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Ornoberrocktscnutr: küok Dürme-Verlag, llsllo (8aals). M Nachdruck verboten. äin Kopf tauchte auf — Stimmen wurden hörbar. Eine zweite Gestalt folgte. Es war die des jungen Mannes, den Mac Lean verfolgt hatte. Eine Blendlaterne blitzte auf. Ihr Schein geisterte an den Wänden entlang. Die beiden Verbrecher fuhren zurück: „Was ist denn das?" sagte der dunkle junge Mann heiser. „Was ist denn hier geschehen? — Leuchte mal, Georges!" Die beiden Männer kamen näher. Der Strahl der Blendlaterne siel nun voll auf die Seite der Wand, wo oie unheimliche Apparatur eingebaut war. Der Pendel hing leer herunter. Das Beil war nicht zu sehen. Dagegen klaffte an der Decke oberhalb des Pendels ein Loch, groß genug, um einen geschickten, schlanken Menschen hindurch- jvlassen. „Sehen Sie, Meister!" sagte der mit Georges An- gereds« heiser. „Hier die zerschnittenen Stricke! Hier der Pendel olme das Beil — dorr das Loch. Kein Zweifel — der Spürhund ist entkommen." „Aber wie konnte er hinaus?" fragte der dunkle junge Mann. „So!" sagte Georges und leuchtete hinauf. Die Laterne blitzte auf dem scharfen Beil, das oben auf dem Mauer vorsprung liegengeblieben war. „Verfluchte Geschichte!" sagte der junge Dunkle zwischen zusammengebissencn Zähnen. „Sofort los, Georges, und warnen!" Aufgeregt sprechend verliehen die beiden sehr schnell wieder den Raum durch die Falltür. In dem oberen Stockwerk des Borglohschen Hauses saß n, einem elegant eingerichteten Naum Mister Parkins t» einem lebhaften Gespräch mit Mistreß Parkins. Das Zimmertelephon läutete. „Wer ist da?" fragte Parkins, den Hörer abnehmend. Die Stimme des Dieners meldete sich. „Unten ist ein Bote von der Kunsthandlung Frommers, Mister Parkins. Er bringt ein Paket, das er Mister Par kins selbst abgeben möchte." „Einen Augenblick!" antwortete Parkins. „Lassen Sie ihn unten in der Halle warten. Ich komme selbst her unter." Parkins stand auf. „Was kann das sein?" sagte er zu Frau Parkins, die ein besorgtes Gesicht machte. Dann ging er eilig hinunter. In der Halle, die mit Waffen und alten Bildern geschmückt war, stand ein Mann in der Botenunisorm der Kunst handlung Frommers. Er hielt respektvoll die Mütze in der Hand. „Von Kunsthandlung Frommers?" fragte Parkins nun laut. Der Bote nickte. „Ja, Sir! Ich bringe die Elfenbeinminiatur, die Mistreß Borgloh gekauft hat. Der Chef hat mir gesagt, ich sollte sie nur Mistreß Borgloh oder Ihnen abliefern." „Es ist gut", sagte Parkins nachlässig, langte in die Tasche und gab dem Boten eine Geldmünze. „Aber warten Sie einen Augenblick. Vielleicht habe ich noch eine Bestellung sür Mister Frommers." Dann nahm er das Paket und ging die Treppe wieder hinauf, seinen Zimmern zu, während der Bote wartete. Mistreß Parkins, eine magere Frau mit einem schmalen, zusammengeschlossenen Munde, sah ihrem Gatten unruhig entgegen. „Was ist?" fragte sie, während er die Tür öffnete. „Ach, du weißt ja, die Elfenbeinminiatur, die wir Borgloh zum Geburtstag schenken wollen", antwortete Parkins laut, mit einem Blick auf das Stubenmädchen, vas gerade mit einem Tablett den Korridor am Zimmer entlang ging. Dann schloß er die Tür und drehte den Schlüssel um. „Sei doch nicht immer so aufgeregt, Mary", flüsterte er schärfer. „Damit wirst du noch einmal etwas anrichtcn." Dann öffnete er rasch das kleine Päckchen. Es enthielt nichts als eine kleine Steinplatte und einen Brief. Und dieser Brief hatte zum Inhalt nur ein einziges Wort: „Gefahr!" Parkins und seine Frau sahen sich an. Sie waren sehr bleich