ZUR EINFÜHRUNG über das Generalthema der diesjährigen philharmonischen Zyklus-Konzerte „Dresdner Musik aus fünf Jahrhunderten“ hat Prof.. Dr. Karl Laux im Konzert plan unseres Institutes für die Saison 1967/68 u. a. folgendes geäußert: „Was wir Dresdner Musiker und Musikfreunde bisher schmerzlich vermissen mußten, wird hier (nicht nur auf dem Papier, sondern als tönendes Beispiel) geliefert: nichts weniger als eine Musikgeschichte der Stadt Dresden. Natürlich kann sie nicht vollständig sein, natürlich mußte eine Auswahl getroffen werden, und sie mag recht schwer gefallen sein. So reich an wichtigen Ereignissen und Ergeb nissen ist diese Geschichte, mit der sich kaum eine andere Stadt in der DDR vergleichen kann. Und auch im Ausland wird es wenige Städte geben, die sich in der Musikgeschichte mit unserem Dresden an Reichtum und Vielfalt messen können." Sie hören also in dieser Spielzeit, verehrte Besucher unserer Zykl^^ Konzerte, Werke, die bzw. deren Schöpfer in irgendeinem Zusammenhang S Musikgeschichte unserer Stadt stehen oder gestanden haben. Dabei werden Sie Bekanntem und Unbekanntem begegnen, Altem wie Neuem, Vergessenem und Unvergessenem. Sie werden Gelegenheit haben, manche Entdeckungen zu machen auf diesem Spaziergang durch die klingenden Schätze aus fünf Jahr hunderten Dresdner Musikkultur. Und Sie werden einmal mehr bestätigt finden, daß Dresden eine der traditionsreichsten und führenden Musikstädte der Welt ist und — so hoffen wir — am Schluß der Konzertreihe mit uns sagen, daß dieser ungewöhnliche Spaziergang für alle Beteiligten ein lohnender war. Am Beginn des ersten Konzertes erscheint der Name eines Musikers, der als der bedeutendste tschechische Komponist des Barocks gilt, ein Großteil seines Lebens aber in Dresden gewirkt hat: Jan Dismas Zelenka, dessen Instrumental musik gerade in letzter Zeit verdiente Aufmerksamkeit gefunden hat. Geboren 1679 in Lounovice (Böhmen), war er nach erster musikalischer Unterweisung durch den Vater Zögling des Prager Jesuitenkollegs, kam 1710 als Kontra bassist an die Dresdner Hofkapelle, studierte 1715 bei J. J. Fux in Wien Kontra punkt und lockerte 1716 bei A. Lotti in Venedig seinen strengen Stil auf. 1721 ernannte man ihn in Dresden zum Vizekapellmeister der Kirchenmusik. Er gehörte neben dem Hofkapellmeister J. D. Heinichen und dem Italiener G. A. Ristori zu den führenden Persönlichkeiten des Dresdner Musiklebens zur Zeit: August des Starken, d. h. der Vor-Hasseschen Ära. Wie Ristori versuchte er 1729 vergeblich, Heinichens Nachfolger zu werden. Alles wartete schon auf Hasse, in dessen Schatten, zurückgezogen und wenig beachtet, er nach 1734 bis zu seinem Tode am 23. Dezember 1745 in Dresden lebte. 1735 war er noch zum „Kirchen- compositeur“ ernannt worden. Auf diesem Gebiet, mit ca. 20 Messen, einem großartigen Requiem, einem Magnificat (das Wilhelm Friedemann Bach seinen Vater kopierte), drei Oratorien und vielen anderen Kirchenstücken, er wohl auch sein Bestes gegeben (die Sächsische Landesbibliothek besitzt zahlreiche Kirchenkompositionen des Meisters, die der Entdeckung harren). Übrigens legte Zelenka in Dresden eine Art Stil-Enzyklopädie an, indem er die berühmtesten geistlichen Tonsätze alter Meister kopierte, die ihm zu gelehrten Studien dienten. Zur Krönung Karls VI. 1723 in Prag zum böhmischen König schrieb er die Schuloper „De sancto Wenceslao". An Instrumentalwerken schuf er Ouvertüren, Suiten, Capriccios, Intraden, Märsche, Sonaten, ein Concerto, eine Sinfonie u. a. Längst noch nicht sind alle seine Kompositionen aufgefunden worden. Die Orchestersuite F-Dur vereinigt fünf musikantische Stücke, in denen melodi scher Erfindungsreichtum, harmonische Phantasie sowie ein volksnaher Zug begegnen. Eine dreiteilige französische Ouvertüre mit pompös-festlichem Ein leitungs- und Schlußteil und einem lebhaften fugierten Mittelteil eröffnet das Kurt Masur, der neue Chefdiri gent der Dresdner Philharmonie, wurde 1927 in Brieg (Schlesien) geboren. Sein Musikstudium be gann er an der damaligen Landesmusikhochschule Breslau und schloß es 1946 bis 1948 an der Hochschule für Musik in Leipzig ab, u. a. bei den Pro fessoren H. Bongartz und K. Soldan (Dirigieren). Als Solo repetitor und Kapellmeister ging er zunächst an das Landes theater Halle, 1951 als erster Kapellmeister an die Städti schen Bühnen Erfurt und 1953 an die Städtischen Theater Leipzig. 1955 bis 1958 war er als Dirigent an der Dresdner Philharmonie tätig — seitdem den Dresdner Musikfreunden in bester Erinnerung — und wurde darauf als Generalmusikdirek tor und musikalischer Oberlei ter an das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin berufen. 1960 bis 1964 wirkte er als Chef dirigent an der Komischen Oper Berlin, der er auch als Gastdiri gent neben seiner freiberuf lichen Dirigententätigkeit ver bunden blieb. Kurt Masur gastierte bisher u. a. mehrfach in Polen, Finnland, in der So wjetunion, in Belgien, Ungarn, in der CSSR (so dreimal zum „Prager Frühling"), in Bulgarien, Rumänien — und in jüngster Zeit — in Italien. Im Rahmen dieser Gastspiele dirigierte er führende Klangkörper der ge nannten Länder, wie zum Bei spiel die Moskauer und Lenin grader Philharmonie, die Warschauer und Budapester Philharmonie, das Orchestre National Belgique, das Mos kauer Rundfunkorchester, die Slowakische Philharmonie und viele andere mehr. Ferner machte er zahlreiche Rundfunk aufnahmen, darunter sechs Opern-Gesamtaufnahmen und etwa einhundert sinfonische Werke. Walter Hartwich, der Solist des heutigen Konzerts, wurde 1932 in Braunau (CSSR) geboren. Er erhielt seine musikalische Aus bildung bei Prof. Gerhard Bosse an den Musikhochschulen Wei mar und Leipzig, später bei Prof. György Garay. Nach dem Examen war er vier Jahre beim Staatlichen Sinfonieorchester Halle und drei Jahre beim Rundfunksinfonieorchester Leip zig als Konzertmeister tätig. Seit September 1962 wirkt er als 1. Konzertmeister der Dresdner Philharmonie.