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ZUR EINFÜHRUNG KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGI E N E-M U S EU M Freitag, den 25. Oktober 1968, 19.30 Uhr Sonnabend, den 26. Oktober 1968,19.30 Uhr 5. AUSSERORDE NTLICH ES KONZERT Dirigent: Kurt Masur Solistin: Sylvia Geszty, VR Ungarn/Berlin, Sopran PAUSE Eulenspiegels lustige Streiche nach alter Schelmen- Werner Egk geb. 1901 Mozart schrieb zwischen seiner Wiener und Münchner Reise im Jahre 1774 eine Gruppe von Sinfonien (KV 183, 199—202), die erhebliche formale und stili stische Ähnlichkeiten aufweisen und innerhalb der Entwicklung des Sinfonikers wollt ein Sträußlein binden mir dein Lied erklang Sinfonie A-Dur KV 201 Allegro moderato Andante Menuett Allegro con spirito Chanson et Romance für Sopran und Orchester Chanson (Text von Paul le Silentiaire) La Romance du Comte Olinos et de Blanche fleur (Text: Anonym) Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791 Exultate, Jubilate - Motette für Sopran und Orchester KV 165 Allegro Recitativo — Andante Vivace Richard Strauss 1864-1949 Drei Lieder nach Gedichten von Clemens Brentano für Sopran und Orchester aus op. 68 Amor Ich Als Mozart durchaus Marksteine sind. Hatten sich die vorausgehenden Sinfonien an die dreisätzige italienische Ouvertürenform angelehnt, so ist die hier in Be tracht kommende sinfonische Gruppe durch die Wiedereinführung des Menuetts gekennzeichnet. Auffallend ist ferner, daß der äußere Umfang dieser Werke beträchtlich zugenommen hat, daß die Durchführungen zwar noch nicht wie bei Joseph Haydn streng thematisch bestimmt sind, sondern sequenzartig fort gesponnen werden. Substantiell ist entschieden ein Hang zum Großen, Festlichen zu spüren. Die schwungvolle Thematik wird kontrapunktisch verarbeitet. Selb ständig sind die Bläser behandelt. Die Sinfonie Nr. 29 KV 201 A-Dur des 18jährigen Mozart ist neben der g-Moll-Sinfonie KV 183 das gewichtigste Werk dieser Gruppe. Es läßt deut lich das Streben des Komponisten nach „ideellem Zusammenschluß der vier Sätze" erkennen und ist überhaupt ein blendendes Zeugnis für das phantasie volle frühe sinfonische Schaffen des Salzburger Meisters, aus dem es noch viele Schätze zu heben gilt. Die Sinfonie, die keineswegs das Haydnsche Vorbild leugnet, atmet einerseits die kraftvolle Lebensfreude, andererseits die fast romantische Schwärmerei des 18jährigen Jünglings. Anmutig-humorvoll gibt sich nach dem heiteren Einleitungssatz (Allegro moderato) auch der langsame zweite Satz, ein fein gearbeitetes Andante, in dem die zwei Bläserpaare (Hörner und Oboen) den Streichersatz melodisch bereichern. Auf das zierliche Menuett mit seinen Kontrastwirkungen folgt ein Finalsatz von mitreißender, beschwingter Fröhlichkeit (Allegro con spirito), der nach dem Mozart-Forscher Alfred Einstein den reichsten und dramatischsten Durchführungsteil besitzt, den der junge Komponist bis dahin geschrieben hat. „Die Musik von Werner Egk ist vor allem lebendig, kraftvoll und farbig. Ihre Stärke stammt aus den gleichen Quellen, die die Meisterwerke unseres Jahrhunderts gespeist haben. Seine Musik begnügt sich keineswegs mit der Rückwendung zu neoklassizistischen Formeln, die uns so häufig enttäuscht haben. Sie ist auch frei von jenem übertriebenen Konstruktivismus, der durch sterile Kompliziertheiten gewisse Werke nur zum Vergnügen von Spezialisten ohne jede Wirkung auf den unvoreingenommenen Hörer hervorgebracht hat und der sich in vielen Fällen in allzu starker Abhängigkeit von der romantischen Epoche befindet. Egks Sprache ist direkt, manchmal urwüchsig, häufig voller Charme, sie berührt den Hörer unmittelbar und ist allgemein verständlich." So äußerte sich einmal der Schweizer Komponist Arthur Honegger über Werner Egks Kunst, des Schöpfers so viel gespielter, weil höchst theaterwirksamer Opern wie „Die Zaubergeige“, „Peer Gynt" und „Der Revisor" oder Ballettwerke wie „Joan von Zarissa" und „Abraxas". Der in Augsburg, Frankfurt und München - hier bei Carl Orff — Ausgebildete, 1950-1953 Direktor und Kompositionsprofessor der Westberliner Musikhochschule, seit 1950 Präsident des westdeutschen