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CARL ORFF: CARM I NA BU RANA Deutsche Übertragung von Wolfgang Schadewaldt lOFortuna! Chor O Fortuna, velet luna statu variabilis, semper crescis aut decrescis; vita detestabilis nunc obdurat et tune curat ludo mentis aciem, egestatem, potestatem dissolvit ut glaciem. Sors immanis et inanis, rota tu volubilis, Status malus, vana salus semper dissolubilis, obumbrata et velata michi quoque niteris; nunc per ludum dorsum nudum fero tui sceleris. Sors salutis et virtutis michi nunc contrario, est affectus et defectus semper in angaria. Hac in hora sine mora corde pulsum tangite; quod per sortem sternit fortem, mecum omnes plangite! O Fortuna I Wie der Mond So veränderlich, Wächst du immer Oder schwindest! — Schmählich Leben! Erst mißhandelt, Dann verwöhnt es Spielerisch den wachen Sinn. Dürftigkeit, Großmächtigkeit, Sie zergehn vor ihm wie Eis. Schicksal, Ungeschlacht und eitel! Rad, du rollendes! Schlimm dein Wesen, Dein Glück nichtig, Immer im Zergehn! überschattet Und verschleiert Kommst du nun auch über mich Um des Spieles Deiner Bosheit Trag ich jetzt den Buckel bloß. Los des Heiles Und der Tugend Sind jetzt gegen mich. Willenskraft Und Schwachheit liegen Immer in der Fron. Drum zur Stunde Ohne Säumen Rührt die Saiten! — Wie den Wackeren Das Schicksal Hinstreckt: alle klagt mit mir! 2 Fortune plango v u I n e r a ... Fortune plango vulnera stillantibus ocellis, quod sua michi munera subtrahit rebellis. verum est, quod legitur, fronte capillata, sed plerumque sequitur Occasio calvata. Chor Die Wunden, die Fortuna schlug, Beklage ich mit nassen Augen, Weil sie ihre Gaben mir Entzieht, die Widerspenstige. Zwar, wie zu lesen steht, es prangt Ihr an der Stirn die Locke, Doch kommt dann die Gelegenheit Zeigt meist sie ihren Kahlkopf. In Fortune solio sederam elatus, prosperitatis vario flore coronatus; quiequid tarnen florui fei ix et beatus, nunc a summo corrui gloria privatus. Fortune rota volvitur: descendo minoratus; alter in altum tollitur; nimis exaltatus rex sedet in vertice — caveat ruinam! nam sub axe legimus Hecubam reginam. Auf Fortunas Herrscherstuhl Saß ich, hoch erhoben Mit dem bunten Blumenkranz Des Erfolgs gekrönt. Doch, wie ich auch in Blüte stand, Glücklich und gesegnet: Jetzt stürzte ich vom Gipfel ab, Beraubt der Herrlichkeit. Fortunas Rad, es dreht sich um: Ich sinke, werde weniger, Den anderen trägt es hinauf: Gar zu hoch erhoben Sitzt der König auf dem Grat: Er hüte sich vor dem Falle! Denn unter dem Rade lesen wir: Königin Hecuba. I Primo Vere 3 V e r i s I e t a facies... Veris leta facies mundo propinatur, hiemalis acies victa iam fugatur, in vestitu vario Flora principatur, nemorum dulcisono que cantu celebratur. Flore fusus gremio Phebus novo more risum dat, hoc vario iam stipatur flore Zephyrus nectareo spirans in odore. Certatim pro bravio curramus in amore. Cytharizat cantico dulcis philomena, flore rident vario prata iam serena, salit cetus avium silve per amena, chorus promit virginum iam gaudia millena. I Im Frühling Kleiner Chor Frühlings heiteres Gesicht Schenkt der Welt sich wieder. Winters Strenge muß, besiegt, Nun vom Felde weichen. Flora tritt im bunten Kleid Ihre Herrschaft an, Mit süßtönendem Gesang Feiern sie die Wälder. In Floras Schoße hingestreckt, Lacht Phoebus nun aufs neue. Von diesem mannigfachen Blühn Umringt, atmet Zephyrus In nektarreinem Dufte. Laßt uns um die Wette laufen Nach dem Preis der Liebe! Mit ihrem Liede präludiert Die süße Philomele. Voll bunter Blumen lachen nun Heiter schon die Wiesen. Vogelschwärme ziehen durch Des Waldes Lieblichkeiten. Reigentanz der Mädchen bringt Freuden tausendfältig. 4 Omnia s o I temperat... Omnia sol temperat purus et subtilis, nova mundo reserat facies Aprilis, Bariton-Solo Alles macht die Sonne mild, Sie, die reine, zarte. Neues schließt das Angesicht Des April der Welt auf.