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von damals charakterisiert: wie ein Sturmwind brach er in die Musik seiner Zeit ein. Im strahlenden E-Dur voll unerhörtem Schwung tönt uns dann das eigentliche Don- Juan-Thema entgegen. Drei Frauen treten ihm entgegen. Zuerst Zerlinchen. Ein cis- Moll-Motiv schildert sie in ihrer zagen Zärtlichkeit und Scheu. Aber schon meldet sich der Überdruß: ein stark chromatisches Motiv. Da kommt, mit einem schwellenden Nonenakkord und Arpeggien der Harfe angekündigt, des Grafen Witwe. Mit einer leicht ins Ohr und ins Blut gehenden Melodie bekennt er ihr seine Liebe. Aber auch ihrer wird er bald überdrüssig. Eine neue Blume lockt. Donna Anna. Aus der Musik, mit der Strauß sie umwirbt, geht hervor, daß sein Held nun glaubt, die Richtige gefunden zu haben. Fast zögernd naht er sich ihr. Ein zurückhaltendes g-Moll, in Seufzern endend, zeigt uns einen ganz neuen Don Juan. Ist es echt oder ist es Verstellung? Anna selbst wird als holdes Engelsbild gemalt. Süß-sanft fangt die Oboe an zu singen. Weiche Akkorde bilden den Untergrund. Bald sagt uns aber das Motiv des Überdrusses, daß Don Juan keine Ruhe finden kann. Fort stürmt er zu den Klängen des zweiten Don- Juan-Themas in den energischen Hörnern. Hin zu neuen Genüssen! Er findet sie im Trubel des Karnevals, den Strauß mit realistischen Mitteln malt. (Ein quakendes Motiv der gestopften Trompeten gilt als Porträt einer schamlosen Dirne.) Aus dem bisherigen Themenmaterial treibt die musikalische Entwicklung nunmehr zu einem gewaltigen Höhepunkt entgegen. Dem Rausch folgt Ernüchterung. Sie treibt Don Juan hinaus in die Einsamkeit des Kirchhofs. Dort trifft ihn der todbringende Stahl Don Pedros, in einen Pianissimo-a-Moll-Akkord hinein sticht ein dissonantes f der Trompeten. Streicher- Tremoli gleiten abwärts: Don Juan haucht seine sündige Seele aus. Ein stark dissonie render Vorhalt vor dem e-Moll-Dreiklang, dieser selbst: „Der Brennstoff ist verzehrt, Und kalt und dunkel ward es auf dem Herd.“ Ildcbrando Pizzetti, der Direktor des Mailänder Konservato riums, wurde am 20. September 1880 zu Parma geboren. Er ge hört also seinem Alter nach nicht zur jungen Generation der italienischen Komponisten. Wohl aber seiner Einstellung nach. Ursprünglich an den Impressionismus anknüpfend, hat er sich wie der zwei Jahre jüngere Malipiero immer mehr auf die starken Kräfte der früheren italienischen Musik (Monteverdi!) besonnen und aus ihr neue Anregungen gewonnen. Das bedeutet eine Absage an die Banalität des Belkanto, den man irrigerweise für den eigentlichen Ausdruck der italienischen Musikmentalität hält. Seine neue Sinfonie in A ist ein bezeichnendes Beispiel für den Stil Pizzettis; virtuose Beherrschung des Orchesters, aus dem bezaubernde Farbwirkungen heraus geholt werden, geht eine Synthese ein mit einer starken lateinisch klaren Formkraft, die das sinfonische Gerüst mit neuem Leben zu füllen weiß. Dem ersten Satz geht eine langsame Einleitung voraus, die so etwas wie ein „Ur- thema“ (zuerst in den Fagotten und Hörnern) bringt. Der eigentliche erste Satz wird bestimmt von einem kräftig anspringenden Thema in a-Moll, dessen straffer Rhythmus in Gegensatz zu dem getragenen „Urthcma“ steht, das bald als Seitenthema auftritt. Schon in diesem ersten Satz wird A-Dur erreicht, aber die eigentliche Entspannung tritt doch erst in dem auf den ersten Satz zurückgreifenden Finale ein. Der erste Satz geht unmittelbar in den zweiten über, ein Andante tranquillo, dem ein sattes F-Dur sein Gepräge gibt. Der dritte Satz ist ein Scherzo ganz im Sinne der alten Sinfonie, mit einem federnden Hauptteil, der vor dem „Trio“ etwa im Brucknerschen Sinne stürmisch gesteigert wird, bei der Wiederholung immer mehr abebbt, um mit einer aufwärts fliegenden Klarinettenfigur schwerelos zu zerstieben. Auch der Schlußsatz hat seine langsame Einleitung, die noch gewichtiger als die zum ersten Satz ist. Der Satz selbst hat Marschcharakter mit schmetternden A-Dur-Dreiklängen der Trompeten und Hörner. Bald tritt uns verbreitert in den Klarinetten und Oboen das „Urthema“ entgegen, das so die ganze Sinfonie thematisch und geistig zusammenfaßt. Es bildet auch das Material für den Epilog, mit dem die Sinfonie in zarten Registern ausklingt. Dr. Karl Laux. I. Pizzetti: Sinfonie in A