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Zschopauer Tageblatt und Anzeiger : 02.05.1938
- Erscheinungsdatum
- 1938-05-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1780077211-193805026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1780077211-19380502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1780077211-19380502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Zschopauer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1938
-
Monat
1938-05
- Tag 1938-05-02
-
Monat
1938-05
-
Jahr
1938
- Titel
- Zschopauer Tageblatt und Anzeiger : 02.05.1938
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Montag, den 8. Mai 19Sk Haltung und eure Leistung den eurer FUynmg anverrraulen schasfcudcu Menschen gebt, sichert euch eine ständige Einsatz bereitschaft. Das Leben bringt eindeutig den Beweis, daß unser soziales Wollen in sich birgt gesundeste und erfolgreichste Ordnung des ArbcUslebcns. Tausende sind aus dem besten Weg, „Muster betrieb" zu werden. Nach Beendigung dieses ersten „Leistungs- kampses oer deutschen Betriebe" konnten in diesen Tagen ins- gesamt 1683 Betriebe durch die Gauleiter der NSDAP, mit dem „Gaudiplom für hervorragende Leistungen ausge zeichnet werden. Der Rcichsorganisationsleiter der N^DAP. verlieh 266 Leistungsabzeichen. Schrittmacher für Zehntausende 163 Betriebe, kleinste und größte, privat« und Betriebe der Deutschen NeichSpost, nennen wir heute „vollkommene national sozialistische BetriebSgcmeinslllaften". Der Führer persönlich ehrt sie und hat ihnen für das Arbeitsjahr 1938/39 die Aus zeichnung „Nationalsozialistischer Musterbetrieb" verliehen. Sie werde» alle Schrittmacher sein für die Zehn- lausende, die ihre Meldung zum zweiten „Leistnngskamps der deutschen Betriebe" vollziehen und mit -diesen gemeinsam schassen, daß bald das Ziel des Führers verwirklicht ist: die ganze deutsche Wirtschaft ein „Nationalsozia listischer Musterbetrieb". Sie Erkenntnisse de- Leifiuna-kampfe- Ncichsorganisaiionsleiter Dr. Ley faßte die grundsätz- tichen Erkenntnisse, die der Rechenschaftsbericht über den erste» LcistungSlampf der deutschen Betriebe vermittelt, dahin zusammen: Der Bericht beweist, daß Arbeiter und Unternehmer eingesehen haben, daß sie zusammengehören. Er beweist, daß die Lebensfreude und die Lebenshosfnung an der Werkbank wieder zu Hause sind. Es stellt der Bericht muer Beweis, daß man nicht mit Verordnungen, Paragraphen und Gesehen etwas «»geordnet habe, was von Aengstlichcn befolgt, von der Mehrzahl aber innerlich abgelehnt werde: er stellt klar, daß nicht etwa irgendeine Organisation wie die Deutsche Arbeits- sront das alles aufgebaut hat, sondern beweist, daß in den Menschen im Betriebe die gestaltenden Kräfte gelöst wurden und als Schöpferkraft am Werke sind. Schließlich be weist der Bericht, daß nur der Wettkampf fähig ist, den Kampf- aedanken im Menschen in edelster Form zu wecken und zu er halten. Nachdrücklich betonte Dr. Ley, daß in diesem Wettkampf der deutschen Betriebe nicht das Geld allein entscheidend ist. Gerade in solche Betriebe, bei denen die Arbeitsbedingungen von Natur aus ungünstig und häßlich seien, müßte man alle Sonne leiten, die ei» Volk hat! Die Musterbetriebe, die die Auszeichnung erhalten haben, erbrachten