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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Sonnabend, 21. Oktober 1961, 19.30 Uhr Sonntag, 22. Oktober 1961, 19.30 Uhr 2. Philharmonisches Konzert DIRIGENT Prof. Heinz Bongartz SOLIST Gabor Gabos, Budapest Fidelio F. Finke zum 70. Geburtstag Ciacona (frei nach Tommaso Vitali) Bela Bartok 1881—1945 Zwei Porträts, op.5 Ideal Groteske Franz Liszt zum 150. Geburtstag 1811—1886 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1, Es-Dur Allegro maestoso - quasi adagio—allegretto vivace — allegro marciale animato Pause Ludwig van Beethoven 1770—1827 2. Sinfonie D-Dur, op. 36 Adagio molto — allegro con brio Scherzo; allegro Allegro molto lartok-Wettbewerbs in Budapest. Die italienische Ciacona (französisch: Chaconne) ist eine Variationsreihe über einen kurzen, immer wiederkehrenden, gleichen Basso ostinato (d. h.,,eigensinnigen“ Baß). Die berühmteste Ciacona ist die in der d-Moll-Partita für Violine allein von Johann Sebastian Bach. Daß dieses Stück einen Einzelsatz in den drei ,,Partiten“ bildet, die die Tanzformen bevorzugen, und nicht in den drei Solo-,,Sonaten“ Bachs, die die Tempobezeichnungen (Allegro, Adagio, auch Fuga) als Satz-Überschriften benutzen, ist ein Hinweis auf den geruhsamen, stilisierten Tanzcharakter der Cia cona im Barockzeitalter. Eine ähnlich berühmte Rolle in der Violinliteratur spielt die Ciacona von Tommaso Vitali. Ihre bezwingende Musikalität, die die Jahrhun derte überdauerte (Tommaso Vitali lebte ungefähr von 1665 bis 1747 in Bologna- Modena), bestimmte Fidelio F. Finke, sie als Vorbild und Muster zu nehmen. Dieser Kenner und Könner des modernen Orchesters nahm die Violin-Variationen der Vitalischen Ciacona als ,,Varianten der Variationen“ für die Geigengruppen, für die Holz- und Blechbläser, wohl auch als Soloviolin-Episode und durchleuchtete damit die harmonische und rhythmische Substanz. Neben dem doppelten „Holz“, 4 Hörnern, 3 Trompeten, 3 Posaunen und den Streichern fehlen auch das Schlag zeug, Triangel, Harfe und das Glockenspiel nicht. Finkes Schaffen ist umfangreich und umfaßt nahezu alle musikalischen Gattungen, seine Ciacona überrascht durch neue Lyrismen und originelle Instrumentation. Die „Deux Portraits“ (Zwei Porträts) vonBela Bartök sind zwei musikalisch dar gestellte Bildnisse einer gleichen Person. Das erste Bildnis — der erste Satz — zeigt die „ideale“, das zweite Bildnis der zweite Satz — die „verzerrte“ Gestalt. Beide Sätzesind durch das gleiche Grundmotiv d—fis—a —cis miteinander verbunden. In der thematischen Umformung und Verkettung beweist das Werk den formalen Einfluß von Franz Liszt. Aber weitab vom Wohlklang Lisztscher Programmusik fordert Bartök vom Hörer aktives, streng logisches Mithören bei den Wandlungen des Themas. Der erste Satz stammt aus einem früheren unveröffentlichten Violinkonzert Bartöks, darum die Betonung der Solovioline. Der zweite Satz ist ein immer schneller werdender Tanzsatz in grotesk-hohen Tönen der Piccoloflöte und der Es-Klari- nette. Die „Deux Portraits“ entstanden als Opus 5 im Jahre 1907. Am 22. Oktober 1811, vor 150 Jahren, wurde Franz Liszt im ungarischen Raiding geboren. Der Vater war esterhäzyscher Gutsverwalter aus einer deutschsprachigen Familie, die Mutter Österreicherin aus Krems. Der frühreife Sohn Franz debütierte als Qjähriges Klavierwunderkind und feierte große Erfolge als le petit Liszt in den Salons ungarischer Magnaten, in Wien und in Paris. 1831 hörte der inzwischen 20 Jahre alt gewordene Liszt in Paris den unheimlich-faszinierenden Geigenkünstler Niccolö Paganini. Das Ereignis wurde für ihn Anlaß zur Umkehr auf dem Wege seines Virtuosentums. Für längere Zeit zog er sich von der Öffentlichkeit zurück, arbeitete an seiner Technik, wurde der Paganini des Klaviers. Aus dem einstigen Schüler des Etüden-Czernys, aus dem Rivalen des berühmten Klaviervirtuosen Sigismund Thalberg wird der souveräne Herrscher seines Instruments. Seinem Siegeszuge durch die Konzertsäle Europas ist nichts Gleichwertiges an die Seite zu