Von Otto Saure. der vormals freien Reichsstadt Dinkelsbühl an der Wörnitz, so als die Ktcste Stadt Frankens und als ein Kleinod unter den mittelalterlichen Städten gilt, herrscht seit mehr denn dreihundert Jahren ein eigenartiger Brauch. Alljährlich, am dritten Montag des Monats Juli, bereitet man dortselbst den Kindern groß und klein in allen Häusern und Hütten der Stadt das Fest der freien Zeche, will bedeuten, sie wer den ohne jedwelchen Zehrpfennig als willkommene Gaste -herzlich bewirtet. Mit dieser „Kinderzech" aber hat es folgende, weit in die Zeit unserer Vor väter zurückreichende Bewandtnis. Es war im Jahre 1632. Der unselige Dreißigjährige Krieg hatte allen beut- schen Gauen landauf, landab blutende Wunden geschlagen. Die bedauernswer ten Bewohner in Stadt und Dors waren i wie die ärmsten Bettler verelendet und bis aus daS Blut ausgeplündert. Was ! die wüsten Horden der zügellosen Lands- knechtshaufen an Mensch^nd Vieh und Habe verschonten, was ihrem Schwert !und Raubgelüst entging, das fiel den bei nahe noch grausameren Würgern Hun ger und Pestilenz zum Opfer. Aller- wärtS schwelten - die Trümmer einge- ^u-crter Gehöfte und Dörfer; überal lagen die Aecker ohne Saat und Hain und Frucht. Die versprengten Häuften der dem Morden und Brennen entron neuen Menschen aber hausten mit Wol und Luchs obdachlos in dem Dirkicht'der Wälder, wo sie ihr armseliges Leben von wildwachsenden Früchten fristeten. Auch Dinkelsbühl, das von mächtigen Rinamauern und Wällen befriedete, von Laufgängen und Brustwehren umgürtete und von trutzigen Türmen und starken Toren beschirmte Dinkelsbühl sah sich von der erbarmungslos wütenden Kriegs furie verschiedentlich schwer bedroht. Allein, wie durch ein Wunder war es Von Jahr zu Jahr immer wieder gnädig verschont geblieben. Doch nun, eben in dem unheilvollen Jahre 1632, stand eine ungeheure Uebermacht der als „Retter" in das Land gekommenen Schweden vor des friedlichen Städtleins Toren und schreckte es mit der Ankündigung von Brand und Plünderung. Was wird werden? Wes Stimme soll man hören? So ging ohne Antwort bängliche Fraget» den Häusern und Gassen. Und der verängstigten Bürger schaft einhellig beauftragter Nat saß unter der Mittagssonne hochgespanntem Bogen in der „Kornschranne", so das jahrhundertealte Provianthaus benannt wurde, versammelt und beriet, welche Entscheidung er zur Rettung der Stadt treffen solle. Denn der schwedische Obrist von Sperrent hatte ihnen keinen Zweifel belassen, daß er die Übergabe der Stadt, sofern sie nicht in kürzester Frist bedin gungslos erfolge, mit den härtesten Mit teln erzwingen und ihr schwerste Strafen und Kontnbutionen auferlegen werde. Des. war die Not der braven Dinkels bühler größer denn jemals zuvor: und war kein Herz, das nicht in Furcht er zittert wäre. In dieser ihrer namenlosen Bedräng nis, da sie nicht aus noch ein und über viel Red und Jammern keinen Beschluß zu fassen wußten, sprang ein kaum halb- wachsencs Mägdlein in die Versamm lung der ratlosen Mermänner hinein und berichtete beredten Mundes, dieses. „Ich habe von dem Altan der Ring mauer, da ich des Feindes Handwerk be- lauschte, absonderliche Kunde vernom men. Der Schweden höchster Obriste bat