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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES H Y G I E N E - M U S E U M Sonnabend, den 28. September 1968, 19.30 Uhr 3. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Kurt Masur Solist: Viktor Jeresko, Sowjetunion, Klavier Sergej Prokofjew 1891-1953 Sinfonie Nr. 3 op. 44 Moderato Andante Allegro agitato Andante mosso PAUSE Peter Tschaikowski 1840-1893 Konzert Nr. 1 für Klavier und Orchester b-Moll op. 2. Allegro Allegro non troppo e molto maestoso con spirito Andantino simplice - Prestissimo - Tempo I Allegro con fuoco VIKTOR JERESKO, Jahrgang 1942, gehört zur jüngsten Generation der sowjetischen Pianistenschule. Seine Studien absolvierte er an der Musikschule und am Konservatorium in Lwow sowie am Moskauer Konservatorium als Schüler von Jakow Flier und L. Wlassenko. Noch dem Ehrendiplom des Unionswettbewerbes von 1961 errang der zielstrebige junge Künstler 1963 mit dem 1. Preis des Marguerite-Longue-Jocques-Thibaud-Wettbewerbes in Paris die erste internationale Anerkennung seiner großen Begabung. Marguerite Longue sprach sich besonders anerkennend über seine brillante Technik aus. Konzertreisen führten Viktor Jeresko, der gegenwärtig als Aspirant am Moskauer Konservatorium bei L. Naumow sein Können vervollständigt, mehrfach nach Frankreich und auch bereits einmal in die DDR, In der SU konzertiert er regelmäßig in allen größeren Städten. ZUR EINFÜHRUNG im Sommer 1927 vollendete Sergej Prokofjew die Oper „Der feurige Engel", deren Libretto er nach einem Sujet Waleri Brjussows selbst gestaltet hatte. Der vollständige Titel des Werkes, der zugleich eine Inhaltsangabe ist, lautete: „Der Feurige Engel oder die wahre Erzählung von dem Teufel, der wie derholt in der Gestalt eines lichten Geistes einem Mädchen erscheint und sie zu veschiedenen sündhaften Handlungen verführt, von der gottlosen Beschäf tigung mit der Magie, Astrologie und Nekromantie, von dem Gericht über das Mädchen, unter Vorsitz seiner Ehrwürden des Erzbischofs von Trier, und über die Begegnungen und Unterhaltungen mit dem Ritter und dreifachen Doktor Agrippa von Nettesheim. Die erzählende Person des ganzen Werkes ist der Ritter Rup recht — ein Mann, dem alle mystischen Vorurteile fremd sind. Er ist ein Humanist und Skeptiker, der Länder bereist und sich an Kriegshandlungen beteiligt. — Die Hauptperson der Erzählung ist die Geliebte des Ritters Ruprecht, Renata, die( von religiös-mystischen Anfällen heimgesucht wird und durch die Folterung der Inquisition umkommt." Da jedoch die Oper außer einer teilweise konzertanten Aufführung (im Frühjahr 1928 in Paris) nicht gespielt wurde (die Uraufführung erfolgte erst 1955 in Vene dig, das Werk ist in der DDR gegenwärtig an der Deutschen Staatsoper in Berlin zu sehen), kam Prokofjew zunächst der Gedanke, aus dem musikalischen Material der Partitur eine sinfonische Suite zusammenzustellen: „Bei dem Ge danken wurde mir klar, daß eine der Zwischenaktmusiken die Verarbeitung der im vorhergehenden Bilde gebrachten Themen bildete. Das konnte den Kern einer Sinfonie ergeben. Beim Probieren erkannte ich, daß sich diese Themen sehr willig in die Exposition eines Sonatenallegros einfügten. Nachdem ich die Exposition und die Durchführung hatte, fand ich in den anderen Akten dieselben Themen, anders gefaßt und für die Reprise geeignet. Von hier aus entstand der Plan des ersten Satzes der Sinfonie wie von selbst. Für das Scherzo und das Andante ergaben sich die Themen gleichfalls mühelos; wegen des Finales schwankte ich einige Zeit. Mit der endgültigen Formgebung, dem Glätten der Nähte und mit der Instrumentierung verging dagegen sehr viel Zeit. Die so entstandene dritte Sinfonie halte ich jedoch für eine meiner wesentlich sten Kompositionen. Ich habe es nicht gern, wenn sie die .Sinfonie des Feuri gen Engels' genannt wird. Das hauptsächliche thematische Material wurde viel mehr unabhängig vom .Feurigen Engel' komponiert. Als es in die Oper einging, nahm es natürlicherweise eine Färbung vom Stoff an, die es beim Übergang von der Oper zur Sinfonie meiner Meinung nach wieder verlor, so daß ich möchte, der Hörer nehme die dritte Sinfonie einfach als Sinfonie ohne jede gegenständliche Vorstellung.“ Die auf diese Weise entstandene Sinfonie Nr. 3 op. 44, in der es dem Komponisten nach persönlicher Ansicht gelang, seine „musikalische Sprache zu vertiefen", wurde dem bedeutenden sowjetischen Komponisten N. Mjaskowski gewidmet und am 17. Mai 1929 in Paris unter Pierre Monteux uraufgeführt. In I den USA dirigierte Leopold Stokowski das Werk mehrmals, und in der UdSSR nahmen es verschiedene Dirigenten in ihre Programme auf. Zweifellos jedoch verdient die Sinfonie, die eine der echtesten, kompromißlosesten Schöpfungen des sowjetischen Meisters darstellt, weitaus größere Beachtung, als ihr bisher zuteil wurde. Nach der geistreichen, eleganten „Klassischen Sinfonie", nach der aus „Stahl und Eisen" geschmiedeten herben zweiten Sinfonie überraschte die „Dritte" durch ihren unerhört dramatischen, leidenschaftlich-tragischen Aus-