonne, die einen breiten, goldenen Streifen durch ! das Zimmer zog. „Danke! Wie es bei den Verhältnissen eben gehen kann«, erwiderte sie. „Es könnte jedenfalls besser sein. Du weißt ja —« Wie gebannt starrte Westhoff das junge Mädchen an. „Du scheinst ja mit jedem Tage hübscher zu werden, > Ursel,'« . j "Sie verzog die Lippen ein wenig. „Du bist doch gewiß nicht gekommen, um mir-das zu sagen —« „Wenn schon! Tatsache ist cs jedenfalls. Wie lange haben wir uns eigentlich nicht gesehen? Es muß doch bald ein Vierteljahr her sein.« „Reichlich zwei Monate. Furchtbar — nicht?« „Allerdings! Ich wollte schon neulich wieder mal mit herankommen, wurde dann aber leider festgchalten. Man hat ja so wenig Zeit." Ursel schien es unter seinen Blicken, aus denen eine kaum verhüllte Glut sprach, unbehaglich zu werden. Sie fuhr sich mit der Rechten über die schöne, freie Stirn und schob das schimmernde Haar zurück. „Du mußt schon entschuldigen, wenn ich gleich wieder ausreibe. Es ist höchste Zeit, an das Abendessen für die Leute zu denken. Du weißt doch, das beste Geschöpf rebelliert, wenn der Magen knurrt", versuchte sie zu scherzen. Westhoff war sichtlich verstimmt, mußte sich aber fügen. Er folgte ihr mit einem langen Blick, bis sich die Tür wieder hinter ihr' geschlossen hatte. Dann ließ er sich wieder nieder. Das dunkle Glühen in seinen Augen war mit einem Male erloschen. Er war jetzt ganz der kühle, rechnende Geschäftsmann. „Ja, meine liebe Frau Varnhagen, so leid cs mir tut, ich mutz Sie wirklich bitten, für die rechtzeitige Ablösung der Hypothek zu sorgen. Ich mutz zum Oktober unbedingt über das Geld verfügen können«, begann er wieder, während er die schwergoldene Uhr zog und einen slüch- j tigcn Blick darauf warf. Mit leisem Knacken schloß sich der Sprungdeckel der Uhr wieder. Frau Varnhagen fühlte das seltsame spitze Geräusch fast körperlich schmerzhaft, wie einen plötzlichen, bohrenden Nadelstich. Wie der harte, unerbittliche Schluß- Punkt hinter einem Todesurteil war cs gewesen. In hilf loser Verstörtheit saß die Frau, mit herabhängenden Armen oa. Ihr Gesicht war ganz verfallen. „Es ist unmöglich, Georg!« stammelte sie mit glanz losen Augen. „Wenn Sie darauf bestehen, «reiben Sie uns von Hof und Haus.. 1 Ein heftig wallendes, gleichsam spülendes Angstgefühl trieb sie, Westhofs um Nachsicht zu bitten. .Aber sic brachte cs nicht fertig, sich vor dem jungen Mqnn zu demütigen. Sie wußte auch, cs würde zwecklos sein; ' „Es ist unmöglich —«, wiederholte sie mit zitternden Lippen, als spräck»« sie in einen weiten, leeren Raum hinein. „Es ist unmöglich.. I Westhofs ließ einen Blick aus halb geschlossenen Augen über sie hingleitcn. Dann beugte er sich langsam ein , wenig vor. „Wenn ich nun mal mit Ursel darüber sprechen würde — ?" Frau Varnhagen machte eine müde, verzweifelte Hand bewegung. „Was sollte es nützen! Sie kann Ihnen auch nichts anderes sagen!« Westhoff behielt seine ein wenig geduckte Haltung bei. „Vielleicht doch —!« sagte er langsam und ausdrucks voll. „Ich möchte eine Frage an sie stellen. Wenn die Antwort darauf befriedigend ausfällt, dürfte sich vielleicht ein Weg finden lassen —« Frau Varnhagen saß einen Augenblick ganz still, als lauschte sie in weite Ferne. In ihren umschatteten Augen erschien plötzlich der leise Abglanz einer neuen Hoffnung. Sie hob den Kopf. „Hie — meinen Sic das...?" Westhoff hielt ihrem forschenden Blick stand. „Es mag vielleicht eigenartig erscheinen, Frau Varn hagen, daß ich gerade in diesem Augenblick damit komme; aber ich habe ja wohl nie einen Zweifel darüber gelassen, daß ich Ursel gern habe. Wir sind als Kinder zusammen ausgewachsen, und es ist daher wohl erklärlich, daß ich meine Gefühle für sic anfangs nur als reiix freundschaft liche angesehen habe. Aber es ist ja nicht das erstemal, daß sich aus einer Jugendsreundschaft etwas Ernsthaftes entwickelt — nicht wahr? Kurz und gut: ich liebe Ursel. Es ist mir mit jedem Male, daß ich sie wicdergesehen habe, klarer geworden. Und ich habe das ungebundene und im Grunde genommen doch einsame und öde Leben satt. Wenn Ursel meine Frau würde, verzichtete ich weiß Gott auf das in Aussicht stehende Geschäft, und mit der .Hypothek lictz ich alles beim alten. Ich verdiene ja schließlich auch so genug, um uns allen dreien ein sorgloses und behagliches Leben zu schaffen. Ich weiß nun allerdings nicht, ob Ursel meine Gefühle erwidert — auf jed->n Fall ist cs mir lieb, daß ich erst mal mit Ihnen darüber reden kann. Ich hoffe, datz ich Ihnen als Schwiegersohn nicht unwillkommen sein werde...« Frau Varnhagens Gesicht hatte, sich bei seinen Worten langsam mit einer dunklen Röte überzogen. Sie erkannte sofort, daß Westhoff in der festen Absicht gekommen war, Ursel gegen die Hypothek cinzutauschen. Ein glatter Handel also! Ein schamloser, entwürdigender Handel, der sich der Not als zwingendes Druckmittel bediente! Ein brennendes Gefühl der Demütigung und des beleidigten Stolzes quoll in ihr auf. Am liebsten hätte sie dem Be sucher ihre Empörung in das lauernde Gesicht geschleudert. Aber sie bezwang sich mit aller Gewalt, um nicht alles zu verderben. Vielleicht konnte man wenigstens Zeit ge winnen, das Schlimmste vorläufig abwenden. Sie richtete sich mit einiger Anstrengung aus ihrer zusammen-, gesunkenen Haltung auk. ' (Fortsetzung folgt.) , D "lN