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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Freitag, den 20. September 1968, 19.30 Uhr Sonnabend, den 21. September 1968, 19.30 Uhr Sonntag, den 22. September 1968, 19.30 Uhr 2. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Lothar Seyfarth Solist: Amadeus Webersinke, Dresden, Klavier Antonin Dvorak 1841-1904 Sinfonische Variationen über ein Originalthema op. 78 Fidelio F. Finke 1891-1968 Konzert für Klavier und kleines Orchester Mäßig breite Viertel — Etwas fließender Langsam schreitend Etwas breit — Sehr lebhaft Zum ersten Male PAUSE Max Reger 1873-1916 Variationen und Fuge über ein Thema von Mozart op. 132 ZUR EINFÜHRUNG Zu Antonin Dvoraks bedeutendsten Orchesterschöpfungen gehören zwei fellos auch die Sinfonischen Variationen über ein Original thema op. 78, die in deutschen Konzertsälen bisher — ungerechtfertigter weise — nicht die ihnen gebührende Beachtung gefunden haben. Das 1877 ent standene Werk, sein 38. eigentlich, lief in Dvoraks Zählung als op. 40, erschien jedoch als op. 78. Uraufgeführt wurde es am 2. Dezember 1877 in Prag unter Ludevit Prochdzka, blieb danach zehn Jahre unaufgeführt, bis ihm der berühmte Dirigent Hans Richter 1878 in London zu einem außerordentlichen Erfolg verhalf. Der Dirigent schrieb am 17. Mai 1878 an den Komponisten: „Ich bin ganz glück lich über den riesigen Erfolg Ihrer Sinfonischen Variationen. Ein so durchschla gender unbestrittener Erfolg einer Novität ist mir in den hunderten von Concer- ten.die ich schon dirigierte, noch nicht vorgekommen ..Und Brahms überreichte Dvorak im Jahre 1892 in Wien als Anerkennung für die Komposition eine „wun derschöne Cigarrenspitze''. Selbst Tosconini nahm das Werk in sein Repertoire auf. Das den Sinfonischen Variationen zugrundeliegende Originalthema, das in seiner schlichten Chromatik an die Entstehungszeit des „Stabat mater" Dvoraks erinnert, entstammt dem Männerchor „Ja jsem huslär'' („Ich bin ein Fiedler") aus der Sammlung „Sieben Männerchöre". Das Thema, dessen auffallendstes Merk mal die unregelmäßige (siebentaktige) Periodizität ist, wird mit außergewöhn lichen Figurations-, Imitations- und Instrumentationskünsten von Dvorak in 28 stimmungsmäßig wechselnden Variationen mannigfaltig und stets mit tschechi schem Gefühlsgehalt abgewandelt. Der wirkungsvolle, meisterhafte Bauplan des gesamten Variationenzyklus zeigt die Spannweite von Dvoraks schöpferischer Phantasie. Der Ausdruckscharakter der einzelnen Variationen ist bald von sprü hendem Humor erfüllt, bald ernst-nachdenklich, tänzerisch bewegt, feierlich-an dächtig, bald grotesk. Die Variationen beginnen zunächst mit einer Wiederho lung des Themas, dessen Ausdruck dann durch kontrapunktische Begleitstimmen verändert wird. Von der vierten Variation an entfernt sich der Komponist mehr und mehr vom melodischen und rhythmischen Gepräge des Themas, erhalten bleiben lediglich die Grundtonart C-Dur und der ursprüngliche 2 j-Rhythmus. Von der 17. Variation ab wechselt der dreizeitige mit dem zweizeitigen Rhythmus. Von der 18. Variation an werden auch andere Tonarten aufgesucht, während die vorletzte tonartlich und auch thematisch wieder zum Ausgangspunkt zurückkehrt. Das originale Thema wird dann in der letzten Variation breit ausgesponnen. Diese Schlußvariation, ein lebhaftes, frisches Fugato, ist der Höhepunkt und betont auch den tschechoslowakischen Nationalcharakter des Werkes am stärk- AMADEUS WEBERSINKE. der Solist des heutigen Konzertes, wurde 1920 in Jägern- dorf (Nordböhmen) geboren. Er studierte in den Jahren 1938 bis 1940 am Institut für Kirchen musik in Leipzig bei Karl Straube, Johann Nepomuk David und O. Weinreich. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde er 1946 als Dozent für Klavier an die Leipziger Musikhochschule berufen, 1953 erhielt er hier eine Professur für Klavierspiel. Seit 1966 wirkt er in der gleichen Eigenschaft an der Musikhochschule „Corl Maria von Weber" Dresden. Der Künstler, auf Orgel, Clavichord und Klavier gleichermaßen zu Hause, trat bis zum Jahre 1953 vorwiegend als Organist in Erscheinung, seitdem vor ollem als Pianist. Konzertreisen führten Amadeus Webersinke, der 1950 den Bach-Preis und den Nationalpreis der DDR erhielt, bisher in sämt liche Volksdemokratien, nach Skandinavien, in die Sowjetunion, Schweiz, noch Österreich, Westdeutschland, England, Ägypten, Japan. Jurytätigkeiten übte er u. o. in Warschau. Prag, Wien, Budapest, Bukarest aus. Auch an den internationalen Sommerkursen in Weimar war er oft als Dozent beteiligt. Die Pflege des Bachschen Orgel- und Klavierwerkes steht im Zentrum seiner vielseitigen künstlerischen Arbeit. sten, denn im zweiten Teil der Variation erklingen plötzlich die Anfangstöne einer munteren tschechischen Polka und erzeugen eine fröhliche Stimmung. Die Schlußvariation endet mit einer kurzen Stretta von übermütig-froher Laune. Von dem am 12. Juni 1968, vier Monate vor Vollendung seines 77. Lebensjahres, verstorbenen Dresdner Altmeister Fidelio F. Finke, der einst am Prager Konservatorium von dem Dvorak-Schüler Vitezslav Noväk ausgebildet worden war und vor seiner Übersiedlung nach Dresden im Jahre 1945 in Prag gewirkt hatte, erklingt mit dem Konzert für Klavier und kleines Orchester ein bezeichnendes Werk seiner dritten („neusachlichen") Schaffensperiode, in der sich der Komponist bewußt mit den kompositionstechnischen Praktiken der Barockzeit auseinandersetzte, ohne jemals der Gefahr eines bläßlichen „Neo barock" zu erliegen. Das zu den meisterlichsten Schöpfungen Finkes gehörende Klavierkonzert entstand in der Zeit von Sommer 1929 bis Januar 1930 und wurde im Mai 1930 in einem Philharmonischen Konzert im Neuen Deutschen Theater