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Lfchsxansr rsA.':«rtt Ouzeigcr Keim IOliv« -er Mskmß Tie Felerohmd-Schau lebt in mannigfachen Artikeln, die führende deutsche Zeitungen veröffentlichen, nach. Seit Wochen werfen sich einzelne Blätter gewichtige Themen und Argumente zu. um die Problematik der Volkskunst zu erörtern. In diesem Zusammenhang sind treffliche Meinungen ausgesprochen worden, die weiter getragen werden sollten; eS wurden aber auch Folgerun gen ausgestellt, die von irrtümlichen Auffassungen aus- gehen. Tie Diskussion begann mit einem Aufsatz, in dem ge fragt wurde, ob Volkskunst zu teuer sei; schon in dieser Fragestellung lag ein Mißverstehen, das namentlich der erzgebirgischen Situation nicht gerecht wurde. So man es grundsätzlich sehen will, müßte man sich vielleicht zu der Anschauung bekennen, daß für Erzeugnisse dieser Gattung überhaupt kein Preis bestehen dürfte, es sei denn ein zufälliger. Denn der Arbeiter oder Bauer, der seine Freizeit benutzt, um irgendwelche künstlerische For men zu entwickeln, müßte dies nur zu seiner Muße und zu seiner eigenen Freude tun. Sobald er gewerbliche Absichten verfolgt, verliert das Werk in einem gewissen Sinn den volkstümlichen Charakter. Dieser strenge Maßstab hat seine Geltung verloren, seit die Volkskunst in Mode kam. Seit ein Bedarf be steht: das Beispiel Oberammergau gibt hier vielleicht gründlichsten Aufschluß. Die Herrgottsschnitzer der bäu rischen Berge waren einmal Feierabendkünstler; nun ist der Umgang mit Holz und Messer zu ihrem Beruf ge worden. Diese Entwicklung hat sich beinahe allgemein durchgesetzt, und darum wäre es ungerecht, hiermit das Ende der Volkskunst zu beweisen. Sachsen kann einen, wenn freilich anders gelagerten, Parallelfall aufzeigen. Die Spielzeugmacher von Seiffen, Olbernhau und Grünhainichen gehen mit ihrer Produktion einem Broterwerb nach. Wer aber wollte bestreiten, daß sie eine bestimmte, allgemein vorhandene Begabung be sitzen? Eine Begabung zu volkskünstlerischem Schaffen, die sich in ihrer Leistung fortwährende Bestätigung er wirbt? Tas Erzgebirge kann jedoch noch eine andere, ein zigartige Tatsache reklamieren: in seinen westlichen Be zirken lebt die verbreitetste wirkliche Volkskunst, die auch an den skizzierten präzifen Richtlinien gemessen werden kann. Die Schnitzer, die den „Feierohmd" beschickt hatten, waren zum überwiegenden Teil '^r, Männer, di« tagsüber an Maschinen und Ha "äten stehen, um ihren Unterhalt zu verdienen. ratspreis- träger Albert Hänel aus Lauter, ist C.. iler, der Staatspreisträger Tümpel arbeitet in einer -.mihfabrik. An diesen Beispielen zeigt sich die Verwurzelung ihres volkskünstlerischen Tuns in Alltag und Volks- 1 u m. Es bleibt die Gefahr, daß diese Inseln wirklicher Volkskunst allmählich von modischen, ja, konjunkturellen Einflüssen ergriffen werden und ihre Eigenart verliereg- Das Heimatwerk Sachsen hat bei aller Pratschen Arbeit stets versucht, diesen Tendenzen^ rnfgegenzutreten. Wo Fcierabcndschnitzer mit^tztzm-^lan spielten. Bildhauer zu werden und von Erlösen dieser Tätigkeit zu leben, wurde regel^v-M^ — und mit Erfolg — versucht, hiervon abzura'len. Gerade die erzgebirgische Volkskunst ist eine so überzeugende Bestätigung gesundet Volks tum skr äste, daß eine Verpflichtung darin liegt, sie in diesen Formen zu erhalten. Gerade Henle, da die starke Neigung besteht, solche Werte in falsch ver standener Weise zu übertragen, sie an Plätze zn verpflan zen, an denen sie