Volltext Seite (XML)
KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Donnerstag, 3. Mai 1962, 19.30 Uhr SONDERKONZERT Anläßlich der Kulturfesttage der Gewerkschaften Veranstalter FDGB-Kreisvorstand Dresden Dirigent: Prof. Heinz Bongartz Solistin: Annerose Schmidt, Leipzig Verbindende Worte spricht Prof. Dr. Laux DMITRI SCHOSTAKOWITSCH gcb 1906 10. Sinfonie, op. 93 Moderato Allegro Allegretto Andante-allegro Pause PETER TSCHAIKOWSKI 1840 - 1893 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 b-Moll, op. 23 Allegro non troppo e molto maestoso Andantino simplice Allegro con fuoco HEINZ BONGARTZ geb. 1894 Patria o muerte (Fidel Castro und dem kubanischen Volk in aufrichtiger Bewunderung gewidmet) Liebe Freunde! Zur Vorbereitung der Arbeiterfestspiele, die in unserer Republik zu einer guten Tradition gewor den sind, führen wir in Dresden - wie in allen Städten unserer Deutschen Demokratischen Repu blik - Kulturfesttage der Gewerkschaften durch. Die Kulturfesttage der Gewerkschaften werden zur Bereicherung des geistig-kulturellen Lebens unserer sich entwickelnden, modernen, soziali stischen Großstadt beitragen. Der FDGB-Kreisvorstand und die Leitungen der Industriegewerkschaften und Gewerkschaften unternehmen - unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands - große Anstren gungen, um in Dresden immer mehr Menschen für die kulturelle Selbstbetätigung zu gewinnen. Unsere Menschen, die in den Ensembles, Kulturgruppen und Zirkeln sich künstlerisch betätigen, streben nach hohen Leistungen, wie z. B. das Arbeitcr-Opcrn-Ensemble des Sachsenwerkes. Sie tragen damit wirksam zur Herausbildung unserer sozialistischen nationalen Volkskultur bei. Die Künstler unserer Theater, die Mitglieder der Orchester, die Professoren und Dozenten unserer künstlerischen Hoch- und Fachschulen haben enge Beziehungen zu unseren Volkskünstlern und stehen ihnen dabei beratend und helfend zur Seite. Den Dresdner Philharmonikern ist die Teilnahme an den Arbeiterfestspielen bzw. an den Kultur festtagen der Gewerkschaften ein echtes Bedürfnis. Auch sie haben enge Verbindungen zu den Werktätigen. Seit vielen Jahren unternehmen die Dresdner Philharmoniker, unter Leitung ihres hervorragenden Dirigenten, Nationalpreisträger, Prof. Heinz Bongartz, mit Erfolg große Anstrengungen, um bei allen Werktätigen das Verständnis und die Liebe zu guter Musik zu wecken. Mit diesem Sonderkonzert wollen die Dresdner Philharmoniker die besonders im Produktions aufgebot vollbrachten, hervorragenden Leistungen unserer Werktätigen würdigen und Ihnen damit für die Stärkung unserer Republik Dank und Anerkennung aussprechen. FDGB-Kreisvorstand - Dresden Stadt - gez. Gruhl - Vorsitzender - Dmitri Scbostakowitscb, der bedeutendste Sinfoniker unter den zeitgenössischen Komponisten im internationalen Maßstab, schrieb seine 10. Sinfonie, op. 93, im Sommer 1953. Das Werk, dem kein eigentliches Programm zugrunde liegt, zählt zu den gewichtigsten Schöpfungen des großen sowjetischen Meisters. Am 17. Dezember 1953 wurde es in Leningrad erfolgreich uraufgeführt, im Mai 1954 stellte es Franz Konwitschny in Berlin zum ersten Male der deutschen Öffentlichkeit vor. Seitdem erscheint die „Zehnte“ als ein besonderer Markstein auf unseren Konzertprogram men. Die schwermütige Grundhaltung der Sinfonie, auch ihre melodische Atmosphäre gemahnen etwas an Tschaikowski. Überhaupt zeigt das faszinierende Werk in seiner jähen Kontrastierung von monoton-melancholischen und aufpeitschend-vitalen, dramatischen Partien eine unverkennbar nationalrussische Eigenart. Der Moskauer Musikwissenschaftler Peter Galchin, einer der besten Kenner dieser Schöpfung Schostakowitschs, schreibt