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Las Worr eines englischen Staatsmannes, daß eine Reise durch Europa heute einem Nundgang durch ein Toll haus gleiche, entspricht auch dem Empfinden jedes einzel nen deutschen Volksgenossen. Jeder, der sich bei uns in Familie, im Berufskreis, am Stammtisch über den gegen wärtigen Zustand in Europa ausspricht, wird immer wie der — gleichgültig von welcher Seite er das Geschehen be- trachtet — den Tollhausvergleich oder gar noch einen schlimmeren finden. Allerdings sind mit dieser Beurteilung in den meisten Fällen vornehmlich die' politischen Be ziehungen, allenfalls noch die geistig kulturellen Ver bindungen der einzelnen Völker gemeint, in den wenigsten Fällen die internationalen Wirtschaftsverflechtungen und die damit zusammenhängenden Verträge. Trotzdem ist . ein Durchdenken der zoll- und handelspolitischen Verträge der europäischen Staaten eine dankbare Aufgabe, denn mit der Klarstellung dieses Problems erhält auch die poli tische Lage ein völlig neues Gesicht. „Weltwirtschaft ist für uns Heutige eine Erinnerung und eine Hoffnung; denn was gegenwärtig von ihr vorhanden ist, sind leider nur Trümmer". Diesen Worten, mit denen Dr Schacht kürzlich aus einer Tagung in Hamburg den Welthandel kennzeichnete, ist eigentlich nichts hinzuzufügcn. Atan kann sie höchstens durch Beispiele und Zahlenbelege aus dem internationalen Wirtschaftsleben unterstreichen Wir gehen dabei natur- gemäß von Deutschland aus. Der außerordentliche Rück gang der deutschen Ausfuhr z. B. nach Frankreich wird durch folgende Ziffern schlagartig beleuchtet: Frankreichs Einfuhr aus Deutschland (in Mill. Fr.s: 1930 1933 1934 Insgesamt .. . . ... . ... . . 7937 2928 2218 davon Maschinen ......... ... 421 315 Ersatzteile .. . 128 85 Metällwaren .. . . 200 158 Papier .....-.--'53 38 Präparierte Pelzwaren ...... 63 36 Aehnlich wie bei den Handelsbeziehungen mit Frank reich ist die deutsche Ausfuhr auch bei den meisten andern Staaten zurückgegangen. Und die Ansätze, die zur Be seitigung dieser Zustände in Europa gemacht werden, sind nur einem Tropfen vergleichbar, der auf heißen Stein fällt. Zwischen Deutschland und Rußland z B. versucht das setzt kürzlich abgeschlossene deutsch-russische Wirtschafts abkommen den Handel wieder aus eine gesunde Grund lage zu stellen. Die Möglichkeit, daß Rußland seine Schulden an Deutschland dazu benutzte, die Lieferung russischer Waren nach Deutschland zu steigern, ist mit diesem Vertrag beseitigt Reue erwünschte deutsche Ex portaufträge nach Ruhland hängen aber noch v.on schwierigen Einzelverhandlungen ab. Auch durch das in diesen Tagen geschlossene deutsch-schweizerische Ver- rcchnungsabkommen ist ein neuer bescheidener Ansatz für die Steigerung der deutschen Ausfuhr geschaffen worden. IN Million Exportarbeiter Der letzte Bericht des Instituts für Konjunktur forschung, nach dem die Ausfuhr der deutschen Industrie von 12,4 Milliarden Mark im Jahre 1929 um 8,4 Milli arden Mark auf 4 Milliarden Mark im Jahre 1934 ge sunken ist, unterstreicht die angezogenen Worte des Reichs- bankpräsidenten auch dann zur Genüge, wenn man be rücksichtigt, daß dieser Rückgang zu einem Teil — 2,6 Mil liarden Mark zu veranschlagen — aus die Schrumpfung der Ausfuhrerlöse zurückzuführen ist. Es bleibt trotz allem eitle Verminderung des Äussuhrvolumens um einen mit 5.8 Milliarden zu benennenden Betrag übrig. Schon: > allein die Tatsache, daß heute für den Export rund 1N Million Arbeiter und Angestellte weniger tätig sind als 1928/29, wirft ein bezeichnendes Schlaglicht aus die in ternationale Marktlage. Doß für die deutsche Wirtschaft die qualitativen Vor aussetzungen für die, Be hauptung der deutschen In- dustrteerzeug- nisse auf dem Weltmarkt zur Zeit nicht die entscheidende Rolle spielen, ist allgemein bekannt. Die häufig wieder holten Behaup tungen, die deutsche Po litik strebe