den Beweis, daß auch in solche» U»ter»chmunge» vorbildliche Bedingungen geschaffen werden könne». Dr. Ley begrüßte dann den Stellvertreter dcS Führers, Reichsminister Rudolf Heß, und bat ihn, die hohe Auszeichnung den 1l)3 nationalsozialistischen Musterbetrieben zu verleihen. Unter stürmischem Beifall richtete dann Rudolf Heß das Work an die Betriebssichrer und Brtriebsobmänner der national sozialistischen Musterbetriebe. probuktionsstejgerung durch Leistung Reichsminister Rudolf H e ß bezeichnete die durch den Leistungskampf eingeleitete Entwicklung als neue Epoche in der Wirtschaftsgeschichte der Welt. Hier sei der praktische Beweis für die Umsetzung der neuen Gedanken des Nationalsozialismus in die Tat erbracht worden. Im ein zelnen führte Rudolf Heß unter anderem aus: Es wird die Zeit kommen, da wird in Deutschland kein größerer Betrieb mehr denkbar sein, in dem nicht das meiste von dem Selbstverständlichkeit ist, was heute nur auf einem Musterbetrieb verwirklicht wurde. Wir wissen, daß in den ver gangenen Jahren über manche geradezu Entsetzen kam, als sie merkten, daß der Nationalsozialismus es nicht bei Worten be wenden läßt, sonder» seinen Worten Taten folgen. Den prak tischen Beweis dafür, wie unberechtigt diese Angst war, haben alle diejenigen erbracht welche in den Betrieben die neuen Gedanken des Nationalsozialismus in die Tat umsetzten — diesen praktischen Beweis haben vor allem die'enigen erbracht, die ausgezeichnet wurden mit dem Ehre»:-' ' - s „National ¬ sozialistischen Musterbetriebs". Eine Katastropue ist num «n^ getreten! Im Gegenteil: Die Wirtschaft ist stärker denn j« aufgebläht, und das Volksvermögen hat sich in nicht geahntem Maße erhöht. Wir grüßen, indem wir Adolf Hitler, den ersten Arbesje» des Reiches, grüßen, di« Gemeinschaft des arbeitende« t>M- fchen Volkes. Der Stellvertreter des Führers schloß sein« «»sprach« «Ut dem Sieg-Heil «es den ersten Arbeiter der Nation, den FÜMr Adolf Hitü^ in das di« Tagungsteilnehmer begeistert M- stimmten, Englisch-französischer Schritt in Berlin, Warschau und Prag? Zur Lösung der sudetendeutschen Frage Triumph für Chamberlains Realpolitik und Bestäti gung der Achse London—Paris, die militärisch und wirt schaftlich gestärkt worden sei, so faßt die amerikanische Presse das Ergebnis der französisch-englischen Minister besprechungen in London zusammen. Auch in der eng lischen Presse wird bei einem Rückblick auf die Besprechun gen in erster Linie die neue militärische Zusammenarbeit zwischen England und Frankreich hervorgehoben, andere Blätter jedoch stellen Mitteleuropa und die tschechoslowa kische Frag« an die Spitze ihrer Betrachtungen. Die Londoner Zeitung „Times" unterstreicht die volle Uebereinstimmung zwischen beiden Regierungen und teilt mit, daß in naher Zukunft in Form von Sachver- iändigenberatungen die Maßnahmen znr Gleich- chaltung der Streitkräfte beider Länder er- ölgen würden. Ferner soll eine entschlossene Anstrengung gemacht werden, um eine friedliche und geregelte Be reinigung in Mitteleuropa und besonders in der Tschecho slowakei zu finden. Man habe eingesehen, daß das Problem der deut schen Minderheit in der Tschechoslowakei weit davon ent fernt sei, Benesch allein anzugehen. Deshalb sollen neue diplomatische