nicht gedeihen können, ist es eine um so ernstere Aufgabe, für den Bestand der zwang los gewachfenen Brauchgüter einzutreten. Dazu gehört nicht allein das Schnitzen, ein anderer Fall, der sich aus der Praxis der Feierabendarbeit er gab, muß in diesem Zusammenhang genannt werden. Um für die Schwarzenberger Ausstellung zu werben, waren einige Schwibbögen in Berlin ausgestellt: in Schaufenstern, die an Brennpunkten des Verkehrs gele gen sind. Viele, die an diesen wundersamen Meisterwer ken gcbirgischcr Schmiedckunst Gefallen fanden, schrieben auf Umwegen an die Ausstcllungsleitung oder an das Hcimatwcrk, um zu erfahren, wo diese Stücke erhältlich sind. Es mag erinnerlich sein, daß die Nachbildung deS Schwibbogens verboten wurde, und es mag unverständlich gewirkt haben, daß dies geschah. Auch hier ging es um die Erhaltung eines landschafts- und volkskunstgebundenen Shmbols, eines weihnachtlichen Wahrzeichens der erzgebirgischen Bergleute. Es sollte verhindert werden, daß sich hieraus ein kunstgewerblicher Gegenstand entwickelte, der um irgendeinen Preis in ir gendwelchen Läden verkauft würde. Die echten Zeichen des Volkstums, die wirklichen Leistungen der Volkskunst müssen vor einer Inflation bewahrt bleiben. Was vor wenigen Tagen von unterrichteter Seile gegen das Ueberhano- nehmen von sogenannten Bauernstuben in Großstidt- wohnungen gesagt wurde, gilt mit noch stärkerer Beto nung für dieses Kapitel. Gerade Sachsen ist hieran maß geblich beteiligt, denn es hat in höchstem Ausmaß solche Volkstumswerte zn wahren. Es ist darum befriedigend, zu wissen, daß eine Ausstellung erzgebirgischer Volks kunst diese Probleme wieder erweckt und in das öffent lich« Blickfeld gestellt hat. h. n. Sine klärende Feststellung Unter dieser Ueberschrlft wird in dem Amtsblatt des Neichsjustlzmlnistcrs „Deulsche Justiz", folgendes veröfsem- llcht: „Vor einiger Zeit brachte eine verbreitete Zeitschrift die Nachricht, der Oberlandesgerichtspräsident Tr. Hünncr in Dresden habe bewillig«, daß ein in einem Amtszimmer an gebrachtes Schild „Hier wird nur mit Heil Hitler gegrüßt" entfernt wurde, und habe das damit begründet, daß das Schild „geeignet sei, die Gefühle anders Denkender zu ver letzen". — Nichtig ist das Gegenteil, was im Anschluß an die Mitteilung der Zeitschrift, daß sie Verleumdern zum Opfer gefallen sei, zur Wahrung der Ehre des angegriffenen Be amten hiermit festgestellt wird: Oberlandesgerichtspräsident Dr. Hüttner hat, sobald er mit der Angelegenheit befaßt wor den ist, angeordnet, daß an Stelle des von einem Beamten entfernten Schildes ein gleiches wieder angebracht wurde, die Entfernung des ersten Schildes mißbilligt und ausdrücklich hcrvorgehoben, daß aus jemanden, der aus irgendwelchen Gründen den Deutschen Gruß nicht anwenden wolle, keine Rücksicht zu nehmen sei. Der Reichsminister der Justiz, i. V. Dr. Freisler." Wetter adgewulen Der Stand der Wohlfahrtscrwerbslosen Ende Januar IM > Das Statistische Landesamt meldet: Tie sahreszcitlich be dingte Zunahme der Zahl der vom Arbeitsamt anerkannten Wohlfahrtserwerbslosen im Januar ist nur geringfügig ge wesen. Sie betrug am 31. Januar 1938 14 699 gegenüber 13 940 am Ende des Vormonats. Es kamen somit Ende Januar in Sachsen auf 10 000 Einwohner 28,3 Wohlfnhrts- erwerbslose gegenüber 26,8 Ende Dezember 1937. Die Ke- samiabnahme seit dem Höchststand am 28. Februar 1933 be trägt 31)4 313 oder 95,4 v. H. In den einzelnen Kreishanplmannschasten ist der Stand der Wohlsahrtserwerbslosen