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rmgard stählter ganzer Kerl, und mit heißem Herzen hat er sich j Schanis entrüstetes Gesicht und daneben das rote, erstaunt« bei seiner Rückkehr nach der Heimat, der großen nationalen ! eines niederösterreichischen Gendarmen. „Saubub, dami us der unter- DMMM im LLmnkM c nicht Und wenige Stunden lies, t Fortsetzung folgt.) «räage,. „Äeideri^Zettung". Sonnabend, 12. l 0.1935. Nr. 239 wurde ich in übelriechende Bajazzokleider gesteckt, worin ich fast ertrank, mein Gesicht gepudert, die Nase rot gemalt und ich. ihn und auf- b r> st. Und h zu dir «rt über Mit Hilse und alles schüttelnd, rmgard, Nimm in acht, sagt, er rmgard e lange n Brief traßen-- nd sehr m traf, eimann hl, wie Dle Ferne, h r o n g r e, das üßchen recken, it Ge- doch r, das nach lieben Zoud. Lines uniS- Aber stand ällen- u Beine um die Weichen schlug! Aber endlich flog auch nachdem ich den listigen Rat seines Besitzers befolgte, verkehrt zu besteigen. In der Nacht Ian ich dann seltsam erregt im Bette beschloß, mich dem Zirkus, der am andern Morgen mich dort cn^s den Rücket warf und grübelte, wie es wohl in Wirklichkeit in der fernen wilden Länder« aussähe. Einige Stunder Nachsitzen, die mir meir Klassenvorstand verschaffte ließen in mir einen toller Racheplanreifen. Ich ta mich mit andern Junger zusammen, nebst mir du größten und stärksten dei Klasse, und eines Tage- packten wir das klein« ziegenbHrtige Männchen, als es Nachbrummen gab legten ihn über dsn Kathe der und versohlten ihm mü seinem oft an uns auspro- bierten Rohrstock der Reih« nach den Rücken, Er schric stark, aber die Schule war sehr groß und leer. Dann scher, gib auf die schönen Bajazzokleider acht! Ganz dreckix sind siel" schrie Herr Schani, während Ali leine Flanken peitschte. Da legte ich den Arm um des guten Löwen Hal- Abenteuerlust, die Sehnsucht nach der bunten die jeden echten deutschen Jungen erfüllt, hat Löhndorff zum Ausreißer gemacht. Der erste Ver ¬ schrie. Endlich ließ er mich liegen, eröffnete mir aber noch, daß ich bei der heutigen Abendvorstellung Hanewurstkleider bekäme, und wenn ich dazu keine saudummen Gesichter schneiden könne, so würde er mich hauen, daß ich denken solle, Weihnacht und Ostern seien gekommen. Weinend lag ich in der Ecke. Er beschäftigte sich mit der Flasche und paffte seine Virginia. „Nimm's net so Harb, Bürscherl. Al ler Anfang is schwär!" sagte die Frau einmal. Ich war noch nicht zwölf Jahre alt, als ich mit meinen Angehörigen in der Sommerfrische des kleinen Ortes Gieß hübel im südlichen Wiener Wald weilte. Es kam da einst ein Wanderzirkus von Mödling ins Dorf hinaus. Ein Ka russell, etliche Schiffsschaukeln, bunte Zigeunerwägelchen und ein arg von Wind und Wetter mitgenommenes Ma- uegezelt wurden von einem lonnengebräunten Völkchen aus der großen Wiese anfgebaut. Die Darbietungen waren die üblichem Ein Trapezkünstler, der seine rosigen Fleischmas- jen in ein Seidentrikot gepreßt hatte und hoch über den Köpfen einer ehrfurchtsvoll staunenden Dorfbevölkerung und feixender Sommerfrischler bei Windlichtschein Kunst stücke machte Dann ein armer, griesgrämig dreinblicken der Löwe nebst «einem blassen Dompteur: eine magere Schleiertänzerin und ein Neger, der brennende Petroleum ströme aus dem Munde rülpste. Dressierte Hunde und Af fen. eine gewaltige blonde Athletin, die Riesenkugeln unter scheinbarer Krastanstrengung jonglierte, und ein spitzbübisch mit den Ohren wackelnder, „nie gerittener" Esel bildeten die Sehenswürdigkeiten. Dieser Ele! ivars die ganze Darf- pigend, die ihn der Reihe nach erkletterte, in den Sand. Mich brachte er nicht herunter, als ich ihm meine langen Ernst F. vvynvorss zum Ausreißer gemacht. Der erste ner- mch, mit 12 Jahren sich einem Wanderzirkus