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Verlage zur „WMeritz-Zkituny" 101. Jahrgang Nr. 236 Mittwoch, am S. Oktober 1935 Alsum besetzt Die Lage auf dem Kriegsschauplatz Nach abessinischen Meldungen stellt sich die militärische Lage auf den verschiedenen Frontabschnitten nunmehr fol gendermaßen dar: Befehlsgemäß haben sich die abessinischen Truppen so wohl auf der Rord- als auch auf der Südsront vom Feind gelöst. Im Norden schreitet die Vorwärtsbewegung italie nischer Truppen westlich des Takase-Flusses fort. In der Provinz Tigre wurde Aksum von den Italienern genom men. Die langsam auf Tekeleamimanot vorgehenden Ita liener stehen 3 Kilometer südlich von Adigrat. Im Gebiet des Mussa Ali sind keine Truppenbewegun gen festzustellen. An der Somalifronl rücken die italienischen Truppen in zwei Richtungen vor. Ausgehend von ihrer Basis in Dolo, bewegen sie sich gegen den Ganale Doria-Fluß. Die zweite Vormarschlinie geht von Gorahai Walwal in der Richtung auf Sassabaneh. In diesem Abschnitt wurde Ado von ita lienischen Streitkräften am Wontag beseht. An der Süd front herrscht hauptsächlich Fliegerlätigkeil. Meldungen von der Nordfront laufen spärlich ein, da die einzige Telephonleitung von Adua über Makale und Dessie nach Addis Abeba seit der Einnahme Aduas unter brochen ist. Hingegen ist die Telephonlinie nach Harrar und Djidjiga noch in Betrieb. Die italienischen Fliegerangriffe gelten besonders den Einrichtungen zur Nachrichtenüber mittlung. Aksum ist die heilige Stadt der Abessinier, in der-nach der Sage die Königin von Saba residiert haben soll. Die Zahl der Einwohner wird mit 5000 angegeben. Etwa 800 davon sind Priester oder Mönche. In Aksum liegen auch die Ruinen von Auxume, der einstigen Hauptstadt des Auxumitischen Reiches, das eine der bedeutendsten außer europäischen Staatengründungen gewesen ist. Deutsche Ge lehrte, die die alten Ruinen und ihre Inschriften erforscht haben, stellten fest, daß dieses Reich in 3. bis 5. Jahrhundert weit über das heutige Abessinien und die vorgelagerten Küsten hinausreichte "bis in Gebiete, die später zu Deutsch- Ostafrika gehörten, und bis nach Jemen und Saba in Ara bien. Die Hof- und Priestersprache des Landes war Griechisch. Unter dem Einfluß des Christentums entstanden die heute noch in ganz Abessinien verstreuten Felsenkirchen und Klö ster. Um 1530 erlag dies christliche Reich dem Ansturm des mohammedanischen Fürsten von Harrar. Abessinischer Gegenstoß in Eritrea Englischen Zeitungsmeldungen aus Addis Abeba zu folge hat der Führer der abessinischen Truppen an der Adua- front. Ras Seyoum, in den letzten drei Tagen westlich und östlich der italienischen Korps einen Vorstoß nach Norden unternommen. Wie aus London gemeldet wird, sollen die abessinischen Truppen auf der Linie Ugri—Addi Keie etwa 45 Kilometer tief in Eritrea eingedrungen sein und die Stadt Addi Keie erobert haben. Die Bevölkerung in dem von dem abessinischen Gegenstoß betroffenen Gebiet soll mit den Abessiniern sympathisieren. Eine weitere abessinische Trup penabteiluna soll wider den Willen des Regus den Versuch gemacht haben, die Italiener bei Adigrat zu umgehen, um die rückwärtigen Verbindungen der italienischen Korps zu bedrohen. Anderen Darstellungen zufolge handelt es sich bei den abessinischen Truppenbewegungen auf der Linie Ugri—Addi Keie um Kampfhandlungen in einem Kleinkrieg, die den Italienern ernstlich kaum gefährlich werden, immerhin aber die Konsolidierung in dem bisher besetzten Gebiet außer ordentlich erschweren müssen. Hinzu kommt, daß das Ge lände um Adua die abessinische