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KONGRESS'SAAL DEUTSCHES HYGIEN E'MU SEU M Sonnabend, den 20. Mai 1967,19.30 Uhr Sonntag, den 21.Mai 1967,19.30 Uhr 16. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Kurt Masur, Berlin Solist: Ruggiero Ricci, USA, Violine Giselher Klebe geb.1925 Bela Bartök 1881-1945 Rhapsodie für Orchester op. 17 DDR-Erstaufführung Konzert Nr. 2 für Violine und Orchester Allegro non troppo Andante tranquillo Allegro molto PAUSE Felix Mendelssohn Bartholdy Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64 1809-1847 Allegro molto appassionato Andante Allegretto non troppo — Allegro molto vivace KURT MASUR, von der Spielzeit 1967/68 ab Künstlerischer Leiter und Chefdirigent der Dresdner Philharmonie, wurde 1927 in Brieg (Schlesien) geboren. Sein Musikstudium begann er an der damaligen Landesmusikhochschule Breslau und schloß es 1946 bis 1948 an der Hochschule für Musik in Leipzig ab, u. a. bei den Professoren H. Bongartz und K. Soldan (Dirigieren). Als Solorcpctitor und Kapell meister ging er zunächst an das Landestheater Halle, 1951 als erster Kapellmeister an die Städtischen Bühnen Erfurt und 1953 an die Städtischen Theater Leipzig. 1955 bis 1958 war er als Dirigent an der Dresdner Philharmonie tätig - seitdem den Dresdner Musikfreunden in bester Erinnerung - und wurde darauf als Generalmusikdirektor und musikalischer Ober leiter an das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin berufen. 1960 bis 1964 wirkte er als Chefdirigent an der Komischen Oper Berlin, der er auch noch als Gastdirigent neben seiner freiberuflichen Dirigententätigkeit verbunden blieb. Kurt Masur gastierte bisher u. a. mehrfach in Polen, Finnland, in der Sowjet union, in Belgien, Ungarn, in der CSSR (so dreimal zum „Prager Frühling“), in Bulgarien, Rumänien und - in jüngster Zeit - in Italien. Im Rahmen dieser Gastspiele dirigierte er führende Klangkörper der genannten Länder, wie zum Beispiel die Moskauer und Lenin grader Philharmonie, die Warschauer und Bu dapester Philharmonie, das Orchestrc National de Belgique, das Moskauer Rundfunkorchester, die Slowakische Philharmonie und viele andere mehr. Ferner machte er zahlreiche Rundfunk aufnahmen, darunter sechs Opern-Gesamtauf- nahmen und etwa einhundert sinfonische Werke. RUGGIERO RICCI ist italienischer Abstam mung und wurde 1920 in San Francisco ge boren. Schon als Knabe zeigte er eine her vorragende Begabung für das Geigenspiel. Neunjährig spielte er bereits mehrere öffent liche Konzerte in seiner Geburtsstadt und in New York, u. a. interpretierte er das Mendels sohn-Konzert. Die Krönung seiner Wunder kind-Laufbahn brachte eine aufsehenerre gende Europa-Tournee, die er im Alter von zwölf Jahren unternahm. Seine Lehrer waren Persinger, Piastro und Kulenkampff. Der zweite Weltkrieg unterbrach zunächst seinen künstlerischen Aufstieg. Doch nach Kriegsende nahm er sofort seine Konzerttätigkeit wieder auf und bereiste alle Kontinente, konzertierte mit fast allen führenden Orchestern. Ricci spielt eine seltene und kostbare Guarnerius- dcl-gesu-Violinc aus dem Jahre 1734. Er ge hört zu den besten Geigern der Welt. Mit der Dresdner Philharmonie konzertierte er bereits in den Jahren 1958, 1961, 1964 und 1965. ■ ZUR EINFÜHRUNG Giselher Klebe, neben Hans Werner Henze eine der stärksten und profiliertesten Be gabungen der jüngeren Komponistengeneration Westdeutschlands, wurde 1925 in Mannheim geboren. Er studierte in Berlin 1941/43 Komposition bei Kurt von Wolfurt und setzte nach dem zweiten Weltkrieg seine Studien fort bei Josef Rufer, dann bei Boris Blacher, der ihm vor allem bedeutende Anregungen vermittelte. Bis 1948 war er in der Musikabteilung des Berliner Rundfunks kurze Zeit tätig, wirkte dann als frei schaffender Komponist und übernahm 1957 eine Kompositions-Klasse an der Nord westdeutschen Musikakadcmic Detmold, jedoch meist in Berlin lebend. 