anzuschliehen, blieb glücklicherweise in den Anfängen stecken. Aber mit 15 Jahre klappte die Sache. Sein Vater, der den Ausreißer in einem holländischen Hafen einholte, lieh den Jungen auf die Weltgeschichte los in der richtigen Erkenntnis' daß in dem kleinen Löhndorff der gesunde Kern und die männ liche Festigkeit steckten, die ihn nicht untergehen lassen würden. Der Nater behält recht, und aus dem Jungen wurde ein durch tausend Gefahren, Erlebnisse und Abenteuer ge- hcim- hatte >rm... sperrten wir ihn in seinen Utensilienschrank, und ich wars nachher schon mit sehr gemischten Gefühlen — den Schlüs sel in den Donaukanal. Das Resultat dieser Meuterei war. daß ich aus der Schule flog und in eine andere kam, wo ich freiwillig zum Staunen aller Beteiligten für ein hal bes Jahr der beste Musterknabe der Klasse wurde. Ich war jetzt 14 Jahre alt. und wenn man mich fragte, was ich werden wollte, antwortete ich stets: „Ein großer Schriftstel ler und Naturforscher!", und der jähzornige Vater, vor dem die ganze Familie eine Heidenangst besaß, brüllte: „Zu einem Schuster stecke ich dich in die Lehre, Lausejunge!" Diese angedrohte „Pech-und-Ahlen-Laufbahn" spukte mir im Kopf herum, und so lief ich schließlich das zweitemal von daheim weg, nach heimlicher Zertrümmerung des Spar schweines. in das die verstorbene Großmutter eine erkleck liche Anzahl Goldstücke getan hatte. In Hamburg angekom men, trieb mich mein Instinkt sofort nach St. Pauli und in die alten Hafengassen, wo Seelenverkäufek und Heuerbase hausten. Diese verlangten jedoch Papiere, als sie hörten, daß ich Kapitän werden wollte, und damit war's Essig. Mitleidige Matrosen erleichterten mich aber erst um mein Geld, und in der Nacht wurde ich an Bord der holländi ZA Wie keine Angst So kamen wir nach „Brunn am Gebirge", von Bauernburschen wurde das Zelt, ausgestellt zur Vorstellung fertiggemacht. Mich vor Ekel die Augen schwarz umrandet. Vor Wut weinte ich, und da die Tränen den Puder zerstörten, gab mir Herr Schani ein paar Backpfeisen, zum „Aerger abgewöhnen", wie er sagte. Dann'ging's in die. Manege, um die schon die Zuschauer- erwartungsvvli faßen. Einer der andern Zirkusleute machte den dummen August, dessen Anhängsel ich nun war. Ueber meine zu weilen Kleider Itolpernd, mimte ich die un freiwillige Rolle. Manchmal gab mir jener einen Knuff und raunte: „Schau blöd drein, du Depp!" Nachher, als Herr Schani seine Bravourstücke beendet hatte, stiftete er noch eine Dreingabe, indem er und seine Frau mich einan der gegenseitig durch die Luft zuschmissen, daß mir im Magen übel wurde. In der Pause schlüpfte ich hinaus mit der Absicht, meine Kleider zu nehmen und fortzulaufen. Aber o weh! der Wohnwagen war verschlossen. Verzweifelt drückte ich die Fäuste gegen die Augen. Da stolperte ich über Alis Käfigecke. Drin saß der große Wüstenkönig, der eben „ge arbeitet" hatte, müde in der Ecke. Ich schob mein Gesicht ganz dicht an das Gitter. Vor Löwen hatte ich keine Angst, die sah ich ost im Kaiser-Franz-Josefs-Tierpark und starrte sie so lange an, bis sie die gelben Lichter schlossen und ge langweilt gähnten. „Ali tut keiner Maus was!" hatte die dicke Frau noch am^Nachmittag gesagt. Nein, Löwen jagten mir keine Furcht ein, um so mehr entsetzte mich Herrn Schanis Stimme, die eben laut rief: „Wo ist der Saubub, der dreckichte!" Verzweifelt tastete meine Hand an der Kä figtür herum. Der Schlüssel steckte im Schloß, die Stange war noch nicht im Scharnier. — Bodenloser Leichtsinn! — Daran dachte ich aber nicht, sondern nur,' wie ich den Hän den Herrn Schanis entkommen könne. Schon war ich im Käfig, hockte mich Ali gegenüber. Der alte Löwe betrach tete mich, schüttelte den dicken Kops und begann, seine Pfo ten abzulecken, ohne mich weiter zu beachten. Ich vernahm