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Aus -em LagebuK eines BombeWegers Bon Georg Wulf lS. Fortsetzung.) nehmung wieder heil zurückgekehrt bin. Das war aber eine etwas brenzliche Sache. (Fortsetzung fotzt? und Bruch gemacht hatte. Ich habe also schon ohne die technische Arbeit flieae- risch genug zu tun. Bembm über WM 10. März 1918: Am 8. März hieß es fliegen und nochmals fliegen, und in der Nacht ging es nach Paris! Es ist ein ein zigartiges Gefühl, zu sagen: Ich war über Paris! Es war völlig finstere Nacht, als wir starteten, nur die Sterne leuchteten zu der schweren Arbeit. Vorher sah das Wetter ziemlich schlecht aus. und alles war übler Stimmung, weil wir dauernd alarmbereit dasitzen mußten; und ich war heilfroh, als der Startbefehl kam. Als wir glücklich mit der schwerbela denen Maschine „abgedampft" waren und in der Luft hingen, war das Schwerste überwunden. Am Boden war nichts zu sehen, wonach man sich hätte orientieren können, so ging es denn freiweg nach dem Kompaß in die Geographie hinein. Kurz hinter der Front kamen wir an die Scheinwerfersperre der Franzosen. Sie waren aber so dumm, daß es ein leichtes war hindurchzukommen. Bei Soissons setzte man uns zufällig eine Granate vor die Maschine, doch störte uns das weiter nicht, weil sie uns nichts tat. Um zwölfeinhalb Uhr hatten wir die Scheinwerfer, und Granatensperre um Paris durchbrochen, und wenige Minuten Aufnahme: Scherl-Bilderdienst. Lin Tankhafen hinter der französischen Front mit über hundert Tank» und zahllosen Fahrspuren im Erdreich. Ausgenommen aus 2000 Meter Höhe von einem deutschen Aufklärungsflugzeug. und ich war heute sehr munter. 23. März 1918: Seit drei Tagen will Ich schreiben, und erst heute komme ich dazu, wo ich meine Knochen endlich wieder so einigermaßen beieinander habe. Ich komme mir vor, als wäre ich mordsmäßig verhauen worden! Ueberall Flecke und Beulen. Es war in der Nacht, die dem Beginn der Offensive folgte. Wenn irgend möglich, sollte nach einem wichtigen Ziel geflogen werden, das ich schon während der Sommeoffensive wohl zehnmal bombardiert habe. Es war dunstiges Wetter, und dünne Wolken zogen am Monde vorbei, aber wir waren draufgängerisch gesinnt durch die ersten Nachrichten von dem Gelingen des großen Kampfes, und um achteinhalb Uhr „sockten" wir los, und noch drei Maschinen hinter uns her. Die letzte von den dreien hatte Defekt, mußte umkehren und hielt dadurch zum Glück den Start des übrigen Geschwaders so aus, daß man die Anfänge des Nebels bemerken konnte, und nach einer Vier telstunde war alles in dichte Schleier eingehüllt. Wäbrend- dessen flogen wir ahnungslos unter sternenhellem Himmel zum Ziel. Die weiße Decke unter uns hielten wir für Wol ken. Diese nahmen aber gar kein Ende. Allmählich wurde die Sache „spanisch", und wir warfen Lie Bomben dort ab, wo wir nach Kompaß und Zeit das Ziel vermuteten. Nachdem wir etwa eine halbe Stunde heim wärts geflogen waren, wollten wir durch die vermeintlichen Wolken stoßen, um uns zu orientieren. Ich ging im Gleit- flug herunter und beobachtete den Höhenmesser: 2000 — 1500 — 1000 — 800 — 500 — 300 — Nun? Immer noch nicht in WolkenhShe? Jetzt tauchen wir endlich ein, und schwarze Finsternis umgibt uns. Wie ein Blitz zuckt es durch uns alle: Nebel! Unser schlimmster Feind, der uns blind macht und täuscht und mit der Maschine Fangball