Autarkie an, verdecken die Bemühungen der Wirt schaftsgegner Deutschlands nicht, die das Reich den Aus landsmärkten fernzuhalten suchen. Zu nächst darf je doch nicht oer- gegen werden, daß die Belebung der deulschen National wirtschaft seinerzeit nur durch die entschlossene Trennung der deutschen Wirtschaftspolitik von der der Welt erfolgen konnte. Adolf Hiller hat Deutschland damals nicht aus dem internationalen „Deflationszirkel" gelöst, um uns in die Autarkie zu führen, sondern um arbeitslosen Volks genossen Lohn und Brot zu schaffen. Daß die energische Belebung der deutschen Binnenwirtschaft — ebensowenig wie die Maßnahmen Englands und Schwedens zur Er neuerung der eigenen Binnenwirtschaft — nicht auch inter national zu Wirtschaftserfolgen geführt haben, ist be dauerlich genug. Welche Hemmungen daran Schuld tragen, soll nickt untersucht werden. Aber daß in der inter- Om clie Preise ru kalten scküUcte nf-n trüber klUkonco Lacke mit Kalles ins User uncl verbrannts eins kalbe ltaumwollernle — keuts erlolxl ^Varenaustausck nationalen Wirtschaft im gegenwärtigen Augenblick auch fruchtbare Beziehungen möglich sind, beweisen die Ge schäfte auf dem Markt mit Lateinamerika. Wir geben uns keinen Täuschungen hin, wenn wir Lateinamerika in der gegenwärtigen Weltkrise als einen besonders günstigen Handelsansatzpunkt betrachten. Das durch das Diktat von Versailles begonnene Hasardspiel mit den Reparationen hat zwar zunächst auch die deutsch, südamerikanischen Wirtschaftsbeziehungen zerstört, heute sind indessen energische Ansätze zu finden, die diese Zer- störung wieder gutzumachen beginnen. Gleiches aktives Zupacken statt passiven Wartens, gleicher Wille nach wirt schaftlichem Wiederaufbau in Deutschland und Latein- Amerika haben für beide Teile erfolgversprechende Möglichkeiten eröffnet. Deutschland steht in der zunehmen, den Industrialisierung der südamerikanischen Staaten keine Gefahr und es hat diese Ansicht in der Praxis da durch bestätigt gefunden, daß den deutschen Qualitäts erzeugnissen auf den südamerikanischen Märkten steigende Aufnahmefähigkeit zuteil wurde. Die anteilsmäßig recht günstige Gestaltung des Außenhandels zwischen Deutsch land und Lateinamerika ist auch zahlenmäßig leicht zu belegen. Im Jahre 1913 entfielen auf unseren Umsatz mit Südamerika 9,4?L, im Jahre 1927 dagegen 10,4^ unseres Eesamtaußenhandels. Heute sind wir dabei, den Zusammenbruch des Jahres 1931. in dem dieser Anteil auf 6,5°/« zusammensank, gutzumachen. Während der europäische Außenhandel auch in Zukunft kaum vor weiteren Ein schränkungen bewahrt bleiben kann, geht der Außenhandel mit Lateinamerika auswärts. Ein einziaes Beispiel mag d"" beweisen Nehmen wir Thile Für deutsche Maschinen: Chilesalpeter. u-hilesalpeter, auf dessen Ausfuhr tm wesentlichen die handelspolitische Bedeutung des Landes beruht, wird ,m Austauschverfahren von Deutschland heute noch von Chile gelaust. Diese lebhaften deutsch-chilenischen Handelsbeziehungen, die nur während des Krieges not wendig Unterbrechung erfuhren, sind sogar in allerletzter Zeit durch einen Handelsvertrag zwischen dem Dritten Reich und Chile neu belebt worden. Bis zum 30. Juni 1935 steht der neue, Anfang Januar 1935 geschloßene Ver trag, die zollfreie Einfuhr von 80 000 Tonnen Salpeter vor. Es ist ein reiner Kompensationsvertrag, der also keine,Devisen erfordert. Der Verkaufswert dient — abge- rechnet die Unkosten für den Transport und Vertrieb — dazu, neue Aufträge Chiles an die deutsche Industrie zu ermöglichen und die noch vorhandenen chilenischen Schul- den an Deutschland zu bezahlen. Durch den Handelsvertrag ist Chilesalpeter indirekt mit in die deutsche Arbeitsschlacht eingespannt worden; denn für jeden Zentner dieses Stickstoffdüngers, der hier in Deutschland besonders gern verwandt wird, weil er infolge seines Gehaltes an leichtlöslichem Natronsalpeter einen raschen