folgender: auf 10 000 Einwohner kommen im Kreis Zwickau 20,0, Leipzig 23,2, Chemnitz 30.4 und Dresden-Bautzen 34,5, im früheren Kreis Bautzen allein entfallen nur Noch 19,8 Wohlsahrtserwerbslose auf 10 000 Einwohner. Die Stadtkreise haben noch eine Turchschnittsbclastung von 41,2 Wohlfahrtserwerbslose auf 10 000 Einwohner, die Bczirksverbände dagegen nur von 16,9, Nahezu frei von Wohlfahrtserwerbslosen <1 bis unter 10 aus 10 000 Ein wohner) sind acht Bczirksverbände, nämlich Grimma <1,6), Großenhain <2,0>, Kamenz <3,1), Zwickau <4,5), Borna (5,1), Plauen <6,6), Meißen und Oschatz <jc 9,2). Vier Bezirksvcr- bände haben zwischen 10 bis unter 15, sechs Bczirksverbände 15 bis unter 20, sieben Bczirksverbände 20 bis unter 30 und noch zwei über 30 Wohlsahrtserwerbslose auf 10 000 Ein wohner. lieber 60 Wohlsahrtserwerbslose ans 10 000 Ein wohner haben noch Plauen (64,2) und Freiberg (84,5). Spiclplan der LandcSbühnc Sachsen Vom 2. bis 7. März bringt die Landcsbühne Sachsen in zwei Gruppen folgende Aufführungen: Gruppe 1: vom 2. bis 7. März „Petermann fährt nach Madeira", und zwar in Wüstenbrand, Burkhardtsdorf, Grüna, Oberfrohua-Nuß- dorf, Siegmar-Schönau und Rabenstein. Gruppe 2: vom 3. bis 7. März „Was ihr wollt", und zwar in Schneeberg i.E„ Grünhain, Raschau, Schönheide und Eppendorf. Freitag, t " .u... ...m Kunst nud Kusiur Die Stammutter deS italienischen Königshauses s! ruht im Kloster Marienftern Durch die Presse ging in diesen Tagen die Nachricht von der Auffindung des Sarges der Stammutter des. italienischen Königshauses. Schon seit Jahrzehnten war den maßgebenden Stellen bekannt, daß in der Gruft der Klosterkirche von St. Marienstern der Sarg der Stamm,' mutter des italienischen Königshauses ruht. Es handelt sich hierbei um die Urgroßmutter des jetzigen Königs! von Italien, die Fürstin Maria Christine de Montlcart, deren Töchter 1832 auf einem Friedhof bei Wien beige« I seht, 1852 aber ebenfalls nach St. Marienstern überge-j führt wurden. Auch die Särge der Eltern der Fürstin und die ihrer Enkelkinder sind bekanntlich in der Klostergruft von St. Marienstern beigesetzt. Am Todestag der Für stin Marie Christine de Montleart findet alljährlich in der Klosterkirche eine schlichte Gedenkfeier statt. Kurze Nachrichten Berlin. Im Auftrage des Amtes „Feierabend" der NS.- Gemeinschasl „Kraft durch Freude" wird das NS.-Neichs- Symphonte-Orchesler vom 3. bis zum 23. März d. I. durch Schlesien, Sachsen und die Bayerische Ostmark fahren, um von 19 Konzerte zu veranstalten. München. Neichsleiter General N t t t e r v 0 n E P p Ist in seiner Eigenschaft als Leiter des Kolonialpolitischcn Wittes der NSDAP, und Bnndesführer des Neichskolonialbundes nach Rom abgereist. Von dort wird er sich nach Libyen begeben, : um auf Einladung des Gouverneurs von Libyen, Marschall Balbo, die große italienische Kolonialmesse in Tripolis zu besuchen. KönigShütte. Mit Ablauf deS Schuljahres 1936 37 hatte das Woiwodschastsamt Kattowitz dem deutschen Eichendorsf-Gymnasium in Königshütte auf Grund einer ein seitigen Auslegung des polnischen Schulgesetzes das Oesseni- lichkeitsrech« entzogen. Nachdem der Einspruch des deutschen, Schulvereins in Kattowitz gegen diese einseitige Maßnahme, beim Woiwodschastsamt ohne Erfolg blieb, wandte sich Senator , Wiesner beschwerdeführend an die zuständige polnische Regie-. rungsstelle in Warschau. Nun erhielt der Schulverein in Katto witz die Mitteilung, daß dem deutschen Gymnasium in Königs- > Hütte das Oesfentlichkeitsrecht wieder in vollem Umsange, daS heißt uneingeschränkt, zuerkannt worden ist. Sofia. In der bulgarischen Diplomatie sind zwei wich-, tigere Veränderungen zu verzeichnen. So wurde der bisherige' Gesandte in Berlin, Dr. Dctchko Karadjosf, zum bulgarische» Gesandten in Bern ernannt. Der Berliner Gesandtenpoüm' wurde dem bisherigen bulgarischen Gesandten in Wien,. Parvan Dragan off, übertragen. , Washington. Tie von der Stadt Halle am 23. Februar! 