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er schon im Sanatorium Doktor Langgissers in Locarno. Nun der Tunnel von Airolo. Und jetzt war Wärme Nachminagssoune, stand Dielt und trug noch die Svuren d« - 150 — denn das hatte auf ihn den größten Ein druck gemacht. Er bestieg ein Tier nach dem andern und bedachte, auf welchem es sich wohl am besten sitze, und dann entschied er sich für den Tiger, da dieser von allen Tieren am grimmigsten aussah. Ein Bursche kam, nahm die Münze in Empfang, und bald darauf setzte sich das Karussell in Bewegung. Erst lang sam, dann immer schneller, und Otto mußte sich an dem Eisenbügel fest an halten, um nicht herunterzufallen. Um ihn her jauchzte es vor Glück. Nun müßte man glauben, daß auch Otto Grund gehabt hätte, zu jauchzen, war doch endlich sein Wunsch erfüllt. Aber Otto jauchzte nicht. Sein Wunsch hatte sich erfüllt, doch die Erfüllung machte ihn nicht glücklich. Auf einmal siel ihm seine Mutter ein, die Mutter mit ihren abgearbeiteten Händen, ihren versorgten Gesichtszügen. Und er hörte deutlich die Worte, die sie so oft zu ihm gesprochen hatte: „Wir sind arm, aber einer Armut braucht man sich nicht zu chämen. Schämen muß man sich nur, wenn man etwas Schlechtes getan hat." Warum mußte Otto gerade jetzt an die Wort« det' Mutter denken, gerade jetzt, wo es schon zu spät war, sein Unrecht wieder gulzumachcn? Denn der Bursche mit dem roten Halstuch gab ihm be stimmt das Geld nicht zurück. Und plötz lich erfaßte Otto eine heillose Angst. Wenn ihn jemand beobachtet hatte, wie er das Geld aufgehoben, vielleicht der Verlierer selbst; wenn er ihm nachgegan gen war, um ihn nachher zu packen, auf die Polizei zu bringen. Ach, wie sehnte sich Otto, zu Hause zu sein, in Mutters sicherer Stube. Und auf einmal sah er den Mann, dem das Geldstück herunter- gefallcn war, sah ihn beim Karussell flehen. „Er wartet schon auf mich," dachte Otto, und seine Angst wurde immer größer. Schwarz wurde cs vor seinen Äugen, die krampfhaft sich halten den Hände lösten sich, der Körper schwankte, fiel dann nieder. Ein Schrei erfüllte die Luft. Das Karussell machte einen gewaltsamen Ruck. Mühsam befreite man den Jungen, dessen rechtes Bein eingequetscht war. Viele Wochen lag Otto krank, betreut von liebenden Mutterhänden. Aber eines Tages war er doch wieder gesund, konnte wieder gehen, Wie die andern Kinder. Nur eine Narbe war ihm ge blieben, und sie blieb ihm sein ganzes Leben. Aber auch ohne Narbe hätte er den Vorfall nicht vergessen: Er ist nie mehr unehrlich aeweien