Kampftaktik bereits überaus beaünstiat. In diesem Gebiet, das durch hohe Berge und wilde Schluchten gekennzeichnet ist, erwarten die abessinischen Schützen in ihren Verstecken im Gebirge die italienischen Truppen, um sie durch kleinere Ueberfälle zu schädigen. So meldet der Sonderberichterstatter des Londoner „Daily Tele graph", die Abessinier hätten große Uebung darin, nach kur zem Kampf im Gelände zu verschwinden, um plötzlich an ganz anderer Stelle mit gleicher Kampflust wieder aufzu tauchen. Die italienischen Bombenflugzeuge seien bei den Operationen dadurch behindert, daß die abessinischen Trup pen meistens im gebirgigen Gelände gar nicht zu erkennen seien. Was die Tanks betreffe, so schreibt der „Daily Ex preß", hätten die Abessinier bereits mehrfach die italienischen Kampfwagen in tiefe Fallen gelockt, in denen sie dann zer schmettert liegengeblieben seien. Bei dem Vorstoß in Eritrea sollen die abessinischen Truppen nirgends auf Widerstand gestoßen sein. In Addis Abeba besteht daher die Befürchtung, daß die Italiener die Truppen des Ras Seyoum absichtlich in die italienische Ko lonie gelassen haben, um ihnen den Rückzug abzuschneiden, und sie so in der Gesamtheit zu vernichten. Weitere auslän dische Meldungen sprechen davon, daß Ras Seyoum auf seinem Vorstoß 30 italienische Offiziere gesangengenommcn habe. Angevorenenlruppen lausen übel Bon amtlicher abessinischer Seite wird mitgeteilt: Weldungen von der Rordfront besagen, daß Wassen- « Überläufe eingeborener Eritrea Truppen nach Abessinien be gonnen haben. 3m Gebiet von Wakale gingen 50 Eritrea- Askaris unter Führung ihres Vorgesetzten zu den Abessi niern über und brachten Kanonen und Maschinengewehre mit. Lin ähnlicher Uebertritt erfolgte bei Agame. wo 2üü eingeborene italienische Soldaten mit Maschinengewehren 'berlralen Der italienische Heeresbericht Ueber den Fortgang der italienischen Operationen in Abessinien besagt der am Dienstag um 13.30 Uhr ausgege- bcne amtliche Heeresbericht u. a. folgendes: „Im Verlaufe des 7. Oktober haben die Truppen die jenseits von Adua besetzten Stellungen ausgebaut und die Verbindungslinien und den Zubringerdienst organisiert. Zahlreiche Pionier abteilungen und eine große Anzahl Arbeiter haben die rück wärtigen Verbindungen derart instandgesetzt, daß die Kraft wagenkolonnen bereits regelmäßig bis an die Front heran- kommen können. Ein Gegenangriff auf Om-Ager wurde von den aus dem Grenzgebiet von Tessenei stammenden Askaris zurückgeschlagen." Schwierige Wasserversorgung Las weitere Vordringen der Italiener über Adua hin aus geht nach allen Meldungen nur langsam vonstatten. Neben der Sicherung der Etappe bildet vor allem die Wasser zufuhr grüßte Schwierigkeiten. Das Wasser wird größten teils aus Brunnen und Staubecken herangeschasft, die in den letzten Monaten in Eritrea angelegt worden sind. Täg lich müssen für jeden Soldaten 10 Liter Wasser und für jedes Maultier 20 Liter herangeschafft werden. Der Trans port erfolgt durch Wassertankwagen, von denen 200 mit einem Fassungsvermögen von rund 2000 Liter aus Italien herangeschafft worden sind. Vorerst muß mit dem Wasser streng hausgehalten werden, da die Gesamtmenge, die an die Truppe herangebracht werden muß, angesichts der vielen Maultiere, ohne die der europäische Soldat im abbcssi- nischen Kampfgelände nicht bewegungssähig ist, außerordent lich groß ist. Der Vormarsch der Italiener bleibt denn auch hinsichtlich der Marschgeschwindigkeit weit hinter der in den europäischen Kriegen üblichen zurück. Bisher sind die Ita liener etwa 50 Kilometer in Abessinien