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Musikalisch hat der Komponist nicht nur den poetischen Ausdruck, die ganz eigene französische Atmosphäre der Texte souverän erfaßt, sondern auch die stimmlichen Möglichkeiten eines Koloratursoprans voll ausgewertet. „Im Chan son begleitet das Orchester guitarrenartig (Pauke, Streicherpizzikati) den bald von der Oboe umrankten, bald über warmen Streicherklängen schwebenden Gesangspart. Dramatischer ist die Anlage der Romance, an deren Höhepunkte die Gesangslinie von Einwürfen des vollen Orchesters akzentuiert wird" (M. Gräter). Und der französische Musikkritiker Claude Rostand äußerte nach der Uraufführung: „Unter anderem wird man in der Romance einen ziemlich eigen artigen Rhythmus bemerken. Egk hat einen hauptsächlich in Ägypten gebräuch lichen arabischen Rhythmus, genannt Tharfat, verwendet, der aus einem 13/8-Takt besteht, und die Maurenkönigin ist ganz 13 8, fügte der Komponist scherzhaft hinzu, als er mich auf dieses Detail aufmerksam machte. Man wird ebenfalls bemerken, bis zu welchem Grad die poetische Atmosphäre der Romance dem Wesen der Provence verwandt ist." Zu den kostbarsten Liedschöpfungen von Richard Strauss gehört die Gruppe der sechs graziösen Lieder nach Gedichten von Clemens Brentano op. 6 8, aus der in unserem Konzert drei erklingen, (Nr. 2, Nr. 4, Nr. 5). Der Komponist schrieb diese Stücke 1918 19 zunächst für eine Singstimme mit Klavierbegleitung und widmete sie der Sängerin Elisabeth Schumann. 1941 kleidete er die Lieder dann auch in ein delikates Orchestergewand von Trans parenz und Leuchtkraft, das den lyrisch-beseelten Ausdruck, die Poesie und bildhafte Anschaulichkeit, den melodischen Reichtum der Gesänge womöglich noch überzeugender zur Geltung bringt. Strauss mied in seiner frühen Schaffensperiode zunächst die Opernkomposi tion, mit der er sich später Weltgeltung verschaffte, und widmete sich mit großer Hingabe — in der Nachfolge Franz Liszts, doch bald über diesen hinauswach send — der sinfonischen Dichtung. Straussens sinfonischen Dichtungen liegen stets „konkrete Programme" zugrunde: „Aus Italien", „Don Juan", „Macbeth", „Tod und Verklärung", „Till Eulenspiegel", „Also sprach Zarathustra", „Don Quichote", „Ein Heldenleben", „Sinfonia domestica", „Eine Alpensinfonie". Einen künstlerischen Höhepunkt innerhalb dieser an sich höchst ungleichwertigen Werkreihe erreichte der Komponist mit der genialen sinfonischen Dichtung Till Eulenspiegels lustige Streiche (nach alter Schelmen weise in Rondoform) op. 28, die 1895 in Köln uraufgeführt wurde, wohl Straussens liebenswürdigstes, heiterstes und amüsantestes Stück. Mit Recht sind der geistreiche Humor, der prickelnde Witz, die Ironie, aber auch die Gefühls kraft dieser Musik so berühmt. Einmalig ist die Art, wie der Komponist alle Nuancen der großen Orchesterpalette in diesem musikalischen „Schelmenstück" ausnützt. Die beiden wichtigsten Motive des Werkes sind Tills gemächliche „Schelmen weis", vom Horn angestimmt, die in allerlei Verwandlungen — je nach den Er lebnissen des „Helden“ — refrainartig wiederkehrt, und ein prägnantes, nie überhörbares Klarinettenmotiv, die „Pointe" zu jedem Abenteuer Tills. Und wer Phantasie hat, hört unschwer heraus, was Meister Strauss seinen Till erleben läßt: wie er das Geschirr der Marktweiber von den Hufen seines Pferdes zer schlagen läßt, wie er in Priesterverkleidung vor dem Volke spricht, wie er sich verliebt, schmachtet und einen Korb erhält, wie er sich in „gelahrte" Disputatio nen einläßt und brave Wissenschaftler mit einem Gassenhauer zum Narren hält. Aber damit haben Tills Streiche ein Ende gefunden. Vor Gericht gebracht, wird er nach viermaliger Befragung zum Tode verurteilt (Posaunen und Hörner). Und schon wird Till am Galgen aufgeknüpft (das zerflatternde Klarinettenmotiv deu tet die letzten kläglichen Seufzer Tills an). Das Nachspiel, das den volkslied haften Ton des Beginns wieder aufnimmt, vermittelt die trostreiche Gewißheit, daß der närrische Geist Till Eulenspiegels unsterblich ist und in den Erzählungen des Volkes weiterleben wird. Dr. Dieter Härtwig Richard Strauss: Drei Lieder nach Gedichten von Clemens Brentano AMOR An dem Feuer saß das Kind Amor, Amor und war blind. Mit den kleinen Flügeln fächelt in die Flammen er Und lächelt, fächelt, lächelt, Schlaues Kind. Ach, der Flügel brennt dem Kind! Amor, Amor läuft geschwind, O, wie ihn die Glut durchpeinet; Flügel schlagend laut er weinet. In der Hirtin Schoß entrinnt Hilfeschreiend das schlaue Kind. Und die Hirtin hilft dem Kind, Amor, Amor bös und blind. Hirtin sieh, dein Herz entbrennet, Hast den Schelmen nicht gekennet. Sieh, die Flamme wächst geschwinde, Hüt' dich, hüt' dich vor dem schlauen Kinde! Fächle, lächle, schlaues Kind. ICH WOLLT EIN STRAUSSLEIN BINDEN Ich wollt ein Sträußlein binden, Da kam die dunkle Nacht, Kein Blümlein war zu finden, Sonst hätt ich dirs gebracht. Es flössen von den Wangen Mir Tränen in den Klee, Ein Blümlein aufgegangen Ich nun im Garten seh. Das wollte ich dir brechen Wohl in dem dunklen Klee, Doch fing es an zu sprechen: „Ach tue mir nicht weh! Sei freundlich in dem Herzen, Betracht dein eigen Leid, Und lasse mich in Schmerzen Nicht sterben vor der Zeit.“ Und hätts nicht so gesprochen Im Garten ganz allein, So hätt ich dirs gebrochen, Nun aber darfs nicht sein. Mein Schatz ist ausgeblieben, Ich bin so ganz allein. Im Lieben wohnt Betrüben, Und kann nicht anders sein. ALS MIR DEIN LIED ERKLANG Dein Lied erklang! Ich habe es gehört, Wie durch die Rosen es zum Monde zog; Den Schmetterling, der bunt im Frühling flog, Hast du zur frommen Biene dir bekehrt. Zur Rose ist mein Drang, Seit mir dein Lied erklang. Dein Lied erklang! Die Nachtigallen klagen Ach meiner Ruhe süßes Schwanenlied; Dem Mond, der lauschend von dem Himmel sieht, Den Sternen und den Rosen muß ichs klagen, Wohin sie sich nun schwang, Der dieses Lied erklang. Dein Lied erklang! Es war kein Ton vergebens, der ganze Frühling, der von Liebe haucht, Hat, als du sangest, nieder sich getaucht Im sehnsuchtsvollen Strome meines Lebens, Im Sonnenuntergang, Als mir dein Lied erklang! Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1968/69 — Chefdirigent: Kurt Masur Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Ausbildungsstätte 42339 III 9 5 1,4 1068 ItG 009'91,68 (•Hlharnoomi 5. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1 968/69