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drucksreichtum. „Eine kraftvolle und wildbewegte Erzählung von menschlichem Dulden und Leiden" nannte sie ein Kritiker. „Sie umfaßt vier Sätze in der unge wöhnlichen Tempi-Folge: Moderato — Andante — Allegro agitato — Andante mosso. Im ersten, einem Sonatensatz mit drei Themen, steigert sich die Musik in einem weitangelegten Bogen zu immer intensiverem Pathos, in dem ein lautes, hektisch erregtes und ein elegisch liedhaftes Thema immer dichter miteinander verwoben werden. Skurrile Episoden mit verzerrter tänzerischer Melodik erhöhen die Spannung, die auf ihrem Kulminationspunkt von einem hymnischen Thema unterbrochen wird, das in einen festlichen Bläserchor einmündet. Dann fällt die Spannung allmählich, das erste und zweite Thema klingen noch einmal an, bis der Satz mit leisen, dunklen und fahlen Klängen schließt. Der zweite Satz ist fast ganz von einem Thema bestimmt, das einer herben Trauer Ausdruck ver leiht. Hier klingt die Musik innig, zart und beherrscht, sie schildert das Tragische im menschlichen Leben, den Verzicht auf Freude und Glück mit packender Ein dringlichkeit. In grellem Kontrast schließt sich der schnelle, hastig dahineilende dritte Satz an. Darauf beschließt ein Finale die Sinfonie, in dem drohende Dämonie und schmerzlich klagender Verzicht den Aussagegehalt bestimmen" (H. A. Brockhaus). Wenn auch Prokofjew selbst die Sinfonie „ohne jede gegen ständliche Vorstellung" aufgefaßt haben wollte, so ist doch unverkennbar, daß der Ideengehalt der Oper auch in der Sinfonie wiederbegegnet, naturgemäß in weitaus verallgemeinerter Form. „Die Arbeit geht sehr langsam vorwärts und will mir nicht gelingen", heißt es in einem Brief Tschaikowskis an seinen Bruder Anatol während der Komposition des Klavierkonzerts Nr. 1 b-Moll op. 2 3. „Grundsätzlich tue ich mir Gewalt an und zwinge meinen Kopf, allerlei Klavierpassagen auszutüfteln." Diese Zeilen zeugen von der unerbittlichen Selbstkritik, die der Meister immer von neuem an sich übte, von seiner schöpferischen Unzufriedenheit, die es ihm stets schwer machte, an seine künstlerische Leistung zu glauben. Aber auch der be rühmte russische Pianist Nikolai Rubinstein, Direktor des Moskauer Konserva toriums, dem Tschaikowski das Werk ursprünglich widmen wollte und von dem er technische Ratschläge für die Gestaltung des Soloparts erbeten hatte, lehnte es mit vernichtenden Worten als völlig unspielbar und schlecht ab, was sich der Komponist sehr zu Herzen nahm. Und doch sollte gerade das 1875 beendete b-Moll-Konzert eine der allerbekanntesten und beliebtesten Schöpfungen Tschaikowskis werden. Der Komponist widmete es nach der Ablehnung Rubin steins dem deutschen Dirigenten und Pianisten Hans von Bülow, einem großen Verehrer seiner Musik. „Ich bin stolz auf die Ehre, die Sie mir mit der Widmung dieses herrlichen Kunstwerkes erwiesen haben, das hinreißend in jeder Hinsicht ist", schrieb Bülow, der das Konzert bei der Uraufführung am 25. Oktober 1875 in Boston spielte und es in Amerika und Europa zu größten Erfolgen führte. „Die Ideen sind so originell, so edel, so kraftvoll, die Details, welche trotz ihrer großen Menge der Klarheit und Einigkeit des Ganzen durchaus nicht schaden, so interessant. Die Form ist so vollendet, so reif, so stilvoll —in dem Sinne nämlich, daß sich Abs : cht und Ausführung überall decken." Seitdem ist der große Erfolg diesem an das Erbe Schumanns und Liszts anknüpfenden wie auch Elemente der russischen Volksmusik aufgreifenden und doch ganz persönlich geprägten Werk stets treu geblieben. Eingängige, sinnenfreudige Melodik und originelle Rhythmik, aufrüttelndes, lebensbejahendes Pathos und musikantischer Schwung, stilistische Eleganz und virtuose Brillanz sind die Eigenschaften, die es zu einem Lieblingsstück sowohl des Publikums als auch der Pianisten aller Länder werden ließen. Mit einer außerordentlich schwungvollen selbständigen Einleitung beginnt das Werk, das von Hörnerfanfaren eröffnet wird. Eine durch Violinen und Violon cello vorgetragene, schwelgerische Melodie wird vom Soloinstrument zunächst mit rauschenden Akkorden begleitet, dann von ihm aufgenommen und ausge schmückt und schließlich nochmals original in den Streichern gebracht. Das Hauptthema des folgenden Allegro con spirito ist einem ukrainischen Volkslied nachgebildet, das der Komponist von blinden Bettelmusikanten auf dem Jahr markt in Kamenka bei Kiew gehört hatte. Ihm steht ein innig-gefühlvolles Seiten thema kontrastierend gegenüber. Ein buntes, glanzvolles Wechselspiel zwischen Solopart und Orchester mit mehreren virtuosen Höhepunkten kennzeichnet den Verlauf der hauptsächlich von Motiven des zweiten Themas getragenen Durch führung des Satzes. Lyrisch-kantabel ist der Anfangsteil des in Liedform aufgebauten zweiten Satzes: Von Violinen, Bratschen und Celli zart begleitet, bläst die Flöte eine sanfte, an mutige Melodie. In den lebhafteren, scherzoähnlichen mittleren Teil fand modisches französisches Chanson „II faut s’amuser, danser et rire" (Man mld sich freuen, tanzen und lachen) Eingang. Der Schlußteil führt dann wieder in die verträumt-idyllische Anfangsstimmung zurück. Von sprühendem Temperament, kraftvoll-tänzerischer Rhythmik ist das stark durch ukrainische Volkssmusik inspirierte Finale, ein Rondo, erfüllt. Neben dem feurigen, fröhlichen Hauptthema, dessen Melodie einem ukrainischen Frühlings lied entstammt und das zu wilder Ausgelassenheit gesteigert wird, gewinnt im Verlaufe des Satzes auch das gesangliche, ausdrucksvolle zweite Thema Bedeu tung. Ein hymnisch-jubelnder, wirkungsvoller Schluß beendet das Werk. Dr. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNGEN: 10. und 11. Oktober 1968, jeweils 19.30 Uhr, Kongreßsaal 4. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Lothar Seyfarth Solisten: Leonid Kogan, Sowjetunion, Violine; Nina Kogan, Sowjetunion, Klavier Werke von Haydn, Mozart, Mendelssohn Bartholdy und Schostakowitsch Freier Kartenverkauf 25. und 26. Oktober 1968, jeweils 19.30 Uhr, Kongreßsaal 5. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Kurt Masur Solistin: Sylvia Geszty, VR Ungarn Berlin, Sopran Freier Kartenverkauf Werke von Mozart, Egk und Strauss 27. Oktober 1968, 19.30 Uhr, Landhaus-Saal 2. LANDHAUS-KONZERT Werke von Boccherini, Butting und Brahms Anrecht D und freier Kartenverkauf Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1968/69 — Chefdirigent: Kurt Masur Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Ausbildungsstätte 42099 III 9 5 0,8 968 ItG 009/74/68 »Hlharnnoni 3. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1968/69