Volltext Seite (XML)
(Schlich.) Ein beinah entschuldigendes Lächeln ging über Georgs verträumtes Gesicht. „Ich bin ja plötzlich so eine Art Wundertier geworden. Tausend Leute wollen mich nun sprechen. Immerfort muß ich antworten. Jetzt bin ich ins Ministerium bestellt, wo man über die praktische Anwen dung meiner Erfindung verhandeln will. Ich weiß schon nicht, wo mir der Kopf steht. Aber schön ist es", schloß er Mcklich, „nun weiß man doch wieder, wozu man lebt." Ann weiß man doch wieder, wozu man lebt! Diese Worte klangen in Marlens Herzen nach, als sie nun an Karlas Seite Locarno cntgegenfuhr. Es war derselbe Weg, den sie schon einmal gemach, hatte, damals, als sie zu ihrer Trauung mit Dietrich reiste. Aber wie schwer und traurig war ihr Herz damals gewesen; Und heute? Fast glaubte sie die Fülle der Seligkeit nicht fassen zu können. Die Zeit verging ihr viel zu langsam. Ihr Herz fieberte und jubelte Dietrich entgegen. Keine Spur von Bitterkeit war mehr in ihr. Sic wußte nur, alle Mißver ständnisse waren geklärt. Er liebte sie, wie sic ihn liebte. -Sie hatte die Umwelt ganz vergessen. Sic sah nichts von den Mitreisenden, nichts von der Landschaft, die da draußen an ihr vorbeiflog. Sie war mit ihren Gedanken schon ganz bei Dietrich. Aber da war Karla, die sic ener- zisch an die Wirklichkeit mahnte. Sonst hätte Mallen wohl das Essen und Trinken vergessen. Aber Karla war ganz eneraiick. „Das gibt es ja nun nicht", erklärte sie. „Willst du etwa blaß und elend bei Dietrich ankommen? Es wird gegessen und getrunken. Es wird gut geschlafen. Ich will dich so abliefern, daß ich Ehre mit dir einlegen kann." Da fügte sich Marlen lächelnd. Sie wußte ja, Karla wollte nur ihr Bestes. Der Zug sauste weiter und weiter. Die deutsche Grenze war überschritten. Die Bcrgwunder der Schweiz öffneten sich. Wieder ging es durch Tunnels an schroffen Fclien- wänden vorbei, über schäumende Bergflüsse. Das Wetter war hier in der Schweiz schon winterlich Schnee stiebte vom grauen Himmel. Die weilen Borberg, lagen bereits im dichten weißen Kleid. Die Bergriescn glitzerten in Eis und Kälte. „Goldau!" rief der Schweizer Schaffner. Marlen schaute hinaus. Dort auf einem kleinen Hügel lag das Krankenhaus, in dem Dietrich gewesen. Nun war er schon im Sanatorium Doktor Langgisscrs in Locarno. Nun der Tunnel von Airolo. Und jetzt war Wärme und goldener Spätsommer. Die Trauben in den Lauben gängen leuchteten reis und blau. Seen blauten auf. Die ganze Landschaft war heiter, sorglos, ganz dazu Mgetan, glückliche Menschen noch glücklicher zu machen. Mit strah- ! lenden Augen saß Marlen am geöffneten Fenster und I schaute in die schöne Welt binaus. Bald würde sie bei ! Dietrich sein. Locarno! Ein Gewimmel von Menschen. Ein Durcheinander > verschiedener Sprachen. Und dort durch die offene Bahn- ! Hofshalle sah man den See, umkränzt von den hohen ! Bergen. Doktor Langgisscr stand auf dem Bahnsteig. Innig be- grüßte er Karla und dann Marlen. „Wie geht es Dietrich?" fragte Marlen als erstes. „Danke, viel besser! Ich glaube", ein lächelnder Blick streifte Marlens schönes, erwartungsfrohes Gesicht, „nun i wird cr schnell gesunden.