DUngungsersolg garantiert, wird von Chile eine bestimmte Summe zu neuen Aufträgen aus deutsche Industrieprodukte verwandt. So haben die chilenischen Staatsbahnen zum Beispiel jetzt schon bei deutschen Loko- motiofabriken 25 schwere Gebirgsmaschinen bestellt. Dieser Auftrag ist besonders bemerkenswert, wenn man weiß, daß Deutschland im vergangenen Jahr nur wenig über hundert Lokomotiven auf dem Weltmarkt abgefetzt hat. Andere Aufträge hat Chile an die deutsche Industrie unter anderem auf den Gebieten: Pharmazeutik«, Photo artikel und Spielwaren erteilt Wenn man weiter berücksichtigt, daß der gesamte Warenaustausch zwischen Chile und dem Reich ausschließ lich aus deutschen Schissen erfolgt, und daß Chile außer dem für die Belieferung Deutschlands bestimmten 80 009 Tonnen Chilesalpeter erforderlichen Frachtraum' noch weitere 150 000 Tonnen deutschen Schiffsraum für Sal peter fest belegt Hal, die vom Hamburger Freihascnlager nach den skandinavischen Ländern weiter versandt werden, so kann man in den deutsch-chilenischen Handelsbeziehungen wirklich einen günstigen Ansatz zu einem Deutschland unk> Lateinamerika befriedigenden Handel sehen. Die nach Deutschland eingesührten Chilesalpeter- Mengen spielen seiner eine sehr wichtige Rolle in der von der Reichsregierung proklamierten Erzeugungsschlacht, welche zum Ziele hat, die deutsche Volksernährung für den Notfall aus eigener Scholle sicherzustellen Ein anderes Beispiel, das freilich mehr Mittel amerika betrifft, ist Oel- und Treibstosseinsuhr. Gerade diese beiden wichtigen Einfuhrgüter, wichtig wenigstens so lange, als cs uns noch nicht gelungen ist, die Treib- stosfversorgung durch neue Bohrungen, Kohlehydrierung. Holzgasbetrieb usw im Inlande völlig sicherzustellen, lassen gerade auch Perspektiven auf das eigentliche Süd amerika zu. Die Standardoil, die in Deutschland etwa 30^ aller Tankstellen mit Ireibstosfen versorgt, und ein gut Teil unserer Maschinen benutzenden Industrie mit Schmierölen beliesert, schasst mit ihrem für diesen be sonderen Dienst übrigens fast ausschließlich auf deutschen Wersten erbauten Tankschiffen vertragsgemäß das Rohöl oder nur wenig aufbereitete Oele nicht mehr aus ihren nordamerikanischen Oelquellen heran, sondern aus Mexiko, Französisch Guayana usw Sollte eines Tages in Süd amerika eine Befriedung eintreten und Öel gefördert werden, so dürfen wir auch auf diesem Gebiet bas beste hoffen. Wir' Deutschen sind mit Recht stolz auf die von uns geleistete Qualitätsarbeit, einen Vorzug, den nur ganz hirnverbrannte Ausländer bestreiten können; es nicht unwesentlich, gerade auch auf Konkurrenz in Südamerika hinzuweisen. für viele (wenn auch aus Holländisch- Indieni: Die Leihhäuser pflegten dort Fahrräder mit funs Gulden zu beleihen. Eines Tages wun derte man sich, wieviele fabrik neue Fahrrä- der aus einmal zur Beleihung kamen. Man wunderte sich, forschte - nach und stellte fest, daß die fünf Gulden Belei hungssumme nicht nur die Unkosten der japänischen Fahrradhänd- s-- k-ckten. son. trotzdem ist i die japanische Ein Beispiel ,i-. Der Lbilerolpetm scheiüenen Ver- "irct vom Lckitt unmittelbar in Lücks gefüllt dienste aus- reichten. So ausführlich Untersuchungen über weitere Rohstoffe auch sein würden — man denke nur an Kasfee, Baumwolle, Kautschuk und vieles mehr — als lleberblick über die Zukunstsmöglichkeiteu mögen diese angeführten Beispiele genügen Letzten Endes ist aber auch die günstige Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und La teinamerika „nur ein kleines Mittel im Verhältnis zu den großen Möglichkeiten, di« die Welt von dem Tage an haben wird, wo sie zu einer außenpolitischen Befriedung ans der Basts einer allseitigen Gleichberechtigung und zu einer Stabilisierung der Währungen kommt". Wenn diesed Ta- kommt, wird Deutschland zur Stelle sein. Beilage zur „Welßerttz-Zeitung" / Sonnabend, am 18. Mai lS35 / Nr. 115