Gerufe, dann ging die Vorstellung weiter. Eine Weile be trachtete ich den Löwen, er mich aber nicht. Nachher wurde ich sehr müde, hörte wie im Traum das Schloß und die Stange räsfeln, »nlr alles ntat witder still. , . . . . Cihe, kräftige. Stfninie' schrie mir in die Ohren! Erschreckt fuhr ich auf, sah Ali neben mir stehen und Helle Sonn» am blauen Himmel. Nun bemerkte ich auch di« Zirkusmitglieder, die grinsend den Käfig umstanden. Herrn später war ich wieder daheim, kurier von der Sehnsucht nach Arti stenleben, aber nicht von den Verlangen nach Abenteuern Irr arme Nach dem Zirkusabsnteuei begann die Schule wieder, un! ich leistete Rekorde im Schkvän zen, indem ich in den Wa!« und streckte dem Zirkusmenschen die Zunge heraus, so lanx ich nur konnte. Laut johlten die Männer, dazwischen rie! der Dompteur lockend: „Schön, braver Ali. Nichts tun, den kleinen Bub da! Ali kriegt auch ein Fleischcrle nachher. Bra ver Ali! Pferdefleischerle, gelt!" Er össnete die Tür einer Spalt, bedeutete mir, jetzt herauszuschlüpfen. „Erst wenn der Herr Schani verspricht, daß er mich nicht haut!" blökte ich. „Komm raus!" schrie der erbost« Bändiger nun, und mit den puderbeschmierten Händen in Gesicht herumwischend, triumphierte ich weinerlich. „Ick will Kunstreiter werden und kein Schlangenmensch. Hans wurst schon gar nicht! Ich will wieder zurück nach Gieß Hübel!" Bei diesen Worten horchte der Gendarm auf, fragt« Herrn Schani etwas, und dieser nickte zornig. „Waisen knabe, haha!" pruschtete der Uniformierte wieder los. „Da vongelaufen ist er, der Kerl. Ein kleiner SaUpreuß ist er! He, Bürscherl, willst nach Haus?" Ich nickte eifrig: „Ja, aber meine Kleider soll er mir wiedergeben, und in einem Fia ker will ich heimfahren. Mein Vater kann's bezahlen, unk Haue krieg' ich sowieso!" Erneutes Gelächter draußen Dumps schlug Alis Schweis gegen seine Lenden. Der arm« alte Löwe war baß erstaunt. In seinen großen gelber Augen lag ein leiser Vorwurf gegen die leine Ruhe stören den Menschen . . * Nach langen Verhandlungen, während deren mir der Gendarm heilig versprach, daß Herr Schani mich nicht an rühren dürfe, ließ ich mich bewegen, meinen königlicher Gastgeber zu verlassen, und schlüpfte aus leinem Käfig Bewegung angeschlossen, zu deren alter Garde er gehört. Für Leute dieses Schlages hatte das verblichene System keinen Sinn und keinen Platz. Löhndorfs fand damals ein Exil in der Schweiz, in dem er seine Abenteuerbücher aus fünf Erdteilen schrieb. Sein bestes und reichstes Buch aber blieb ungeschrieben: Sein Leben selbst. In der nachstehen den Artikelserie hat er dies nachgeholt. Von Abenteuer zu Abenteuer führt er den Leser über zwei Jahrzehnte eines aufregenden Daseins, das noch viel für die Zukunft erwar ten läßt. brechen sollte, anzuschließen. Gaukeltränme, wie ich ein bc- rühmter Kunstreiter oder ähnliches werden könnte, trieben mich nebst der Tatlache an, daß die Ferien arg kurz waren und der trockene Schulunterricht mit schlechten Zeugnissen, Sitzenbleiben und ewigem Einerlei gleich einer dunklen Wolke drohte In aller Herrgottsfrühe schlich ich mich in meinen älte sten Kleidern nach dem Festplatze. Mich vorsichtig im Hin tergründe haltend, bis das Lager der modernen Nomaden abgebrochen war. lies ich dann den Wagen nach, deren Röß lein einen gemütlichen Zuckeltrab in der Richtung Wien ein- lchlugen. An einem Bach machte die Gesellschaft Lager, und ich trieb mich unter den ihr Frühstück bereitenden Artisten herum, die mich erst gar nicht bemerkten, bis endlich eine dicke Frau, in deren ausgedunsener Gestalt ich enttäuscht die Kugeln jonglierende prachtvolle Dame aus der Manege erkannte mich nach meinem Begehr fragte. Kläglich er zählte ich daß ich ein armer Waisenknabe wäre, den der böse Vormund ein reicher Bauer, davongejagt