Annäherungsversuche in Prag und insbe sondere in Berlin und Warschau gemacht werden, um allen betroffenen Parteien zu helfen. „Daily Mail" erklärt, in den Besprechungen sei Beneschs Plan als unzureichend für Verhand lungen in der sudetendeutschen Frage erkannt worden. Im übrigen habe England den französischen Minister klar gemacht, daß es aufkeinen Fall neue Verpfich- tungen im Ausland übernehmen könne. Das sei ein Beschluß, den das englische Volk sehr begrüßen werde. Einig« don dm ay-gezeichneten 103 Unter den Uw Betrieben, denen die Auszeichnung „Nationalsozialistischer Musterbetrieb" für das ArbeltSjahr 1SS8/SS zuerkannt worden ist, befinden sich unter anderem folgende, -um großen Tett im ganzen Reich brannte Betriebe: R. Stock L To., Spiralbobrer, Berltn-Marienfeld«, Ber liner Kindl-Brauerei, A.-G., Berlin, Schultheiß-Pahenhofer- Brauerei, A.-G., Benin, Maggi-Werke, G. m. b. H., Berlin, Rheinisch-Westfälisch« Elektrizitätswerke, A^S., Wesel, -ein- rich Franck Söhne. G. m. b. H., Kaffee-Ar- «nd .Ersatzfabrik, Halle, Dyckerhoff-Portland-Zementwerke, A.-G., Mainz-Amöne burg, Gebrüder Stollwerk, A.-G.. Köln, Fieseler Flugzeugbau. T. m b. H., Kassel-Bettenhausen, Junkers Flugzeug- und Mo torenwerke, Aktiengesellschaft, Flugzeugbau Stammwerk Dessau, Dessau, Bereinig«, Glanzstoffabriken. A.-G., Werk Obernburg am Main, Landgut Hof Malchow, Landwirtschaftlicher Betrieb, Malchow, HauS Neuerburg, Zweigniederlasfung München, Post amt Berchtesgaden, Leipziger Wollkämmerei, Leipzig, Preu- bische Bergwerks- und Sutten-A.-G., Kaliwerk Bleicherode, Berlin-Suhler Wassen- und Fahrzeugwerke, G. m. b. H., w der Wilhelm-Gustlofs-Stiftung, Suhl, Dr. August Oetker, Bielefeld, Bochumer Verein für Gußstahlfabrikation, A.-G.. Bochum. Erhöhte Arbeitsfreude - erhöhte Leistung Dem Nationalsozialismus blieb r» Vorbehalten. d«u pr<- duktionsmindcrnden Kampf auszuschalten, di« Kraft aller Schaffenden, gleichgültig ob Arbeitnehmer oder Arbenge^r, zusammenzufaßen zur erhöhten Arbeitsleistung im gemein samen Interesse! Der Nationalsozialismus mobilisierte dU Liebe znm gemeinsamen Werk und zum gemeinsam«« Voll, dem jeder zu dienen hat, dem er vor allem zu dien«« hat durch seine tägliche Arbeit! Und der Nationalsozialismus erhöht« die Arbeitsleistung durch die Erhöhung der Freude an de» Arbeit. Er erhöhte sie durch di« Verbesserung der Arbeits bedingungen mit all ihren Folgen, besonders mit den Folge« für die Gesundheit deS schaffende« Menschen. Vielleicht wird da und dort »ntgegengehalten, der «tnzeln« merke in seinem Lohn oder Gehalt nur wenig von der Pro- duktlonserhöhung. Jedoch: das Schwimmbad im Betriebe, di« Erholungsstätten, die vrrbesserung der Arbeitsverhöltuisse — sind sie nicht bereits «mgesetzte Produkttousergebntsie, di, dem einzelnen al« Teil der Gemeinschaft seines Wmckis p«gut« kommen? WaS vtr Produktionsstelg«r»«g auch für de, einzelne« bedeutet, das würoe er erst ganz ermessen, wenn das Haupt ergebnis dieser ProdukttorrSsteigerung nicht vorhanden wäre, nämlich die Waffen Mtserer Wehrmacht, und ein Feind unfe- res Bolles widerstandslos in Deutschland etnmarschirrte! Oie Arbeit schuf die Wehr Wir Deutsche haben einen furchtbaren Anschauungsunter richt hinter uns, was es bedeutet, wehrlos zu sein, und welche