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KWii (1. Fortsetzung.) '^nn 7-Men Schloß und Herrschaft Veltheim an die Seitenlinie Rambert." * Dietrichs Gesicht flammte in Zorn und Empörung: .Wissen Sie auch, was das heißt? Dann wird der alt. Velthermsche Beptz parzelliert werden. Die Rambert- Haben keinen Funken mehr von der Blutverbundenheil ihres Stammgeschlechts mit dem überkommenen Boden Für die ist der Boden nur ein Handeksobjekt. Ich seh. schon, wie der schöne, alte Besitz zerstückelt wird, der Wali abgeholzt, die Gemarkung Schöneich- nach Braunkohlen durchforscht — bis nichts mehr bleibt von der herrlichen Stille der Gottcsnatur hier." „Diese Gefahr können Sie ja mit einem Schlage ab wenden. Seien Sie doch kein solcher Eisenkopf, Graf! Ihre Tante wollte nur Ihr Bestes. Sie wollte Sie zu Ihrem Glück zwingen." Dietrich lachte herb auf: „Was wußte Tante Alberta von meinen. Glück oder Unglück?" „Nun, darüber dürfte sie einigermaßen unterrichtet gewesen sein. Fräulein Jutta von Bergfelde war ja die letzten Monate bei Ihrer Frau Tante zu Besuch." „Was sagen Sie da? Fräulein von Bergfelde zu Be such bei meiner Tante? Aber die Eltern Fräulein von Bergfeldes und Tante Alberta standen doch wie Hund und Katze miteinander." „Das hat sich rasch gewandelt. Ich habe auch immer angenommen, Fräulein Jutta wäre in diesem Sinne von ihren Eltern beeinflußt. Aber da scheinen wir uns geirrt zu haben. Sie erfuhr durch Zufall von der Erkrankung Ihrer Tante und erschien plötzlich hier. Frau Alberta war ganz gerührt über die verwandtschaftliche Anteilnahme ihrer Nichte. Das Zusammenleben hier soll äußerst Harmo nisch gewesen jein. Ich selbst war ja total perplex, als ich Fräulein Julia hier fand und feststellen mußte, daß Frau Alberta und sie ein Herz und eine Seele wären." Dietrich ging stumm im Zimmer auf und ab. Diese Mitteilung über Jutta und Tante Alberta war ihm etwas vollständig Neues. Er begriff die ganze Geschichte nicht. Keiner von ihnen hatte jemals etwas für Tante Alberta übrig gehabt. Sie war eine herrische, eigenbrötlerische Frau, hatte nach Aussagen der Verwandten ihren Mann tüchtig unter dem Pantoffel gehabt und anerkannte kein anderes Gesetz als ihren eigenen Willen. Deshalb war eS auch zwischen ihr und Dietrich vor ein I paar Jahren zum Bruch gekommen. Tante Alberta hatte s sich an den Erziehungslosten für den jung Verwaisten be teiligt. Dafür aber hatte sie geglaubt, ihm in all und jedes Hineinreden zu können. Deutlich stand die Szene vor zwei Jahren vor ihm. Er war gerade mit dem Studium fertig geworden und hatte den Doktor der Naturwissenschaften gemalt. Mühsam genug hatte er sich die Erlaubnis zu diesem „brotlosen Studium", wie Tante Alberta es ver ächtlich genannt, vom Familienrat erkämpftl Aber sein ganzes Herz hatte daran gehangen. Onkel Hubertus Heid- kemper, der alte General, hatte schließlich den Ausschlag gegeben. Von ihm hatte es Dietrich am wenigsten er wartet. Der alte Herr kannte außer seiner Militärwissen schaft nichts auf der Welt. Als Dietrich ihn ganz fassungs los ansah, weil er im Familienrat ihm die Stange hielt, meinte der alte Herr mit seiner knarrenden Offiziers stimme: „Ja, ja! Brauchst mich gar nicht so erstaunt anzusehen, mein Junge! Naturwissenschaft und Kriegshandwerk sind zwar etwas sehr Verschiedenes. Ich für meine Person kann es nicht begreifen, daß es einen interessiert, wieviel Beine ein Käfer hat, und ob eine Pflanze Knollenwurzeln Hai oder nicht. Aber jedes Tierchen hat sein Pläsierchen! Gerade wer einem Beruf so voll und ganz ergeben ist, wie ich dem meinen, kann kapieren, wie man von einer Arbeit besessen sein kann. Wenn du glaubst, daß du bei deinen Käfern und Kaulquappen etwas Ordentliches wirst, i dann in Gottes Namen! Können ja schließlich nicht alle Menschen Soldaten