1935 zum 250. Geburtstag ihres weltberühmten Sohnes ge-' slistete Händel-Plakette für Persönlichkeiten im In-s und Ausland, die sich um die Pstcgc deutscher Musik verdient gemacht haben, wurde vom deutschen Botschafter Dr. Dieckhoff - der bekannten amerikanischen Musicsördcrin Frau Lawrance Townsend überreicht. Woü kSlGeZr ßsrir rrnßer MUSSMANNS SLL SNsxkNsgr Aezeptdisnst des Deutschen Frausnwerkes, Abt. Volkswirtschaft und Hausw.rt.cha.l. Sonntag mittag: Kalbsbraten, Rosenkohl, Kartofscl- mus, Vanilleäpfcl; abend: Schweizer Kanofsclsuppc iRcst- verwerlung), Ausschnitt. — Montag mittag: Gebackene Sellerieschciben, gedämpftes Weißkraut, Kanofsctn; abend:, Bücklingshäckcrle als Brotaufstrich, Käse. — Dienstag mittag: Fischpichclstciucr: abend: Brotauslauf «Rcswerwer-, tungi. — Mittwoch: Morgensrühstück: Roggenmehlsuppe; Schulfrühstück: Fcltbrotc und Aepsel; mittag: Gebundene Ge-. müsesuppe, Buttermilchplinscu mit eingemachtem Obst iPrci«: selbeeren); äbend: Geräucherter Hering, Pellkartoffeln. —; Tonnersiag mittag: Hammelwürzsleisch im Kartoffel-. rand, Napünzchensalai: abend: Sellcncsuxpe, Sauerkraut- Apselschnitten. — Freitag mittag: Gebratener Seefisch,, Grünkohl, Kartoffeln; abend: Bratkartoffeln und Kohlrüben salat, Wurstbroie. — Sonnabend mittag: Weiße Bohnen mit Aepfeln; abend: Bohnensuppe «Nest vom Mittag» roher Weißkrcuttsalat mit Speck, Kümmelkariosscln. „Mänz« Mi iS kä Vottermilch!" 'kleine Psychologie deS hundcrtjährigcnMainzcrKarncvalS Von Hans Slüwer. Die „Määnzcr Fasscnacht", wie der Karneval in Mainz heißt, verdankt ihre Eigenart der Entstehung des „Mainzer Earneval-Vercins", der jetzt genau hundert Jahre alt ist und dieses Jubiläum mit allem nur denkbaren Gepränge feiert. Diese lange Lebensdauer einer Vereinigung, die ihrcEnlstchung wcderwirtschastlichennoch sonstigcnNot- wcndigkcilcn verdankt und sich in ihrem Wirken alljährlich auf eine kurze Zeitspanne beschränkt — diese lange Lebens dauer über alle Höhen nnd Tiefen des Schicksals einer Stadt und ihrer Bürgerschaft hinweg, beweist die tiefe Verbundenheit der Mainzer mit ihrer Fasscnacht. Wer also den Mainzer Karneval recht verstehen will, muß den Mainzer nnd seine Wesens- und Lebensart erst begreifen lernen. Ihm liegt der Karneval, wie man zn sagen Pflegt, „im Blut". Er ist der Sproß einer in Schön heit lächelnden Landschaft. Mannigfaltig und bunt in ihrer Mischung von schattendem Ernst und sonniger Heiterkeit, von gehaltener Bergesruhe und wallender Bewegung, muß sie gleicherweise stille Beharrlichkeit und lebendige Beweglichkeit vermitteln. Von all' diesen Eigenschaften trägt der Mainzer etwas in sich. Seinem Wesen nach ist er ein liebenswürdiger, umgänglicher Mensch. Und das gleiche kann man in erhöhtem Maße von den „goldigen Määnzcr Mädchcrs" sagen. Wie wäre cs auch anders möglich in dieser köstlichen Landschaft, die Rhein und Main mit liebevollen Armen umschlingen, inmitten dieser Land schaft, deren Wein mit sanft-scnriger Glut ins Geblüt und ins Gemüt geht nnd die