« Sie gingen dem Ausgang zu. Doktor Langgisscr half ! Marlen in seinen Wagen und stieg dann mit Karla ein. ! Die beiden hatten sich durch einen raschen Blick heimlich ! verständigt. j In schneller Fahrt ging es über den Bahnhofsplatz. ! Dann bog Doktor Langgisscr in die winklige Stadl ein. ; Mit ihren bunten Gassen und vorgebauten Häusern, mit i ihrem fröhlichen Gewimmel sorgloser Menschen. Marlens i Augen wurden größer und immer größer. War oas der ! Weg zu dem Sanatorium? Aber das war ja das Hotel, f in dem sic damals nach ihrem Hochzeitsmahl mit Dietrich gewohnt hatte. Ehe sie zu fragen vermochte, hielt Langgisscr schon, j sprang heraus, öffnete den Schlag des Autos: j So, Frau Marlen, angelangt!" , Ganz verwirrt fragte Marlen: „Aber ich denke, Dietrich ist in Ihrem Sanatorium?" ; Da lachte Doktor Langgisscr. „Glauben Tie wirklich, daß Dietrich jetzt Wert aus f onsere Gesellschaft legt?" ! Er winkle dem Boy, der herankam. „Das Gepäck der Frau Gräfin bitte heraus! Herr Gras ! Beltheim erwartet die Frau Gräfin." Wie im Traum ging Marlen neben dem Boy die > Stufen hinauf. Nun war sie im Vestibül. Fuhr im Fahrstuhl empor. ! Nun ging sie den Korridor entlang, den sie schon einmal gegangen war. ! „Hier, bitte!" Der Boy öffnete eine Zimmertür. Sie trug dieselbe s Nummer. Es war dasselbe Zimmer wie damals. Wie iu ! einem süßen Traum befangen, schritt Marlen über die - Schwelle. In der Mitte des großen Hotelzimmers, das ' mil Blumen angefüllt und erleuchtet war von der letzten ! Nachminagsjoune, stand Dietrich. Sein Gesicht war blaß I und trug noch die Spuren der überstandenen Krankheit. In seinen Augen leuchteten unendliche Liebe und ki«, scheues Bangen! . Er machte einen Schritt aus Marlen zu. Dann hich inne. „Marlen", sagte er leise und bittend, „Marlen, kann) du mir verzeihen? Ist deine Liebe groß genug, Marlen?- Er taumelte. Sein Gesicht wurde noch blasser. Ei» Schwächeansall überkam ihn. Da lief Marlen auf ihn z». Ganz fest hielt sie ihn mit ihren Armen. Wollte sic ihn stützen? Oder barg sie sich bei ihm? Keiner von ihnciy wußte es. Leise sagte sie: „Sprich nicht von Verzeihen! Alles ist vorbei; allez, ist gut, wenn ich nur bei dir sein darf!" * * ! * Der Abend war gekommen. Wieder lag ein zauber haft silberner Mondschimmer über dem Lande und dem dunkelnden See. Aus dem großen Balkon vor dem Hotel zimmern sitzen zwei Menschen eng umschlungen. Sie wissen nicht Zeit noch Naum. Sie hören nicht die Glocken von den Türmen der bunten Stadt, die Stunde um Stunde schlagen. Sie wissen nichts, als daß sie beieinander sind. s Tic sprechen nicht. Sie werden ja noch viel, unendlich viel Zeit haben, alles zu klären, was sich zwischen ihnen aus- zctärmt an Bitterkeit, Schmerz und Mißverstehen. Dich erste heilige Stunde des Sichsiudens wollen sic nicht mit Sprechen und Erklären entweihen. Ihr selig klopfendes Herz, das glückselige Leuchten in ihren Augen, ihr Hände druck sagt ihnen ja: Alles ist gut — und niemals kann c» wieder schlimm werden. Die härteste Prüfung,-die Mcn- schenherzen erdulden konnten, das Mißtrauen des Liebcu- , den gegen den Geliebten — sie hatten es durchgekämpß. ! Was das Schicksal ihnen nun auch noch bringen mochte an i Schwerem: wenn sie es nur gemeinsam trugen, war cs zu meistern. Das war der Glaube, den sie gewonnen, und , den nichts ihnen nehmen konnte! Der Mond zog seine silberne Spur in dem weiten See. Die Lichter erglänzten an den Ufern — wlc ein Märchen war die Nacht des Südens, schön und unwirklich. Aber märchenhafter als alles und doch wirklich war den beiden Menschen diese schweigende Stunde, da nur ihre Herzen sprachen. Plötzlich rieselte cs golden vom Himmel. Eine Stern schnuppe und noch eine zog wie ein Goldband, von gött- sjcher Hand geschlungen, über den Himmel. , „Sichst du, Marlen? Hast du dir auch etwas ge- ; wünscht?" brach Dietrich leise das Schweigen. Marlen sah den geliebten Mann innig an. „Wünschen? Was bleibt noch zu wünschen, Dietrich, s nun wir uns gefunden haben? Höchstens das eine, daß ! wir nie, nie mehr uns verlieren mögen!" ! „Goli gebe es!" sagte Dietrick Bellheim ernst und ! küßte die Hand seine* ^rrau — Ende —