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Vertiefung und Bereicherung spürbar. Bei weitgehendem Verzicht auf äußerliche Virtuosenkünste wirken diese Werke besonders durch ihre jugendliche Unmittel barkeit und Anmut, durch ihre innige, beseelte Melodik. Das A-Dur-Violinkonzert beginnt mit einem fröhlichem Allegro. Nach dem einleitenden rauschenden Tutti wird zunächst ein halb rezitativischer Ada gioteil des Solisten eingeschoben — eine ungewöhnliche formale Anlage, ein bereits ganz subjektiver Zug des jungen Komponisten. Den langsamen Mittelsatz (Adagio) erfüllt verhaltene, schmerzliche Erregung. Ein von Mozart 1776 für den Geiger Brunetti nachkomponierter zweiter Satz, ein Andante, erreichte, obwohl es künstlerisch ebenfalls durchaus wertvoll ist, nicht die Einfachheit und den inneren Reichtum dieses Satzes. — Im Finale des Werkes (Tempo di menuetto) verbinden sich auf eigenartige Weise Menuettform und Rondoform. Das ein geschaltete Scherzo in a-Moll zeigt deutliche Anklänge an die Volksmusik der Balkanländer und bringt im Kontrast zu dem liebenswürdig-behäbigen Thema des Hauptteils einen wilden Wirbel stampfender Tanzrythmen. Wassili Sergejewitsch Kalinnikow starb, 35 Jahre alt, an einem Lungen leiden, am 11.Januar 1901 in Jalta, wo er Heilung gesucht hatte. Nach Stu dien an der Musikalisch-dramatischen Schule der Moskauer Philharmonischen Gesellschaft in den Jahren 1884—1892 bei A. A. Iljinski und P. J. Blaramberg war er kurze Zeit Dirigent an der italienischen Oper in Moskau gewesen, bis ihn sein Lei den zwang, diese Stellung aufzugeben. Fortan widmete er sich, im Süden lebend, ausschließlich seinem kompositorischen Schaffen. Doch nur Weniges war ihm vergönnt zu vollenden. Dazu gehören zwei Sinfonien, seine wohl bedeutendsten Werke, sinfonische Dichtungen, Lieder, Kammer- und Schauspielmusiken sowie Klavierstücke. Kalinnikows erstes großes Werk war die Sinfonie Nr. 1 g-Moll für großes Orchester, im März 1895 in Jalta vollendet. Die begeistert auf- genommene Uraufführung erfolgte am 8. Februar 1897 in Kiew unter Leitung von A. N. Winogradski, der sich in der Folgezeit unermüdlich für die Kompo sition einsetzte. Ihr gewaltiger Erfolg überall (so 1898 in Wien, 1899 in Berlin, 1900 in Paris) war eine der wenigen Freuden, die der Komponist in seinem Leben hatte. In der Tat stellt die Sinfonie eine beachtliche Talentprobe dar. Ihre aufrichtige Gefühlssprache, ihre humanistischen Ideen sind in ein Klang- und Melodiengewand gekleidet, das der russischen Volksmusik zutiefst verpflichtet ist. Teils verwendete Kalinnikow originale Volksweisen, teils erfand er eigene im Sinne der Volksmusik. Das Melos ist zugleich von unmittelbarer Einfachheit und tiefer Beseeltheit des Ausdrucks. Die Entwicklungslinie der Sinfonie führt von einem emotionell-gehobenen Allegro über ein poetisches Andante und ein feuriges Scherzo zum feierlichen Finale. Das Werk kennt keine schroffen, drama tischen Kontraste, die grundlegenden Themen, die einander harmonisch ergänzen, haben eher etwas Lyrisches, Liedhaftes. Ihre intonationsmäßige Verwandtschaft verleiht dem Stück eine große innere Einheit. Zweifellos ist Kalinnikows g-Moll- Sinfonie, die sichere Beherrschung der Form und Instrumentation erkennen läßt, eines der besten Beispiele klassischer russischer Sinfonik von lyrischer Grund haltung. Das Hauptthema des ersten Satzes (Allegro moderato) ist ein russisch geprägtes, gesangliches Gebilde energischen Charakters, der Folklore entstammend. Es schafft die Grundlage sowohl für die Gesanglichkeit, die das gesamte Werk kennzeichnet, als auch für jenes erregte Gefühl, das den ersten Satz durchpulst. Das Seitenthema ist lyrisch und läßt an Borodin denken. Die Durchführung arbeitet mit variationsmäßiger Entwicklung des musikalischen Materials und führt zu einem wirkungsvollen Höhepunkt. Der zweite Satz (Andante commodamente) stellt eine musikalische Schilderung der russischen Landschaft dar, in zarten Pastelltönen gehalten. Im Mittelteil begegnet ein frei fließender, wehmütiger, etwas träumerischer Gesang (Oboen- Solo). Das Scherzo (Allegro non troppo) ist durch volkstümliche Tanz- und Liedmelodik gekennzeichnet. Es wird das Bild eines von fröhlicher Laune erfüllten, tempera mentvollen Volksfestes entworfen. Die Rhythmik des Hauptthemas geht vom russischen Volkslied aus. Das Thema des Trios ist von der Lyrik des „gedehnten" Liedes beeinflußt. Besondere Bedeutung erlangt das Finale (Allegro moderato - Allegro risoluto), das einen zusammenfassenden Charakter besitzt, kehren doch fast sämtliche Themen der vorangegangenen Sätze wieder, außerdem werden noch zwei neue Gedanken eingeführt. Das Hauptthema hat tänzerischen Charakter und erscheint in seiner melodisch-rythmischen Struktur dem russischen Volkslied „Spiele, mein Dudelsack" verwandt. Das gesangliche Seitenthema entwickelt in seiner Stimmung die des Hauptthemas des ersten Satzes weiter. Schwungvoll verklingt die Sinfonie in G-Dur. Dr. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNGEN : 16. November 1968, 19.30 Uhr, Kongreßsaal Gastspiel der Staatlichen Philharmonie Wroclaw Dirigent: A. Markowski — Solisten: K. Szostek-Radkowa, Mezzosopran; A. Stefanski, Klavier Werke von Elsner, Chopin, Schubert, Noskowski, Baird, Dobrowolski Freier Kartenverkauf 6. Dezember 1968, 19.30 Uhr, Kongreßsoal 6. AUSSERORDENTLICHES KONZERT (Im Rahmen des 43. Deutschen Bachfostes der Neuen Bach-Gesellschaft) Dirigent: Kurt Masur Solisten: Adele Stolte, Potsdam, Sopran; Gerda Schriever, Leipzig, Alt; Hans-Joachim Rotzsch, Leipzig, Tenor; Werner Haseleu, Weimar, Baß Chor: Philharmonischer Chor Dresden Werke von Zelenka, Heinichen und Bach Freier Kartenverkauf 7. Dezember 1968, 19.30 Uhr, Kongreßsoal 7. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Kurt Masur Solistin: Annerose Schmidt, Leipzig, Klavier Werke von Mozart, Ravel und Rachmaninow Freier Kartenverkauf Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1968 69 — Chefdirigent: Kurt Masur Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Ausbildungsstätte 42409 III 9 5 1,8 1068 ItG 009 92 68 »hiharrroni 3. PHILHARMONISCHES KONZERT 1968/69