Welt in Rosenschimmer taucht. Landschaft und Wein haben den Mainzer geformk, haben ihm Kraft und Phantasie geschenkt und geben seiner Natur einen spielerischen Trieb. Landschaft und Wein verleihen ihm die Fähigkeit, in kühnem Schwung sich über die Widerwärtigkeiten des Daseins hinweg in eine er dichtete Welt hinelnzuschwingen. In eine Welt, die vom Lächeln des weisen Narren überstrahlt ist, die das Sein wissend mit dem Schein vertauscht und den Schein wenig stens für Stunden zum Sein «mgestaltet. Da taucht der Määnzcr Humor auS dem engeren Kreis heraus, der den einzelnen tagsüber zu umgeben pflegt. Da tritt er vor der breiten Oeffentlichleit ins Rampenlicht, greift aus der Er kenntnis des Alltags heraus die Abseitigkeiten mensch lichen Denkens und Tuns und zeigt sie der lachenden Mit welt im Spiegel des Narren neckisch verzerrt oder zum Greifen deutlich vergrößert und vergröbert. Nnd in Form besinnlich dahinfließender oder zu spritziger Satire zuge spitzter Knittelverse gießt der Mainzer „Narrhallcse" oder „Urschode" von der „Bütt", dem weinfaßförmigen, enlcn« geschmückten Rednerpult, aus die weingetrünktc Lauge lan- pigen 0^"" öS not)«' über IN« Der Kngclmann. Narrische Figur aus dem Mainzer FastnachtSzug. (Löhrich-Wagenborg.) den kunterbunt gemischten Salat menschlicher Schwächen und Verkchrthc tcn! In diesen Betrachtungen über sich selbst und die Um welt aus dem Geist all dieser — wohlgemcrkt, durchaus unentgeltlich wirkenden — Bültcnrcdncr und Liederdichter liegt die Stärke des Mainzer Karnevals. Am klarsten und unmittelbarsten pflegt sie in den verschiedenen Sitzungen in Erscheinung zu treten, wirksam betont durch die när rische Pracht, mit der der Mainzer diese Veranstaltungen gewöhnlich umgibt. Wie er sie auszieht, wie er eine solche Sitzung abrollen läßt, das ist ureigenste Mainzer Art. S>e brach sich bereits in den ersten „Generalversammlungen", wie die Sitzungen des „Mainzer Earneval-Vercins" ur-> sprünglich genannt wurden, unwiderstehlich Babu. Cie schuf sich Formen, die im wescnlüchen bis aus den heutigen Tag erhalten geblieben sind — eben darum, weil sie Aus druck des echten Mainzers sind der sich !a in den hundert Jahren seit der Gründung seines „MEV" im Urkern seines Wesens auch so wenig geändert hat wie der Charak ter seiner Landschaft nnd seiner Ströme Wie die zweitausendfährige wechselvollc Geschichte seiner Stadt den Mainzer in seinen Krnndzngcn nicht Hatz ändern können, so bleibt dieser Mainzer eben ein Mainzer, auch wenn er sich aus dieser seiner Landschaft löst und an fremde Gestade verpflanzt wird. Besieht nicht schon seit 1860 in New Bork ein „Mainzer Carneval-Verein"? Kam nicht der Prinz Karneval der Mainzer Iubiläumssasinacht 1938 eigens von Manila auf den Philippinen, wohin er vor elf Jahren auswauderte? Treffen sich nicht die „Mainzer aus aller Welt" am 24. Februar in einer eigens für sic gcschaffcncn und gestalteten „Festsitzung" beim MEV? Ja, „Määnzcr Blnt is kä Buttermilch", wie es im närrischen Schlachtruf der prunkvollen Garden bei ihrer Vereidigung am Fastnachtssamstag hcißt. Mainzer Blut ist ein Gemisch von Sonne, Rhein und Wein, und darum ist dieses Blut von der Heiterkeit der rheinischen Landschaft erfüllt, formt cs sich im Geist zu urwüchsigem Humor in all seinen Abschattungen, schasst es sich in der Karnevals zeit sein „närrisches Königreich Mainz", in dem der ernste nüchterne Alltag gülden überstrahlt wird von der Sonne rheinischen Frohsinns, sprudelnden Ucbcrmuts.