spielt. Vollgas! Höhensteuer! Nuk noch nach den Jnstrumen- ten gesehen, und in wenigen Sekunden lind wir wieder über der fürchterlichen Decke. „Laitdiins tm Rebel Was Nun? Wir haben noch für eineinhalb Stunden Be triebsstoff, wir können nicht länger hier oben bleiben. Wo ist der Hafen? Wir fliegen einen Kreis und halten Umschau. Da, dort steigen zwei Leuchtkugeln! Das ist unser Richtungs geschütz an der Front! Dorthin gedreht, von dort aus wird nach dem Kompaß nach Hause geflogen/ Wir sind richtig. Durch den Nebel sehen wir wie mil chige Flecke auf vierhundert bis fünfhundert Meter unsere vieltausendkerzigen Richtungslichter, die wir sonst auf dreißig bis vierzig Klometer Entfernung sehen, und nun finden wir den Blatz. Fortwährend steigen Leuchtbomben durch die Nebeldecke zu uns herauf. Man hört uns unten sa ganz glatt. Nach fast dreistündigem Flug waren wir im Heimat hafen. Ich hatte am Tage noch zwes Flüge gemacht und habe somit kürz hintereinander In fünf Stunden fünfhundert Kilo meter hinter mich gebracht. Das ist eine gute Leistung. Gestern war ich dafür aber auch so müde, daß ich gar nichts unternehmen konnte. Man kam von einem Tran in den anderen; dafür habe ich nun aber elf Stunden geschlafen, Was aber war's? Im Motor hatte es uns in zwei Zylindern die Kolbenböden zerrissen. In hundert Trümmern hatte es die Bruchstücke davon ins Kurbelgehäuse geschleu dert! Wäre nur ein ganz kleiner Splitter in die Kurbelwelle gekommen, so hätten wir in Feindesland auf der Stelle heruntergehen müssen; unfehsbar hätte es uns die Kurbel» welle abgesprengt. Nichts von all dem ist eingetreren. Jede» Körnchen bat es peinlichst vermieden, uns zu schaden. Es scheint wirklich,, daß mir nichts passieren kann. Wie ost schon war's setzt: dreckig, und alles ging selbstverständlich glatt! — Der «ustvag ist erfüllt; die Mder sind gut. Ich bin NN Die anderen beiden Maschinen sind- auch in die Erde gerannt, aber auch hier sind alle mit Schrammen und Beulen, nur ein Kieferbruch, davongekommen. Ich halte nebenbei eine leichte Gehirn erschütterung. Ins Auto und ins Bett! Wie ich so oaiag, kam mir erst Io recht zum Bewußtsein, was ich hinter mir hatte Aber ich dachte nicht lange dar über nach. Ich hatte genug zu tun. den Kops zu kühlen, um die Schmerzen zu bannen, dann schlief ich ein. Als ich am anderen Tag aufwachte, fühlte ich aber meine Knochen Alles tat weh. Arme und Beine. Genick und Kreuz, Kops und Brust. Selbst das Atmen schmerzte. M komme wieder tn Sang Im Bett konnte ich auch nicht liegen. Da bin ich denn aufgestanden, habe erst meine Leidensgenossen besucht, die vielen Glückwünsche entgegxngenommen, dann habe .ich mir den Bruch besehen und Ab schied genommen von der treuen, braven Maschine, die mich zweimal sogar nach Paris getragen hatte! Wüst sah sie aus. Mein dicker Schal hat mir das Genick gerettet; ich saß mit Kopf und Hals zwischen zwei dicken Stahlrohren. Wäre der Schal als weiches Polster nicht gewesen, dann konnte es leicht schiefgehen. 10. Juli 1918: Nun bleibe ich selbstver» Gestern abend mußte ich wieder unterbrechen, da Nacht flugwetter war. Fast wäre ich wieder bei „Joffre" geblie ben. Mein Motor setzte mordsmäßig aus. Mit vier Zylin dern (zwei versagten) bin ich, stetig fallend, noch gerade nach Hause gekommen. Wieder mal unglaubliches Glück! Der Motor fliegt jetzt aber raus aus der Maschine. 