vorgedrungen, was eine tägliche Marschleistung von etwas über 8 Km. ent spricht. Ihre Erklärung findet diese geringe Marschleistung darin, daß die Maultiere nur langsam ihren Weg über das Steingeröll hinweg entlang trotten. AegWtWe EelWenden mr MeMen , Einer Meldung aus Alexandrien zufolge hat der ge meinsame mohammedanische und christliche Ausschuß unter dem Fürsten Omar Tussun und dem koptischen Patriarchen einen Aufruf an das ägyptische Volk zu Geldspenden für Abessinien erlassen. Der Aufruf wird damit begründet, daß Aegypten durch das materielle Band des Blauen Nils und durch ein religiöses Band mit Abessinien verknüpft sei. Wie verlautet, soll eine Sanitätsabteilung mit ägyptischen Aerz- ten und Pflegepersonal abgesandt werden. Der Fürst hat 500 und der Patriarch 400 ägyptische Pfund gespendet. New Wrk Md dre AnsUMMre Roosevelts Der Zweckverband zur Entwicklung des Hafens von New Tork hat an Präsident Roosevelt ein Telegramm ge richtet, in dem gegen die kürzlich erlassene Ausfuhrsperre gegen Italien und Abessinien mit dem Bemerken, daß dieses Embargo verfrüht sei und einen unbesonnenen, schweren Schlag für den Handel New Ports bedeute, scharf protestiert wird. Dieser Protest wurde von mehreren führenden Sena toren mit einem uneingeschränkten Lob der Neutralitäts politik Roosevelts beantwortet. Mit dem Hinweis, daß der Frieden billig erkauft sei, selbst wenn ein Verlust von 50 Millionen Dollar im Exporthandel mit Italien eintreten sollte, wird in diesen Kreisen gefordert, daß die neuen Ge setze strengstens durchgeführt werden müßten. Weltvlio lM). Aus Abessinien. Abessinische Soldaten tragen Lasten durch einen Sturzback bei Djigdjiga, nachdem ihre Lastwagen im Schlamm stecken« geblieben ist. Kurze Notizei» Reichsinnenminister Dr. Frick besucht, wie das Ndz^ meldet, zum Wochenende das Saargebiet und den Grenzgair Koblenz-Trier. Der Minister wird am Sonnabend, dem 12^ Oktober, in Saarbrücken sprechen. Daran wird sich eine Besichtigungsfahrt durch das Grenzgebiet nach Trier an- schließen. Am Sonntagnachmittag wird der Minister ini Trier das Wort nebmen. Die chinesische Regierung hat dem Vizepräsidenten des Verbandes für den Fernen Osten, Dr. Linde, in Anerken nung seiner Verdienste um die Belebung der chinesrsch-deut- schen freundschaftlichen Beziehungen die weiß-rot-blaue Ehrenmedaille verliehen. In Brunoy kam es nach einer Versammlung der Feuerkreuz, ler zu heftigen Zusammenstößen mit Kommunisten, die die Stra ßenzüge in der Umgebung des Versammlungsraumes besetzt hat ten. Ein Autobus, der Feuerkreuzler in ihren benachbarten Wohn ort zurückbrachte, wurde von den Kommunisten beschossen. Eiw Stadtrat mußte mit einer schweren Kopfverletzung ins Kranken», Haus geschafft werden. Der politische Mitarbeiter der „Daily Mail" schreibt, in ge wöhnlich gutunterrichteten Kreisen werde es als möglich bezeichnet, daß der Führer der Liberqlen Partei im Unterhaus, Sir Her bert Samuel, eingeladen wird, wieder in die englische Regierung einzutreten. Der spanische Innenminister gab bekannt, daß dank der um fangreichen Maßnahmen der Regierung der Jahrestag der Oktober revolution im ganzen Lande ohne ,ede Störungsoersuche odev Strecks verlaufen se> Frankreichs Antwort an England Veröffentlichung der französischen Rote. Die französische Antwort vom 5. Oktober aus die eng» lische Anfrage an den französischen Botschafter vom 24. Sep» tember ist nunmehr veröffentlicht worden. In der Not« heißt es u. a.: Herr Staatssekretär! Im Verlaufe unserer Besprechungen vom 24 September haben Euer Exzellenz die Güte gehabt, eine Anfrage