habe. Nun lei ich aus dem Wege zur Tante nach Wien, möchte aber viel lieber Kunstreiter werden; ob ich nicht mit ihnen kom men könne, ich wolle auch die Pferde füttern. Unterdessen sammelten sich die Künstler um mich. „Armer Bub!" sagte die dicke Athletin mitleidig und bot mir eine große Schmalz stulle an. Der Trapezkünstler, der ihr Gatte und Besitzer der Schau war. betrachtete mich kritisch. Dann meinte er. ich könne einstweilen mitkommen, er müsse mich aber natür lich in Wien bei der Polizei melden und die Tante fragen, ob meine Erzählung auf Wahrheit beruhe, und im übrigen wolle er einen guten Artisten aus mir machen. Und zwar — wieder betrachtete er n^ine hochaufgeschossene, knochige Gestalt — einen perfekten Schlangenmenschen! Dies war zwar nicht nach meinem Geschmack, aber — wart', dachte ich, er soll nur erst sehen, wie ich den unbesiegbaren Esel reiten kann, vielleicht ändert er noch seine Meinung ... Uedrigens begann der Unterricht sofort an Ort und Stelle, und nachher während des Weiterfahrens in dem grünen Wagen, den der Besitzer allein mit seiner Frau und ihrem Säugling bewohnte, wurde er fortgesetzt. Es tat verdamnt» weh? Nur mit Unterhosen bekleidet, mußte ich, nachdem mein Herr, der auf den echt österreichischen Namen „Schani" hörte, mir die Gelenke mit Oel eingerieben hatte, alle möglichen Verrenkungen oollführen, bei denen seine harte, kraftvolle Hand nicht immer sanft nachhalf. Als ich es nach mehrmaligem schmerzhaften Fall fertigbrachte, auf einem Stuhl hockend, das eine Bein über die Schulter zu legen, muhte ich noch so lange Kniebeugen machen, bis mir der Rücken lahm ward. Ich muß wohl ein entrüstetes Ge sicht geschnitten haben — meine Laufbahn als Künstler hatte ich mir anders vorqeftellt — denn Herr Schani ver- setzte mir eine Tracht Prügel, die mich in die Ecke beför derte. Zitternd vor Furcht, sah ich dann zu, wie die ge waltigen Arme seiner Frau ihn hochlüfteten und krachend aufs Bett warfen, wozu sie „g'scherrter Hammel!" schimpfte. Er nahm einen Schluck aus der Flasche, stand beruhigt auf und ging daran, mich weiter zu dressieren. Und die ganze Zeit rollten die Räder unter uns über die weiße Land- straße dahin. Manchmal hörte ich eines der feisten Röß- lein leif« wiehern. Gegen den hin und her wackelnden Ofen gestützt; mußte ich Koofstönd« machen«dietch aber fchon tonnt«. Darauf «in« „Brücke" mit hohlem Kreciz. SchNeß- lich bljeb mir die Puffe weg, und wimmernd sank ich zu- fammen, Höhnisch betrachtete er mich: „A Kunstreida müllst wer'n, Bürscherl?" grinste er. Jetzt begann er, mich zu kne ten und zu massieren, daß lch vor Entrüstung und Schmerz schen Brigg „Konrad" geschmuggelt, die in der Elbe bei den Altonaer Landungsbrücken lag. Es waren außer Kapitän und Steuerkufen noch fünf Mann als Besatzung da. Alle sprachen holländisch und platt, und es ging mir sofort ziem lich schlecht, da ich die mir zugeschrienen Befehle nicht ver stand. Ich bekam Sehnsucht nach meiner Mutter, aber da» Schiff, das scherzeshalber von den andern der „arme Kon rad" genannt wurde, ging die Elbe hinab und in die Nord see. Meine Matrosenbeschützer hatten, als sie mein Gell» vertränke«?! mir einige Ausrüstungsstücke mitgegeben: dar unter eist Paar Seestiefel gegen Schlechtwetter, die mir gleich Ziehharmonikas aus die Hacken schlappten. .Klabau termann". wie Ich getauft wurde, bekam immer mehr Sehn sucht nach den Fleischtöpfen Aegyptens, um so mehr, al» er zusah, wie einmal der schmierige Koch au» Versehen sein Priemchen in Vie Erbensuppe spuckte. Aber schwer« Arbeit ustd die zwar tauhe, jedoch gutmütig« Mannschaft sowie da» romantische Rauschen der Wellen und all das Neue, da» sich auf einem Segelschiff einem eröffnet, ließen mich schnell! mein Dasein auf dem „grm«n Konrad" liebgewinnen.