Bedeutung diese Wehrlosigkeit für den einzelnen wie für die Gesamtheit auch auf wirtschaftlichen Gebiet hat. Wir wissen, daß das Beispiel unseres inneren Friedens, nicht zuletzt das Beispiel des Arbeitsfriedenö und des sozialen Fortschritts, vielen draußen ein Dorn im Auge ist: besonders denen, die Nutznießer sind der inneren Zerrissenheit der Völ ler. Sie haben Angst, daß das Beispiel Deutschlands über- greifcn könnte auf andere. Wir wissen, daß die vorbildliche Entwicklung in Deutschland — die nur mit der italienischen noch verglichen werden kann — den bolschewistischen Hoffnun gen, Deutschland zur nächsten Etappe der Weltrevolutton zu machen, den entscheidenden Schlag versetzte. In Deutschland wären längst Krieg, Mord und Terror wie In anderen Teilen der Welt, wenn sein Friede nicht geschützt werden würde durch seine Wehrmacht! Das Wunder des Werdens dieser neuen Wehrmacht aber war nur möglich dank der gewaltigen Ar beitsleistung, die das deutsche Volk in wenigen Jahren voll brachte, deren höchster Ausdruck unsere Armeen mit ihren Ge schützen, Tanks, die Flaks und Flugzeuge, die Kampfschisfe unserer Marine sind. Ich weiß, daß jeden Schaffenden in Deutschland «S mit höchstem Stolz erfüllt, sich bewußt sein zu können der Tat sache, daß er beiträgt durch seine Arbeit zum Schutze seineS Volkes, denn direkt oder indirekt Hilst der Ertrag der Arbeit eines jeden mit zum Aufbau und Erhalt dieses Schutzes. Beschirmt von unserer Wehrmacht, werden wir weiter schassen! Im Großen wie im Kleinen werden wir die sozia len Errungenschaften weiter auSbauen, werden wir weiter im mer mehr Betriebe zu Musterbetrieben umgcstalten. Fahnen -es Siegeszuges -es -eutschen Sozialismus Die Fahnen, die den Musterbetrieben des Jahres 1937/38 überreicht wurden, sind Fahnen, die dem Siegeszug des deut schen Sozialisnius voranleuchten. Ich übergebe diese Fahnen im Namen des Mannes, dem die deutschen Arbeiter, dem Be- triebsführer und Gefolgsmänner die große Entwicklung dan ken, die auch sie im Rahmen ihres Volkes haben erleben dür fen. In der vollbrachten Leistung, für die sie heute als natio nalsozialistische Musterbetriebe ausgezeichnet werden, sehe ich den sichtbaren Dank, den sie dem Führer abstatten. Mehr noch als die Svmbole der Arbeitsehre zeichnet sie das Bewußtsein aus, wiederum in einem Jahr der Pflichterfüllung für den Führer zugleich ein Jahr des Dankes für den Führer in schaffender Arbeit hinter sich gebracht xu haben. wer ist Hilde Hild? von Josef Rie »er. Copyright by Prometheus-Verlag I)r. Llchacker, Gröbenzell b. München. Nm drei Uhr nachmittags traf der Schnellzug in Rad- padt ein. Der Hotelautobus, in großer gelber Wagen, stand schon wartend vor dein Bahnhof, aber nur ein einziger Fahrgast blickte sich nach dem Chauffenr um, der eben eilig ans dem Wartcraum auf ihn zu kam und fragte: „Herr Dr. Spielvogel?" „Ja!" „Steigen Sie bitte ein Wit fahren gleich. Ich schaue nur noch, ob Post da ist." Er nahm dem Fahrgast den Kösser aus der Hand und schob ihn unter den Sitz. Dann ging er wieder ins Bahnhofsgebäude zurück, während der Doktor indes in einem der beguemen Ledersessel des Wagens Platz nahm. Es war ein trüber Tag, Regen nieselte, alle Berge ringsum hatten dicke Federbetten um die Ohren gezogen. Im halb