2. Februar 1918: Gewiß könnte ich meine Flüge etwas einschränken. wo Ich technischer Offizier der Abteilung ge worden bin, aber ich bin nun mal an der Front und fühle mich wieder fähig zu tatkräftigem Wirken, da leiste ich auch mein Teil. Ohne Selbstüberhebung kann ich sagen, wenn alle so dächten und handelten wie ich, dann könnte es wohl heißen: Lieb Vaterland, magst ruhig sein! Diese Nacht scheint es wieder schwere Arbeit zu geben, die Sterne leuchten so klar und hell! Bei den letzten Malen schoß der Engländer tüchtig. Er soll Hörapparate haben, mit denen er Richtung und Höhe des Flugzeuges seststellen kann. Er schoß aber meistens zu hoch. Ich bin dabei, an meinen Motoren Schalldämpfer anzubringen; vielleicht geht er aus den Leim. Bei einem der letzten Frontflüge flog unser Kommandeur bei mir als Gast mit; morgen muß ich ihn von Brüssel abholen, wohin er geflogen war stündlich bei der Staffel; wäre auch schon dabei geblieben, als ich den Kommandeur kennenlernte. Er ist der Sohn des Admirals von Schröder und ein ausgezeichneter Mensch. Ich habe bei ihm eine große „Nummer"; er hat mit mir eine ganze Anzahl Feindflüge. rungsgemätz hängt oer Höhenmesser beim Glettflug nach. Ich schätzte auf etwa hundert Meter, das heißt, er zeigt auf Kun dert Meter, wenn man schon unten am Boden ist. Ich achtete nun genau darauf, wie der Zeiger fiel: SOO Meter — 250 — 200, da, ein donnerähnlicher Krach, ein Bersten und Split tern — ich konnte nur noch denken: Nun ist der Boden doch schon da — dann einen kurzen Augenblick Besinnungslosig keit, um mit dem Gefühl zu erwachen, völlig gefesselt zu sein von den Trümmern. Ueberall hielt es mich fest. An den Knien, quer über der Brust, im Genick, am Kopf, an den Armen, Plötzlich ein Lichtschein (es war nur meine Taschenlampe, die anging) — mein erster Gedanke ist: Feuer! Eine wilde Angst vor dem Verbrennen steigt in mir auf. Eine gewaltige Anstrengung, und die Arme sind frei; dann nur noch wenige Seku-den. und ich rutsche aus den Trümmern heraus. Ich kann mich erst mal einen Augenblick besinnen, da fällt mir ein. ich habe ja noch drei Mann mitgehabt. W» sind sie? Ich tappe im finsteren Nebel herum und finde end lich den Oberleutnant, der gerade zum Bewußtsein kommt. Nun kommen auch unsere Mannschaften, um zu retten. Derr Hauptmann und den Maschinengewehrschützen haben sie auch schon gefunden. Sie liegen 15 Meter weit von den Trüm mern. Der Hauptmann hat ein Bein gebrochen, ist aber ganz munter. Na, wenn alles lebt, dann geht es ja. Num schnell zum Aufenthaltsraum, zum Arzt. Dort angekommen, finden wir noch mehr Blessierte. Schon vom Flughafen weg wollte es nicht klappen. Die Maschine stieg nicht. An der Front, wo wir sonst bereits zweitausendfünfhundert Meter hatten, waren wir heute erst siebenhundert Meter hoch. Um die Höhe zum Ueberfliegen zu gewinnen, gondelten wir noch drei Äiertelstunden die Stellung zwischen Lens und Armentiöres entlang. In zwei tausend Meter Höhe waren wir aus einmal mitten In einem englischen Geschwader drin, das eben von Lille herkam. Zwei Großkampfflugzeuge ganz neuer Art. zwei Doppeldecker als Begleitflugzeugel Da hab ich schleunigst mein Maschinen- gewehr herumgerissen und mich bereit gemacht zur Rauferei. Ein Großkampfflugzeug war in unsere unmittelbare Nähe geraten. Es nahm jedoch den Kampf nicht an, pinscherte viel mehr eiligst zu seiner