einmal über den Aufbau der Sinfonie im einzelnen folgendes: „Die zehnte Sinfonie besteht aus vier Sätzen. Der erste Satz (Moderato) beginnt mit einer langsamen Einleitung, einer Musik voll tiefer Nachdenklichkeit. Später erscheint - in der Klarinette - eine zu Herzen gehende Melodie, das Hauptthema des ersten Satzes. Es hat einen stark nationalrussischen Charakter und wird nach und nach dramatischer behandelt. Mit dem lyrischen Seitenthema in der Soloflöte kommen allmählich unruhige und erregte Stimmungen in die Musik, die immer mehr anwachsen bis zu äußerster dramatischer Spannung. Dem von neuem auftauchenden Thema des einleitenden Moderato verleihen die Klänge der Pauken und der kleinen Trommel unheilverkündende Züge. Mit ihm verflechten sich die beiden lyrischen Themen, und es entsteht das Bild eines leidenschaftlichen, quälend angestrengten Kampfes. Aber noch führt hier der Kampf nicht zum Sieg des lichten Elements. Wohl klingt das zweite Thema gegen Ende des Satzes wärmer und weicher, aber noch nicht beruhigt. Am Schluß kehrt die Musik der Einleitung wieder. Der zweite Satz (Allegro) ist in einer ununterbrochenen, stürmischen Bewegung gehalten, als ob sich ein unheimlicher, zerstörender Wirbelwind erhoben hätte, der alles auf seinem Wege mit fortzureißen droht. Der Wirbel der kleinen Trommel, das Pfeifen der Pikkoloflöte und der grelle schreiende Klang der Klarinette ergeben ein plastisches Bild vom Wüten wilder, dunkler Kräfte, wie wir sie in den Werken Schostakowitschs aus den Kriegsjahren finden. Die Musik klingt wie das Mahnen vor einem drohenden neuen Krieg, wie zorniger Protest und feste Kampfentschlossen heit. Der dritte Satz (Allegretto) gründet sich auf die Entwicklung dreier Themen. Besonders lieblich ist das tänzerische erste Thema. Die drei Themen sind mit den Themen des ersten Satzes verwandt, so entsteht der Eindruck, als fahre der Komponist hier in der Erzählung fort, die durch den Wirbelsturm des zweiten Satzes unterbrochen wurde. Große Ausdruckskraft und Spannungs- geladenheit zeichnen das zweite kurze Thema aus. Wiederholt auftauchende Rufe des Horns (drittes Thema) führen zur Wiederkehr der „Musik der Nachdenklichkeit“ aus der Einleitung zum ersten Satz. Unerwartet brechen fordernd scharfe Klänge herein, welche die Stimmung der Beschaulichkeit und Nachdenklichkeit völlig zu zerstören drohen, doch schaffen die Rufe des Waldhorns wieder etwas Beruhigung. Das Finale (Andante-allegro) beginnt, wie der erste Satz, mit einer langsamen Einleitung: Den gedämpften Läufen der Celli und Bässe antwortet die einsam rufende Stimme der Oboe. Aber die traurige und klagende Musik wird von den leisen, aus der Ferne herdringenden Rufen der Klarinette und Flöte durchbrochen. Daraus entsteht das Hauptthema des Finales. Es versetzt den Zuhörer in eine völlig andere Welt. Das Thema ist voller Bewegung und Fröhlichkeit, in ihm klingen die Melodien sowjetischer Pionierlieder an. Im Reigen ziehen, eine die andere ablö send, lebensvolle, energische Melodien vorüber, in denen man das Pulsieren junger Kräfte spürt. Die Woge froher Erregung erreicht ihren höchsten Punkt und reißt auf ihrem Gipfel die hier von neuem auftauchenden dramatischen Themen aus der Einleitung zum Finale und aus dem dritten Satz an sich. Für kurze Zeit kehren, wie eine Erinnerung an das Durchlebte, die traurigen, klagen den Melodien wieder. Aber eine neue, noch höhere Woge jugendlicher Energie und herzlicher Fröhlichkeit spült die Bilder der Erinnerung fort. Sie festigen sich in neuer Gestalt und fließen zu einer Musik zusammen, die das Streben der sowjetischen Menschen nach Frieden und nach Glück ausdrückt.“ Dieter Härtwig