erfrorenen Grün zeigten dann und wann sich Primeln und silberne Palmkätzchen. Das war alles, was der Frühling aufzuweiscn hatte. Dem einsamen Fahrgast schien das schlechte Wetter nichts anzuhaben. Er summte fröhlich vor sich hin, rekelte sich faul auf seinem Sih und blickte den Bauernweiblein nach, die zur Ortschaft die Straße entlang stapften. Der Chauffeur kam zurück. Sie fuhren ab. Der Wagen durchgucrte das weite Taurachtal, an fetten schwarzen Aeckeru und üppigen Waldhängen ging es vorbei, die Tanernhöhe empor. Bald bog der Wagen auf einer gut gepflasterten Straße in einen hohen stämmigen Fichten- und Lärchen- w ld ein. Da, in einer Lichtung lag schon das Hotel, anmutig vor steil ansteigenden Bergwald gestellt. Offenbar war es ehemals Jagdschloß eines erzbischöflichen Hofmannes ge wesen. Der etwas zöpfige nüchterne Barockstil war gott lob durch lebhafte Farben gemildert. Wirklich, man verstand sich im Hotel „Edelraute" »nf richtige Aufmachung: Eine sehr gemütliche Eingangs halle mit Eichentäfelung und Jagdtrophäen, ein Stcin- kamin, in dem Lärchenschcite brannten... Der Pförtner überreichte dem Ankömmling den Schlüssel seines Zimmers und trug sciucn Namen ins Fremden buch cm: „Dr. Philipp Spielvogel, praktischer Arzt aus Wien." Neber eine breit«, barocke Pruuktreppe folgte Philipp den, Hausdiener, der seinen Koffer trug, in den ersten Stock. Sein Zimmer war modern ringerichtet, hoch und geräumig. Philipp wusch sich Hände und Gesicht und be gann dann ausznpacken Schau nach einer Stunde lag er auf dem Sofa und überflog ein etwas veraltetes, aber sehr gutes medizinisches Werk über Giftkunde. Wenn das Wetter so weiter blieb, würde er in zwei oder drei Tagen mit dem Schmöker fertig werden. Aber was dann? Während des Kaffees im Speisesaal hatte er fest- stelleu können, daß die Mehrzahl der Gäste Damen waren, acht von zwölf. Waren etwa die Herren alle aus den Skiwiesen bei diesem Wetter? Wenn nicht, so ließ sich irgendein Flirt nicht vermeiden. Schließlich war es nicht zu verwundern, daß im ganzen Hause gähnende Langeweile dunstete und das Auftreten eines neuen Gastes wie eine Sensation wirkte. Philipp beschloß, sich abends nach dem Essen nicht in die Tanzbar zu begeben, sondern gleich in sein Zimmer zu gehen und den Abend mit der alten Giftkunde und ein paar Glas Schwedenpunsch zu verbringen. Als er am nächsten Morgen die Fensterläden aufstkeß, entdeckte er, daß sich das tropfende Nieseln des Vortages in einen richtigen Landregen verwandelt hatte. Was wollte er anfangen? Nachdem Philipp im Lese zimmer die alten und neuen Zeitungen und Zeitschriften durchgeblättert hatte, beschloß er, sich ein wenig im Hause umzusehen. Er wanderte durch die Gesellschafts- nnd Speiseräume des Erdgeschosses und den breiten Kor ridor des ersten Stockes. Eine schmale Treppe am Ende des Ganges führte ins Dachgeschoß. Der Korridor endete an einem der großen Mansardenfenstcr. Hier standen zwei Korbstühle und «in Tischchen, auf dem ein Stoß ver gilbter Hefte lag. An den Wänden hingen zwei Bilder, zwei ganz nette Diedermeierbilder, Porträts. Philipp trat näher und — erschrak. Das war doch, ja, wer war das nur? Dieses Gesicht hatte er doch schon einmal gesehen! Er suchte den Namen des Malers und steU-e fest: Fürenbolzer, ein