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IU. Fortsetzung. ! So sch'osscu sich die beiden Mädchen immer enger an- ! cmandcr an. In ihren Briefen an den Vaier schrieb , Äarla innner wieder von ihrer Freundin Marlen. Eines f Tages erschien Hauptmann Weckcnroth im Sanatorium, ! um Karla zu besuchen. Etwas ängstlich war Marlen ihm . entgcgengctrctcn. Wie würde sie vor den Augen von Karlas Vater bestehen? Hauptmann Weckcnroth sah : Marlen scharf an. Dann streckte er ihr die Hände entgegen: s „Freu' mich, Sie kcuncnzulerncn, Fräulein Korda! Die Karla hat mir schon mächtig von Ihnen vor- geschwärml. Da wollt' ich doch selbst einmal sehen, wie das Menschenkind beschaffen ist, dem mein Mädel mit § seinem scheuen Herzen sich so eng angcschlossen Hit. Ich glaube, sie Hal recht getan. Besuchen Sic uns recht bald, Fräulein Korda!" Da hatte Karla ganz glücklich ausgeschcn, und auch Marlen siel ein Stein vom Herzen. Sie hätte ja zu gern einmal Karlas Heimat gesehen. Aber cs war ja ganz unmöglich, der Einladung zu folgen. Sie hatte ja' nur drei Tage Urlaub, sie hätten kaum zur Hin- und Herreise gereich,. So trennte-sie sich wehen Herzens von Karla, die mit ihrem Vater in die Heimat zurückkchrtc. Auch Karla schien der Abschied von dem schönen Sana torium und Marlen sehr schwer zu werden: „Schreibe mir nur immer, Marlen!" sagte sie am letzten Abend mit träncncrsticktcr Stimme. „Schreibe mir, wie es dir gehl und was ihr alle hier macht, ihr und — Doktor Langgisser", halte sic leise hinzugesügt. Und dann hatte sic das Gesicht in die Hände gelegt und nichts mehr gesagt. Da wußte Marlen genug. Aber zartfühlend, wie sic war, wagte sie nicht, au Karlas Geheimnis zu rühren. Karla schätzte Doktor Langgisser offenbar nicht nur als Arzt. Aber Marlen wußte, daß Karla niemals solchen Gefühlen in sich Naum geben würde. Sie hatten einmal über Ehe und Liebe gesprochen. Marlen war ganz entsetzt gewesen, wie hart Karla jede Möglichkeit einer Ehe für sich selbst abgelehnt hatte. „Ein Mädchen wie ich, das keine gesunden Glieder mehr hat, darf keinen Mann an sich binden", hatte sie er klärt. Vergebens hatte Marlen versucht, ihr klarzumachen, daß die seelischen Werle eines Menschen mehr be deuten konnten als eine vollkommene, äußere Schönheit. Aber Karla halte nur den Kopf geschüttelt: „reas rann lemand sagen, der gesund ist an Leib und Seele wie du, Marlen! Aber glaube mir, ein Mann wird über einen -körperlichen Mangel bei einer Frau niemals himvegsehen können. Jedenfalls würde ich immer das Gefühl haben, einem Manne nur Hemmschuh zu sein. Ich m u ß mich abfindcn, und ich habe mich abgefunden. Ich habe ja den Vater. Ich habe meine Bücher. Und ich habe dich, Marlen! Ich wollte nur, ich könnte dich immer bei mir haben. Warum willst du denn nicht für immer zu mir kommen?" Aber Marlen hatte abgelehnt. Sie wüsste, wie gut Karla es meinte. Aber dennoch war cs unmöglich, von der Freundin alles zu empfangen. Ein Mensch, der arbeiten konnte, mußte arbeiten und durfte sich nicht aus die Güte anderer verlassen. So war sic traurig zurückgeblieben. Karla fehlte ihr an allen Ecken und Enden. War die Arbeitszeit vorbei, saß sic in ihrem kleinen Stübchen oder aus einer Bank hinten bei den Gewächshäusern, dann fühlte sic ganz, was ihr die Gemeinschaft mit Karla gegeben. Ihr einziger Trost war cs, daß Doktor Langgisser ost nach Arbeits schluß einen Spaziergang durch den Part machte und für ein Vicrtelstüiidchcn mit ihr plauderte. Der Mittelpunkt ihrer Gespräche war immer Karla. Marlen fühlte: auch Doktor Langgisser konnte Karla Weckcnroth nicht vergessen. Und eine Ahnung kam