geworden. Hastig setzte sich Parkins an den Schreib tisch und schrieb ein paar Zeilen, die er in einem Umschlag verschloß. Dann eilte er wieder hinunter in die Halle, wo der Bote noch wartete: „Hier haben Sie einen Brief für Ihren Chef", sagte er. „Ich bin mit der Elfenheinminiatur sehr zufrieden und schreibe ihm hier, daß ich gern in der nächsten Zeit von dem gleichen Meister etwas erwerben möchte. Geben Sie den Brief aber sofort ab. Es eilt!" Der Bote verbeugte sich: .Gewiß, Sir! Es wird umgehend erledigt!" Dann ging Parkins langsam wieder hinauf. Der Diener Ssfnete dem Boten der Kunsthandlung Frommers die, Tür. „Nun, Sie sind wohl erst neu bei Mister Frommers?" sagte er vertraulich. „Früher kam immer ein älterer Bote, so mit weißen Haaren." „Ja! Ich bin erst neu!" sagte der Mann kurz, ohne sich auf weiteres einzulassen, und ging rasch über die Straße. Als Eva Borgloh abends von einem Bridgetee im Mayfair Hotel heimkehrte, kam ihr Mistreß Parkins schon aufgeregt entgegen. Sie ging mit Eva sofort in deren Zimmer. Bald erschien auch Mister Parkins, und eine bastige, leise geführte Unterredung begann. Bald nach ihrem Ende klingelte Eva dem Hausmädchen und sagte: „Rufen Sie unten in der Chauffeur-Wohnung an. Der Chauffeur soll Mister Parkins zum Waterloobahnhos fahren. Mister Parkins will nach Harwich reisen. Ein Freund von ihm kommt dort an." Eine halbe Stunde später fuhr Parkins mit einem kleinen Koffer und den nötigsten Uebernachtungssachen, die der Diener ihm eingepackt, davon. „Soll ich Mister Parkins eine Fahrkarte besorgen?" fragte der Chauffeur höflich. „Und zu welchem Tage, bitte?" „Nein, nein! Lassen Sie nur!" sagte Parkins. „Die Karte besorge ich mir selbst. Fahren Sie nur nach Hause. Es könnte sein, daß Mistreß Borgloh und meine Frau den Wagen heute noch brauchen." * * John Mac Lean saß behaglich in einem tiefen Lehn sessel seines Arbeitszimmers. Vor ihm standen eine.Platte mit ein paar belegten Brötchen und eine Flasche mit Portwein. „So, mein guter alter Talby!" meinte der Detektiv behaglich und nickte seinem alten Diener zu. „Nun ist mir schon bedeutend Wohler. Ein Bad, ein Glas Portwein, eine gute Zigarre, da sieht das Leben schon wieder freund licher aus." „Mister Mac Lean sollten sich wirklich nicht immer so leichtsinnig in Gefahren begeben!" — der alte Diener schien noch immer ganz aufgeregt von dem, was Mac Lean ihm beim Heimkommen erzählt hatte. „Wie oft haben wir alle schon Mister Mac Lean gebeten, nicht allein auf Er kundigungen auszugehen l Die jungen Beamten von Scot land Yard brennen doch darauf. Mister Mac Lean zu begleiten." Mac Lean lachte: „Glaube ich, daß sie darauf brennen, mem guter Talby! Aber siehst du, in meinem Beruf ist es gerade umgekehrt wie in anderen. Sonst sagt man, vier Augen sehen mehr als zwei; aber vier Füße verwischen mehr Spuren als zwei. Wenn ich so richtig auf einer Fährte bin, kann ich keinen anderen Menschen dabei brauchen. Da muß ich allein vorwärts!" „Und Sie werden so lange allein vorwärts gehen, Herr, bis Sie eines Tages dann doch umgekommen sein werden!" Mac Lean lachte: „Guter alter Talby, siehst du, ich bin ja bis jetzt immer wiedergekommen. Na — mach' kein so erschrecktes Gesicht, Alter! Gieß lieber noch ein Glas Portwein ein und dir auch eins, und trinken wir auf meine glückliche Rettung. Dann kannst du mal ein Telegramm an Mister Borgloh schicken. Ich glaube, es würde gut sein, er käme zurück." * Friedrich Borgloh haue die zwei Tage in Amsterdam tn höchster Unruhe verbracht. Er reiste sonst so gern. Der Lauber der alten