1950 löste die Uraufführung seiner orchestralen Metamorphosen über Paul Klees Bild „Die Zwitscher maschine“ in Donaueschingen großes Aufsehen und heftige Diskussionen aus. Paul Klees konstruktive Linearität war hier Ausgangspunkt geworden für die formale An lage einer musikalischen Komposition, die durch reizvolle Instrumentierung, eigenwillige Klangphantasie und klare Disposition auffiel. Seitdem hat Giselher Klebe mit zahl reichen Orchester-, Kammermusik- und Konzertwerken sein Talent bewiesen und vor allem — seit 1957 in besonderem Maße - als Bühnenkomponist (u. a. mit den Opern „Die Räuber“, „Die tödlichen Wünsche“, „Die Ermordung Caesars“, „Alkmene“, „Jacobowsky und der Oberst“). Sein steigendes Ansehen in der Öffentlichkeit war früh zeitig von Preisen begleitet: 1952 Westberliner Kunstpreis für Komposition, 1954 Kompositionspreis des internationalen Wettbewerbes für zeitgenössische Musik anläßlich der Tagung „Die Musik im 20. Jahrhundert“ in Rom 1954 (für die heute zur DDR- Erstaufführung gelangende Rhapsodie für Orchester op. 17), 1959 Großer Kunstpreis des Landes Nordrhein-Westfalen. Giselher Klcbcs Kompositionsstil beruht auf der Zwölftonmethode und ist auch den „variablen Metren“ Boris Blachers sowie dem Punk- tualismus verpflichtet. Innerhalb dieser Techniken äußert sich ein bemerkenswerter und starker Ausdruckswille. Seine künstlerische Entwicklung hat der Komponist mit folgenden Worten skizziert: „Während des Krieges hatte ich Gelegenheit, die Partituren von Schönbergs Bläser quintett und Drittem Streichquartett zu studieren und mich zum erstenmal mit der Tech nik der Reihenkomposition auseinanderzusetzen. Während meine Kompositionen nach dem Kriege bis zur ,Zwitschermaschine‘ nur unverbindliche Ansätze in der Anwendung der Komposition mit zwölf Tönen hatten, erkannte ich bei der Arbeit an meinem Streichquartett op. 9, daß mir die serielle Kompositionstechnik die von mir gesuchte Möglichkeit bietet, eine optimale Verbindung von Einfall, Ausdruck und Verbindlichkeit der Konstruktion herzustellen. Die musikalische Grundidee des Quartetts besteht in der Verkettung von sechs Sätzen mit individuellem Formcharakter durch eine gemein same Zwölftonreihe auf der Basis mehrerer rhythmischer Grundgestalten. Durch Varia tion und Kombination des im ersten Satz aufgestellten Materials gewinnen die anderen Sätze ihr selbständiges Material. Alle seit dem Streichquartett geschriebenen Kompo sitionen sind dem seriellen Kompositionsprinzip verbindlich. Gleichzeitig beschäftigten mich in zunehmendem Maße mathematische Probleme, die meine Phantasie stark an regten und in der Symphonie für 42 Streicher dann zum erstenmal ihren Niederschlag fanden. Sind diese mathematischen Überlegungen in dieser Symphonie noch rein formal, ohne auf die musikalische Gestaltung innerhalb der Reihe einzuwirken, so durchdringen sich in den folgenden Kompositionen immer mehr beide Gestaltungsprinzipien, um sich in der .Rhapsodie“ fast untrennbar zu vereinigen.“ Klebe ist dabei kein dogmatischer Anhänger irgendwelcher „Kompositionstechniken“, sondern bedient sich der von ihm angewandten Mittel mit Souveränität und Phantasie, mit der Vitalität seiner vielseitigen Natur, stets auf der Suche nach neuen musikalischen Ausdrucksbereichen. Die ausdrucks mäßige Haltung seiner Musik verbindet sich mit dem Streben nach geistiger Konzen tration und konstruktiver Ordnung. „Es gibt in der Musik“ - so bekennt er - „unend lich viele Möglichkeiten der Aussage, die nicht unbedingt in strengster Abgeschlossenheit nebeneinander existieren müssen. Im Gegenteil: durch wechselseitiges Durchdringen und Verschmelzen der verschiedensten Elemente bleibt das musikalische Erlebnis vital. Man kann, meiner Ansicht nach, nur auf diesem Wege einer Erstarrung in sterile Rein kulturen begegnen.“