ihr, als ob er der Mann sein könnte, der Karla von ihrem Unglauben an wirkliche Liebe heilen könnte. Von ihrem Unglauben an Liebe, die über Aeußcrlichcs hinwegsah. Hätte sie nur Karla sprechen können und ihr von Doktor Langgissers scheuen Fragen nach ihr erzählen. Aber brieflich ließ sich so etwas schwer . machen. Jedes Wort klang plump und ungeschickt. So mußte sic warten, bis sie Karla einmal wicdcrsah. Aber wann würde das sein? 1 Sechstes Kapitel. Doch dieser Zeitpunkt kam eher, als Marlen und Karla ! gedacht. Er kam aus einem sehr traurigen Anlaß. Das » Sanatorium Doktor Langgissers geriet in wirtschaftliche ! Schwierigkeiten. Ter kaufmännische Leiter des Unter nehmens hatte ohne Wissen Langgissers leichtsinnige ! Spekulationen unternommen und das ganze Kapital des ! Sanatoriums verloren. Er schoß sich eine Kugel durch den ' Kopf. Doktor Langgisser stand plötzlich da und mutzte zu- - sehen, wie die Stätte seiner Arbeit zusammcnbrach. Vcr- ! suche, mit den Gläubigern zu einer Verständigung zu f kommen, mißlangen. Das Sanatorium sollte versteigert werden. Alle Angestellten verloren ihren Arbeitsplatz. Die letzten Gäste verließen vorzeitig das Sanatorium, ! denn der allgemeine Druck, der auf Doktor Langgisser und i den Angestellten lag, teilte sich auch ihnen nüt. Voll kommen verzweifelt war Doktor Langgisser. Alles, was er in Mühe und Arbeit geschaffen, war durch den ver brecherischen Leichtsinn seines verstorbenen Teilhabers vernichtet. Und auch Marlen wußte nicht wohin. überlegte gerade, ob sie Karla bitten sollte, sie für eine Zeit aufzunchmen, bis sie eine neue Stelle gefunden Hane Da kam ein Eilbrief von Karla. Karla hatte von dein Zusammenbruch des Sanatoriums gelesen. In höchster i Eile schrieb sie an Marlen: «Liebe Marlen! Heute beim Frühstück lasen wir die Hiobspost über das Sanatorium Doktor Laüggissers. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie traurig ich bin. Der schöne Besitz unter dem Hammer? Es will mir gar nicht in den Kopf. Und der arme Langgisser! Gr war so stolz auf das, was er geschaffen hatte. Seine Patienten hingen so an ihm. Er war der beste Arzt, den man sich denken kann. Da« er nun solche Sorgen hat, drückt auch mich schwer. Und Du, mein Liebes, was wird aus Dir? Du weißt, daß Du uns immer von Herzen willkommen bist. Wir er warten Dich sobald als möglich — und solange wie möglich. Vater läßt Dich grüßen und freut sich mit mir auf Dich. Könntest Du nicht Doktor Langgisser be stimmen, ein Weilchen mitzukommcn? Vielleicht würdcn ihm ein paar Tage der Ruhe gut tun. Er brauchte sich um nichts zu kümmern ^ind könnte ganz leben, wie cs ihm gefällt. Frag' ihn doch einmal, liebe Marlen! Ab» bitte recht zart! Ich weiß schon, Du mit Deinem Takt gefühl wirst cs recht machen." Marlen war sofort entschlossen, Karlas Einladung zu folgen Sie Hütte ja auch nicht gewußt, wohin sic sollte. Der Bruder saß immer noch arbeitslos in Dresden. Wahrscheinlich hungerte er auch. Daß sie ihm nun «ich: § mehr helfen konnte, war wohl das Bitterste an dem ganzen § Zusammenbruch jetzt. Und Doktor Langgisser? Was würde aus ihm werden? Sie wollte ihm jedenfalls so schnell wie möglich von Karlas Brief Mittcilung^machcn. Aber erst am Abend konnte sie Doktor Langgisser zprechen. Er satz den ganzen Tag in Konferenzen mit den f Gläubigern. Atte diese Besprechungen hatten nur immer i das eine Resultat: Alles war verloren! „Nichts mehr zu mache», Fräulein Korda!" sagte eil j als er sie auf cincm einsamen Spaziergänge des Ilbends ! im Park traf. Er sah so gramvoll und elend aus, daß cs i Marlen ins Herz schnitt. > «Fortsetzung soht.)