Handelsstadt mit ihren Grachten, ihren versponnenen Winkeln übte sonst einen starken Einfluß auf ihn aus. Auch die Kunstschfitze der Museums mit ihren Kostbarkeiten an Rembrandt, Rubens und den anderen Meistern der niederländischen Schule waren für ihn eine immer erneute Freude. Nun aber war es ihm, als wären seine Augen ebensowenig aufnahmefähig wie sein Geist. Seine Gedanken kreisten nur um das eine: Was würde Mac Lean in London festgestellt haben? Was war es für ein Geheimnis um Eva? Ihm war sehr schwer zu Sinn. Da hatte er nun gehofft, in Eva alles Glück der Welt zu finden — einen Ersatz für den Kummer seiner Jugend — für den Verlust der Eltern, der Schwester. Er war ein Mann, für den Ehe und Heim unendlich viel bedeuten konnten. Wie hatte er es sich ausgemalt, sein Heim — nach der Arbeit sollte es ihm eine Stätte des Friedens werden. Und was war es geworden? Unfrieden, Häßlichkeit und Unsicherheit. Vielleicht hätte Professor van Koster besser getan, Eva nicht den Parkins zu überlassen. Ste schienen sehr schwach und nachgiebig zu sein und keineswegs ge eignet dafür, ein so junges, weiches Menschenkind wie Eva van Koster zu erziehen. Aber das war nun alles vorbei. Die Vergangenheit war nicht mehr zu ändern. Ma» mußte nur hoffen, daß die Zukunft besser wurde. Am dritten Tage seiner Anwesenheit kam Friedrich Borgloh nach einem ziellosen Spaziergange durch die Straßen Amsterdams in sein Hotel zurück. „Ein Telegramm für Sie, Herr Professor!" sagte der deutschsprechende Portier, als Friedrich seinen Zimmer- schlüssel Mqngtx, / " " " Friedrich «rvrach h«Mg da» Siegel. — — „Erwarte Sie »or»eh««L zurück — Rücksprache ft» meiner Nohmm-l" Das Telegramm trug keine Unterschrift. Es war vor fünf Stunden in London ausgegeben. „Machen Sie mir meine Rechnung fertig!" sagt« Friedrich Borgloh hastig zu dem Portier. „Ich habe eine Nachricht bekommen — muß wider Erwarten sosort nach London zurückkehren. Wann bekomme ich den Zug zum nächsten Schiff?" „Das nächste Schiff vom Hoek van Holland von Amsterdam geht um neun Uhr ab, Herr Professor! Sie erreichen es, wenn Sie in einer halben Stunde den Zug Amsterdam—Hoek van Holland nehmen." Friedrich Borgloh packte in Eile. Er hatte ja nicht viel Gepäck, nur seine wenigen Toilettensachen. Ein Amo, das ver Portier schon bestellt hatte, brachte ihn noch in der letzten Minute zum Zuge, und bald fuhr er von Amster dam ab. Der Zug fuhr durch die fruchtbare Niederung des holländischen Landes. Grüne Felder zu beiden Seiten des Schienenstranges, Weiden mit Vieh — alles durchzogen von kleinen Kanälen, die im Sonnenlicht aufblinkten. Die Bauern trugen die eigentümlichen Holzpantinen, die mehr an grobgeschnitzte, kleine Spielzcugkähne erinnerten als an Schuhwerk. Friedrich Borgloh mußte wieder denken, wie erfinderisch doch die Natur die Menschen macht. Diese Holzschuhe waren die einzige Möglichkeit, um durch das ewig feuchte Gelände der Wiesen und Niederungen hin- durchzukommen. Noch ein paar Stunden war er in Hoek van Holland. Der Zug hielt unmittelbar am Hasen. Friedrich Borgloh passierte die Zollschranke. Da Paß in Ordnung war und er kein größeres Gepäck Hane, waren alle Formali täten durch den freundlichen holländischen Beamten sehr schnell erledigt. Dann schritt er die Bahnhofshalle ent lang, überquerte einige große Steinkais und befand sich endlich am Hafen. Das Fährschiff» ein mäßig großes Fahr zeug, wartete schon. Es batte nicht viel Passagiere an Bord — einige Geschäftsleute, die offenbar dauernd zwischen Holland und England hin und her reisten, ein paar Engländerinnen, die