Salzburger wahrscheinlich. Das Bild stellte eine Frau von etwa fünfundzwanzig Jahren dar, die ihre tiefschwarzen Haare in der um ständlichen Mode des Freistils frisiert hatte und hohe Knoten mit gerollten Seitenrollen trug. Das Gesicht war von einer ungemein eindrucksvollen Schönheit. Schwarze Angen unter dünnen, hochge- schwnngenen Brauen, eine gerade Nase über einem Mund niit vollen Lippen. Eine fast wild wirkende Schönheit, die der schmeichelnde Maler selbst mit den feinsten Mitteln nicht zu verbessern vermocht hatte. Philipp war ganz sicher, einmal eine Frau mit dem gleichen, oöer zumindest ähnlichen Gesicht gesehen zu haben. Eingehend prüfte er das Gemälde dieser Frau, die um die Jahrhundertwende geboren sein mußte. Laugsam ging er die Treppen wieder hinunter in die Halle »nd fragte den Geschäftsführer, woher das Bild stamme und Ive« es darstelle. Der Geschäftsführer war verwundert. „Das muß vom Boden sein: denn die Bilder, dir wir für das Hotel eigens gekauft haben, kenne ich alte. Das Bild, das Sie meinen, muß von dem früheren Be sitzer des Hauses stammen." „Und wer war das?" „Das war eine Familie Voltelink. Soll früher ein mal sehr reich gewesen sein. Diese ganze Umgebung, fast bis zum Tweng hinunter, hat einmal ihr gehört. Zum Schluß blieb nur das Schloß hier übrig, aus dem wir 1W eilt HM geig acht havm." ' „Ist vielleicht jemand unter dem Personal, der diese Voltelini näher kennt?" „Vielleicht weiß die alte Wabi etwas, unsere Wäsche- Halterin." Gleich aber besann sich Dr. Spielvogel. Dann beschloß er kurzerhand das Bild photographieren zu lassen. Er ließ Platten für seine Kamera kaufen und einen Gelbfilter, er machte mehrere Aufnahmen und ließ sie entwickeln. Als er die alte Frau Wabi oben in ihrem ArveitS- stübchen aufsuchte und von der jungen Frau mit der Biedermeicrfrisur erzählte, vernahm er: „Das es oane von de Voltelini, denen wo früher dös Haus g'hört hat, dös is g'wiß, aber welchen von oana, dös kunnt i beilei net sag'n. De junge Frau, de hab i selber keimt, de is net, 's wird Wohl die Muattev vou der Junge sei, oder d'Großmutter." „Die junge Frau, von der Sie gesprochen haben, lebt die noch?" Die Alte kicherte. „Mei Good, liaber Herr, de is ja aa scho lang g'storbn; ü' junge Frau, lang bevor der Krieg g'wcn is, sei im Achterjahr oder no früher!" „Und hat die junge Frau Kinder gehabt? Eine Tochter?" „Freili, frei'!, wor a Tochter da, es iS aber scho als a klau ins Institut kumma, nach Salzburg außi, is a scho g'storben, de Tochter, dö hab i nur als ganz klans Kind g'sehn, de Tochter von da Junge, aber der Pfarrer, Herr, der Pfarrer von Tweng, der kunnt Eahna mehr sagn, der hat's ja alle tauft, dö Boltelinischen." Freilich, der Pfarrer! dachte Philipp, von dem würde man noch am ehesten Auskunft erhalten können. Die alte Wabi da wußte offenbar auch nicht viel, aber immerhin hatte er erfahren, daß es eine Tochter gegeben hatte, deren Alter mit dem seines Erinnerungsbildes ungefähr übereinstimmte. Sie konnte ganz gut der Großmutter oder Urgroß mutter des Bildes ähnlich sehen, aber — sie war ja ge storben, sagte die Alte. „Wissen Sie, Frau Wabi, wann diese Tochter geboren wurde und aestorben ist?" ^Fortsetzung folgtf.
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