zu stellen, die sich auf di« Haltung meiner Regierung bezog, wenn ein Mitglied der Völkerbundes, das sich bereit erklärt, die Verpflichtungen; die sich aus dem Artikel 16 der Völkerbundssatzung erge» ben, zu erfüllen, und das hierbei die notwendigen Vorbei reitungen trifft, angegriffen werden sollte, bevor der iv Frage gestellte Artikel anwendbar wird, das heißt, bevor die anderen Mitglieder des Völkerbundes ausdrücklich ver pflichtet worden sind, diesem Mitglied die gegenseitige Un> terstützung zu gewähren, die gegen einen vertragsbrechen- den Staat vorgesehen ist. Die britische Regierung, so führ ten Sie aus, würde dankbar sein, zu wissen, ob in einem solchen Fall sie auf die gleiche Unterstützung durch die fraw zösische Regierung rechnen könne, die sie gemäß Absatz I des Artikel 16 berechtigt wäre zu erhalten, wenn Maßnah men gemäß diesem Artikel angewandt werden." In der französischen Antwort wird dann weiter aus geführt, die Verpflichtung des Beistandes, die beide Regie- rungen binde, müsse gegenseitig sein, und wirksam werden; gleichgültig ob ein Staat angegriffen werde zu Wasser, aus dem Lande oder in der Luft, und gleichgültig auch, ob der angreifende Staat dem Völkerbund angehöre oder nicht Endlich müsse der gegenseitige Beistand, der in dem dritten Absatz des Artikels 16 vorgesehen ist. angewandt werden, wenn gemäß Artikel 17 Artikel 16 angewandt wird. Erfor derlich sei eine gemeinsame Untersuchung, die sobald al« möglich erfolgen sollte, und zwar sobald ein Zustand po- litischer Spannung entsteht, die ausreichend stark genug ift um Gründe für die Befürchtung zu geben, daß früher ode» später die Artikel 16 und 17 angewandt werden müssen. Un ter Vorbehalt dieser Bemerkung und unter den Bedingun gen der Gegenseitigkeit ist die französische Regierung bereit; gegenüber der britischen Regierung folgende Verpflichtun gen zu übernehmen: a) falls eine der beiden Mächte es für notwendig hält; zu Lande, zur See oder in der Luft Maßnahmen zu ergrei fen, die sie in die Lage versetzen soll, notwendigenfalls di« Beistandsverpflichtungen durchzuführen, die sich aus der Völkerbundssatzung oder aus dem Locarnovertrag ergeben, so wird sie über diese Frage mit der anderen in Beratung treten. Die gleichen Maßnahmen sollen ergriffen werden, wenn eine der beiden Mächte es für notwendig hält, zu Lande, zur See oder in der Luft Maßnahmen zu ergreifen, um sich selbst m die Lage zu versetzen, erforderlichenfalls einer Lage zu begegnen, in der sie gemäß der Völkerbunds satzung oder des Locarnovertrages berechtigt sein würde, den Beistand der anderen Macht zu erhalten. b) Vie Tatsache, daß die eine oder die andere der beiden Wachte nach dieser Beratung und dem sich hieraus ergeben den Uebereinkommen die oben erwähnten Maßnahmen er- greift, soll in keinem Fall als eine Provokation angesehen werden, die irgend einen dritten Staat berechtigen würde, seine internationalen Verpflichtungen nicht zu erfüllen. cs Falls eine der beiden Mächte angegriffen wird we^ gen der Maßnahmen, die sie nach Konsultation und Ueber-- elnkommen ergriffen hat, wird der andere Staat ihm Bei^ stand leisten. . Mlirlir EssMdter WMWiese« , Genf, 9. Oktober. Der abessinische Vertreter hat dem Generalsekretär des Völkerbundes in einer Rote mitgeteilt, daß die abessinische Regierung sich veranlaßt sehe, den italienischen Gesandten in Addis Abeba und das gesamte Personal der Gesandischast zum Verlassen des abessinischen Gebietes auszusordern. Abessinien habe trotz des Ausbruches der Feindselig keiten zunächst dem italienischen Gesandten ein weiteres Ver--