sein." Onkel Hubertus war es auch gewesen, der Tante Alberta derb über den Mund gefahren war, als sie empört erklärte, sie dächte nicht daran, auch nur noch einen roten Heller für solche Sinnlosigkeiten auszugeben I Wer kein Geld zum Studium hätte, der müßte sehen, aus andere Weise zu verdienen. Ihr seliger Mann hätte vielleicht auch lieber studiert, als seinen Kohl zu bauen; aber er hätte sich eben nach den Verhältnissen gerichtet. Da wurde Onkel Hubertus Heidkemper grob: „Vermutlich wäre deinem seligen Jochen Wohler ge wesen, er hätte nicht seinen Kohl gebaut und sich von dir nicht kujonieren lassen, meine Beste. Es gibt noch Männer, die ihren Willen haben und ihr Leben auf ein bestimmtes Ziel richten. Dietrich sieht mir ganz danach aus, als ob er zu den Menschen gehörte — und darum pfuschen wir ihm nicht in seinen Lebensplan hinein. Obzwar es mir gegen den Strich geht, daß heute ein junger Mensch mit gesunden Gliedern und gesundem Kopf ausgerechnet ins Ausland gehen muß. Erklär mir bloß, mein Junge — was willst du denn dann mit deinen Kenntnissen machen? Denn egalweg durchs Mikroskop gucken und Schmetter linge aufspießen — damit kann es doch nicht genug sein." Dietrich hatte mühsam ein Lächeln verbeißen müssen. ! Ueber Schmetterlingssammlungen aina das Verständnis Onkel Hubertus' in bezug auf die Naturwissenschaft nicht hinaus. Und dann hatte er versucht, Onkel Hubertus und den anderen vom Familienrat seine Ziele zu erklären. „Wenn ich Naturwissenschaft studiert habe", sagte er, „so habe ich es wirklich auch im Hinblick auf unsere Heimat getan. Man kann für die Intensivierung unserer Land wirtschaft noch eine ganze Menge tun. Ich weiß von meinem Studium her, daß zum Beispiel in Amerika viele Weizensorten und Obstsorten gezüchtet werden, die auch bei uns fortkommen könnten, sofern man die nötigen Er fahrungen besitzt. Man könnte dadurch die Qualität und den Preis für deutsche landwirtschaftliche Erzeugnisse be deutend steigern." „Unsinn!" sagte Tante Alberta wütend. „Eines schickt sich nicht für alle. Was auf amerikanischem «öden wächst, kann hier nicht gedeihen. Neumodische Versuche, die nichts bringen und bloß Geld kosten!" Da hatte es den ersten scharfen Zusammenstoß zwischen Dietrich und Tante Alberta gegeben. Sie sollte ihn hier im Familienrat nicht wie einen grünen Jungen be handeln. „Verzeih, Tante Alberta", hatte er höflich in der Form, aber sehr scharf im Ton gesagt. „Du redest hier von Dingen, die du nicht verstehst. Ein Beispiel: Die Winzer in der Südschweiz haben vor Jahren eine amerikanische Traube bei sich eingeführt. Diese Traube ist gegen Schäd linge unempfindlich und liefert den besten Wein, während die einheimischen Trauben von Meltau und anderen Krankheiten stark angegriffen werden. Seitdem nun.die Schweizer die amerikanischen Weinstöcke haben, ist der Weinerirag für die Weinbauern über das doppelte ge stiegen. Man kann überall in der Welt etwas lernen und das Beste für die Heimat herausholen. Vielleicht werde ich noch einmal aus deinem Gut, Tante Alberta, etwas Ordentliches schaffen können." „Solange ich lebe, nicht!" hatte Tante Alberta wütend erklärt. „Du bist ein ganz unreifer Junge. Du willst weiter nichts, als für anderer Leute Geld in der Welt herumflitzen. Aber ich gebe dazu nicht einen Pfennig." Da war es mit Dietrichs Ruhe vorbei. Er sah es noch vor sich, wie er seine Brieftasche herausgezogen und das Monatsgeld von Tante Alberta herausgerissen hatte. Zu- sammengcknüllt hatte er ihr den Hundertmarkschein auf den Tisch geworfen: „Und ich verzichte auf deine Beihilfe, Tante Alberta!" hatte er, rasend vor Zorn, gesagt. „Aber Junge, Junge!" Der alte General Heidkemper war ganz erschrocken aufgesprungen und hatte versucht, den Neffen zu beruhigen. „Sei doch nicht immer so wild mit den Pferden!" .