Kompo nistenverbandes, mit der Musikstadt Dresden seit langem eng verbunden, gehört fraglos zu den populärsten Komponistenpersönlichkeiten der zeitgenössischen, deutschen Musik. Das dankt er vor allem seinem urtümlichen bajuwarischer^ Musikantentum, mit dem er Anregungen von Strauss, Strawinsky und der fran zösischen Musik assimilierte und zu einer eigenständigen, bildhaft-plastischen, ja „schaubaren" Tonsprache gelangte. In bedeutenden Vokalwerken zeigt sich Egk besonders der geistigen Welt Frank reichs zugeneigt. Nach „La Tentation de St. Antoine" (1947) entstand Anfang der 50er Jahre mit Chanson et Rom a n ce f ü r So pra n und Orche ster eine weitere Vertonung französischer Texte. Das Auftragswerk des Süd westfunkes Baden-Baden erlebte seine Uraufführung 1953 beim Musikfest in Aix-en-Provence. Die Texte entnahm der Komponist Andre Lajards Anthologie „La femme et l'amour". Dem Chanson „Jai vu, moi, des amants" liegt ein Liebesgedicht von Paul le Silentiaire mit symbolisch-mythologischen Bezügen zugrunde, die balladeske Romanze vom Grafen Olinos und der Dame Blanche fleur — hier handelt es sich um mittelalterliche Sagengestalten — stammt von unbekannter Hand. Das treue Liebespaar wird von der eifersüchtigen mauri schen Königin getötet und verwandelt sich in Olivenbäumchen bzw. in eine Quelle und einen Fluß und widersteht so den Ränken seiner Widersacherin. Wolfgang Amadeus Mozarts Motette „ Exultate, jubilate" KV 165 für Sopran und Orchester entstand im Januar 1773. Der damals 17jährige Komponist schrieb das Werk in Mailand für den römischen Kastraten Venanzio Rauzzini, einen ausgezeichneten Sopranisten, der auch als Klavierspieler und Komponist hervortrat und bereits kurz vor der Komposition von Mozarts Motette bei der Uraufführung von dessen Oper „Lucio Silla" (26. Dezember 1772) als „primo uomo" eine Hauptrolle gesungen hatte. „Exultate, jubilate" erklang, von Rauzzini interpretiert, erstmals am 16. Januar 1773 in der Mailänder Theatiner-Kirche. Mozart berichtete dazu in einem seiner spaßhaften Briefe an die Schwester Nannerl nach Salzburg: „Ich vor habe den primo niun homo motetten machen welche müssen morgen bey Theatinern pro- ducirt wird". Die sehr bekannt gewordene, dankbare Komposition — eigentlich eine drama tische Solokantate — ist trotz ihres geistlichen Textes ein reines Konzertstück, das Sopranistinnen in reichem Maße Gelegenheit gibt, ihr sängerisches Können unter Beweis zu stellen. Das Werk zeichnet sich vor allem durch jugendliche Frische sowie durch eine schöne Ausgewogenheit zwischen vokalem und instru mentalem Part aus. In der Form eines dreisätzigen Instrumentalkonzertes mit der Satzfolge schnell — langsam — schnell (Allegro — Andante — Vivace) angelegt, verbindet es in wirkungsvoller Weise technische Brillanz und Bravour mit lyrischer Kantabilität. Besonders hingewiesen sei im Orchesterpart auf das Wechselspiel zwischen Oboen und Streichern im ersten Satz, auf die weiche Bratschenkantilene im innigen A-Dur-Mittelsatz, der durch ein kleines Rezitativ eingeleitet wird, und auf den klangvollen Übergang zum abschließenden, heiter-volkstümlichen Vivace in F-Dur. Till weise in Rondoform für großes Orchester op. 28 SYLVIA GESZTY wurde in Budapest geboren und stu dierte ab 1952 am Konservato rium und an der Musikakademie ihrer Heimatstadt, nach 1961 auch in Berlin bei Prof. Frei wald-Lange. 1959/61 war sie So listin an der ungarischen Natio nalphilharmonie und machte zahlreiche Rundfunkaufnahmen. Seit 1961 ist die ungarische Künstlerin prominentes Mitglied der Deutschen Staatsoper Berlin. Am 7. Oktober 1968 wurde sie zur Kammersängerin ernannt. Gastspiele in Oper und Konzert führten die international hoch angesehene Koloratursoprani stin, deren Lieblingsrolle die Gilda in Verdis „Rigoletto" ist, nach England, Italien, in die Sowjetunion, nach Österreich, Schweden, Polen, Rumänien, Un garn sowie mehrfach zu Fest spielen in Edinburgh, Salzburg, Basel, München. Außerdem ga stierte sie an führenden Bühnen der DDR und Westdeutschlands. Ein Schallplattenporträt der Künstlerin wurde unter der Leitung Kurt Masurs bei Eterna produziert.