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Franz Schubert (1797 — 1828) hat einige seiner Sinfonien als recht junger Mensch geschrieben. So ist auch seine dritte Sinfonie ein Werk, das er mit 18 Jahren schuf. Am 21. Mai 1815 begann er mit der Komposition, am 19. Juli 1815 schrieb er die letzten Noten dieses Werkes. Etwas mehr als anderthalb Monate brauchte er also zur Niederschrift, was schon allein eine bewunderungswürdige Schreibarbeit dar stellt. Schubert war mit 18 Jahren noch Mitglied des Kapellknaben-Instituts in Wien, als er diese Sinfonie komponierte, also im gleichen Jahre, in dem er einen so genialen Wurf machte, wie den „Erlkönig“. Ein Genie geht oft wunderliche Wege — und so ist es nicht seltsam, daß Schubert neben dieser schon ganz eigenen und überaus persönlichen Leistung im Liedschaffen sich auf dem Gebiet der Sinfonie noch ganz an frühklassische Vorbilder anlehnt. 1815 sind Beethovens ersten acht Sinfonien schon geschrieben und in Wien auf ge führt worden und es ist anzunehmen, daß Schubert diese Werke gehört hat, da er nie ein Hehl daraus machte, wie sehr er gerade den Sinfoniker Beethoven schätzte und verehrte. Hat er nun die Einmaligkeit des Beet- hovenschen Schaffens gefühlt, da er bei Haydn und Mozart anknüpft? Die Sinfonie klingt also klassisch, oft von einer unbeschwerten Musizier lust erfüllt, die sich vor allem, im ersten Satz kaum bändigen kann. Einen eigentlichen langsamen Satz gibt es in dieser dritten Sinfonie in D-Dur nicht, dafür steht ein melodienreiches Allegretto, in welchem Schubert auf eine einfache Art das schlichte Thema variiert. Im Menuett wird „geländiert“ — allerdings verlangt Schubert schon ein recht lebhaftes Zeitmaß. Der Schlußsatz ist ein Rondo von ausgelassener und beinahe übermütiger Haltung, einen Schubert zeigend, der ganz anders ist, als der Schubert der „Unvollendeten“. Eine musikalische Frucht von Johannes Brahms’ Detmolder Aufenthalt war die erste Serenade (er hat zwei geschrieben) in D-Dur op. 11. Max Kalbeck, der Brahms-Biograph, erzählte von dieser 1859 komponierten Serenade, daß Brahms bei dem Werk von Haus aus ein Oktett im mozartschen Sinne beabsichtigte. Das Opus aber wurde keine bescheidene Serenade (= Abendmusik), freilich auch keine Sinfonie— „wenn man wagt, nach Beethoven noch Sinfonien zu schreiben, so müßten sie ganz anders aussehen!“ meinte Brahms, der damals noch keine Sinfonien ge schrieben hatte. Aber liebevoll müßte das Stück gespielt werden, schrieb er an den hannöverschen Kapellmeister Bernhard Scholz, denn sonst wäre es „schade um das zärtliche Stück! Jedenfalls müßten Sie einiges dran wenden mit Proben. Ich würde es, falls Sie es überhaupt Ihren Bläsern zutrauen, gelegentlich vorprobieren, daß es den Musikern bekannt wird. Namentlich das Adagio kann man nicht eigentlich üben — der An strengung wegen. Beim Trio vom Menuett können Sie statt der Solooboe eine Geige spielen lassen!“ Die Serenade besteht aus sechs Sätzen. Das idyllische Allegro molto wird vom naiv-freudigen Horn des ersten Themas bestimmt. Das zweite Thema schlägt ernstere Töne an, am Schluß tritt ein zartschwebendes Flötensolo hinzu. Der zweite Satz, das Scherzo, lehnt sich deutlich an Haydn an. Der dritte Satz, das träumende Adagio, beginnt mit einer der schönsten Melo dien, die Brahms überhaupt geschrieben hat. Tiefe Streichinstrumente und Fagotte leiten den eigenartig zögernden und dunkel wogenden Ge sang ein. Der vierte Satz ist ein Doppelmenuett, köstlich in der Sexten melodie der liebenswürdig einhertänzelnden Klarinetten. Der fünfte Satz ist wieder ein Scherzo, dessen Hauptthema vier Takte aus dem Scherzo der 2. Beethoven-Sinfonie zitiert, während der Kontrapunkt hierzu an Haydns Sinfonie (D-Dur) erinnert — eine Verbeugung voll Ehrfurcht und Humor vor den großen Meistern, die dem jungen Brahms wohl ansteht. Der letzte Satz, ein Rondo, strotzt ebenfalls von froher Laune. Die Sere nade ist deshalb „brahmsisch“ interessant, weil sie als erstes Werk in dem sonst brahms-fremden Paris aufgeführt und sehr günstig aufgenommen Wurde. Besonders wurde damals die „pikante Instrumentation“ gelobt.