Herde, und ich war der tieftrauernde Hinterbliebene. Also wieder höher und unserem Auftrag« nach! Endlich, nach mehr als einer Stunde Flugzeit, waren wir so weit, daß wir uns hinüberwagen konnten. Die Abwehrkanonen sahen uns im Dunste nicht; wir kamen unbehelligt durch; ich Photo- graphierte fleißig da hinten, und endlich hatten wir auch un- ser Ziel erreicht. Schnell ein paar Aufnahmen vom belebten Bahnhdf, dann die Bomben herunter! Wie betrunken torkel- ten sie erst in die Tiefe, um dann im Saus ihrem Ziele zu- zusteuern. Alls einmal krachte es in unserer Maschine, — nun noch einmal! daraus gingen unsere schweren Grüße zu den sicherlich entsetzten Parisern, die wohl nicht geglaubt hatten, daß sie in solch finsterer Nacht Besuch deutlich! Ganz trübe leuchten die starken Scheinwerfer. Senk- bekämen. Der Angriff war von ungeheurer Wucht. Jeden- recht kann man wohl durch den Nebel sehen, aber wenn man falls hat der Angriff den beabsichtigten Erfolg gehabt, unsere darin ist, sieht man nichts mehr. Niemand kann sich das vor- , .. , ... „ Städte vor feindlichen Angriffen zu schützen, denn heute, wo stellen, der es nicht erlebt hat. Wir wußten es ja, aber wir auch Ueberlandflüge gemacht. wir ein zweites Mal hinsliegen wollten, kam kurz vor dem hatten doch Vertrauen auf unser Glück. 23. Juli 1918: Morgen oder übermorgen muß nun wohl Start das Verbot. Anscheinend haben die Franzosen die Ich kreiste zweimal, richtete genau ein und stellte ab. mein Ritterkreuz eintreffen; bin ganz gespannt darauf. Vom Zusicherung gegeben, nur noch militärische Anlagen angrei» Wenige Sekunden später tauchten wir wieder ein in die Kommandanten bekam ich noch, als er mir die Verleihung fen zu wollen. schaurige Finsternis. Nichts war mehr zu sehen. Kein Licht- mitteilte, ein dickes Lob (er selbst hat übrigens den Hohen- Der Rückflug war sehr angenehm; die Landung verlief schein, kein Boden, nichts! Ich blickte agf den Höhenmesser, zollern noch nicht, da ist es sebr amtändia. daß er mich ohne t. Nach fast dreistündigem Flug waren wir im Heimat- Nur der konnte mir sagen, wann der Boden kam. Ersah- weiteres eingereicht hat). 4L? Im Nu sind wir zweihundert Meter tiefer gerutscht. Der Motor macht statt eintausenddreihundertfünfzig nur mehr m achhundert Touren. Es raucht! Es ölt! Wo fehlt's? Ein Tref» Bon Hans Adam, gefallen 1917 über Korlewilde. str? Ick sehe kein Wölkchen. Wir wußten aber zu deutliche Am 23. Januar 1916 habe ich einen Bombenflug nach daß es jetzt auf alles ankam. Schleunigst kehrt! Jeder Meter Bethune gemacht, und ich glaube, daß ich von dieser Unter- vorwärts brachte uns auch einen Meter tiefer! Da haben wir n-kninnn l-ü- — aber ganz genau den kürzesten Weg ausgesucht. Nur über die Linien hinüber wollten wir kommen, dann konnte die Kiste ruhig kaputt gelandet werden. Es gelang meinem trefflichen Führer, mit Bollgas und allen Schikanen trotz des bemerkbar großen Defektes, noch eintausendzweihundert Touren herauszubringen. Wir Hun- gerten uns mit dieser schwachen Kraft so weit durch, dast wir die Linie in noch eintausendzweihundert Meter Höhe überfliegen konnten, hungerten uns meterweise weiter, dast wir sogar noch bis zum Flughafen kamen, wo es ausgerech net noch über Häuser zur Landung reichte. Dann waren wir aber froh! Donnerwetter! zur „Meiyoig . / oonllubeao, um 18. Mu» lW / Nr. 115 7^ ' .7-- v.,'„V