von einer Reise auf dem Konti nent heimkehrten und unbeweglich, in Decken eingewickelt, auf ihren Deckstühlen lagen — ein paar Engländer mit Golfstöcken und Hockeyschlägern in ledernen Futteralen. Friedrich Borgloh sicherte sich einen Platz ziemlich vorn. Es war ein schöner Tag. Der Wind ging leise, aber nicht stürmisch. Die See zeigte ein leichtes Schaum- gekräusel und eine leuchtend blaue Wasserfläche. Die Sonne strahlte warm. Es war ein Bild von Schönheit und Frieden, das sich seinen Augen bot. Sein Herz aber war sehr unruhig. Die Zeit der Schiffsreise, die ihm sonst immer lieb war, schien sich ins Unendliche zu dehnen. Die Mahlzeiten neben gleichgültig schwatzenden Menschen unten in dem Eßsalon des kleinen Schiffes waren ihm unerträglich. Er ließ sich einen kleinen Imbiß von dem Steward an Deck bringen, und so blieb er unbeweglich, immer vor sich hinsehend — dort, wo doch endlich die Küste von England auftauchen mußte. Und nun endlich erschien ein schmaler, Heller Sand strich — ein Leuchtturm — ein Fort: die Anzeichen, daß man sich England näherte. Ein paar Kriegsschiffe lagen weit draußen und standen wie dunkle Silhouetten in dem lichten Nachmittagsschcin. Nun tauchten auch Türme und Häuser von Harwich auf. Langsam fuhr das Schiff näher. Die Bauten wurden deutlicher. Nun unterschied man schon einzelne Straßen — einen grünen Park Menschen. Das Schiff legte auf der Reede von Hatwich an. Gegen über, durch die Hafenkais getrennt, war der Bahnhof. Der Zug wartete bereits. Friedrich Borgloh empfand eine gewisse Erleichterung, als er nun wieder englischen Boden unter sich hatte. Es ging ihm wie allen wirklichen Männern. Nun die Aufklärung und Entscheidung Heran tam, war ihm leichter zumute. Nichts war für einen Mann so schlimm wie Ungewißheit. Aber als er nun dem Chauffeur der Autodroschke vor dem Bahnhof die Adresse Mac Leans aufgab, stieg doch ein bitteres Gefühl in ihm auf. Wie anders hätte eigent lich sein Hcimkommeu sein müssen! Wäre sein Leben mit Eva so, wie er es erwartet, dann stände sie jetzt hier, würde ihn liebevoll bewillkommnen, würde mit ihm in ihr gemeinsames schönes Heim fahren. Eine gute, ruhige Plaudcrstunde über alles, was sie erlebt hatte, würde sie beide vereinen. So müßte er heimlich, wie ein Dieb beinah, in London ankommen. Und sein erster Weg war nicht zu seiner Frau, sondern zu Mac Lean, dem Detektiv. Es war schon dunkel, als er durch London fuhr. Die Stadt präsentierte sich in dem altgewohnten Bild: flanierende Menschenmengen auf den Straßen, Licht aus Sing-, Spielhallen und Restaurants — überall auf flammende Lichtreklamen der Kinos, vor denen, dicht ge drängt, Menschen standen. Am Piccadilly-Zirkus war ein Leben, als wäre es mitten am Tage — Autos mit ele ganten Frauen tn seidenen Abendmänteln fuhren den Theatern zu. Herren im Smoking, den Strohhut auf dem Kopfe, einen leichten Sommcrmantel über dem Arm, schlenderten den Restaurants zu. Ganz London schien wieder einmal an diesem schönen Abend unterwegs zu sein. Die Wohnung Mac Leans lag in einer stillen Seiten straße. Einem instinktiven Gefühl gehorchend, ließ Friedrich Borgloh sein Auto eine Straßenecke vorher halten. Vielleicht war es besser, nicht direkt vor Mac Leans Hause anzukommen. Er überquerte schnell die Straße, sah, auch oben in der zweiten Etage Licht. Schnell stieg et die beiden Treppen des ruhigen, alteir Hauses herauf und klingelte. Ein alter Diener mit weiß haarigem, freundlichem Kopfe öffnete ihm: „Mister Borgloh?" fragte er. „Jal Melden Sie mich, bitte, Mac Leanl" (^ortlebuna folaO