Volltext Seite (XML)
Die Rhapsodie für Orchester op. 17, ein preisgekröntes Werk also, worauf schon hinge wiesen wurde, erlebte ihre erfolgreiche Uraufführung am 12. April 1954 beim Inter nationalen Musikfest in Rom unter Hans Rosbaud. Der Komponist stellte der Partitur seiner 1953 geschaffenen knappen Komposition folgende Einführung voran: „96 Varia tionen über das Thema (die ersten 5^2 Takte) gliedern die Rhapsodie in vier Teile. Die Reihe unterliegt mannigfaltigen Veränderungen und wirkt als Regulativ zwischen den kleinsten Teilchen der Variationen und den ganz von Einfall und Ausdruck bestimmten Melodien, die sich nicht an die Grenze der einzelnen Variationen halten, sondern diese überschneiden. Da die ganz dem Einfall folgenden Melodien wiederum - als Ausdruck der Rhapsodie - ihre Gesetze für die Gliederung der Variationen und der Reihenper mutationen bis zu den Partikeln der Konstruktion geben, entsteht dauernd eine innige ausdrucksmäßige und konstruktive Wechselwirkung innerhalb des engen Strukturge flechts der Komposition.“ Bela Bartöks, des genialen ungarischen Meisters, Werke gehören zu den stärksten musi kalischen Leistungen unseres Jahrhunderts. Sein Schaffen wurzelt wie das seines Freun des Zoltän Kodäly zutiefst in der Volksmusik Ungarns. Dank seiner überragenden schöpferischen Persönlichkeit gelangte er zu einer neuartigen, faszinierenden Tonsprache, in der er folkloristischc Elemente mit dem klassischen Formprinzip verschmolz. Hat Bartöks zweisätziges erstes Violinkonzert aus den Jahren 1907 08 noch als Jugendwerk zu gelten, entstanden in der Auseinandersetzung mit dem Geiste Berliozscher und Liszt scher Monothematik, gehört das heute erklingende Konzert Nr. 2 für Violine und Or chester, das in fast 1'/^jährigem Ringen 1937/38 - als nächstes auf die Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta folgendes Orchesterwerk - komponiert wurde, zu den eigengeprägtesten, reifsten Werken seines Schöpfers aus seiner letzten, heute schon klassischen Schaffensepoche, in dem Inhalt und Form zu meisterlicher Ein heit verschmolzen sind. Wie hier Elementares und Geistiges, urwüchsiges, aus der unga rischen Folklore schöpfendes Musikantentum mit strengstem Formwillen verbunden sind, das hat etwas Einmaliges. Ursprünglich hatte dem Komponisten ein großangelegtes Variationswerk für Violine mit Orchesterbegleitung vorgeschwebt. Der Geiger Zoltän Szekely, in dessen Auftrag Bartök das Konzert schrieb und dem er es auch widmete, bestand jedoch auf der „klassischen Konzertform“. Als die Komposition vollendet vorlag - übrigens eine der letzten, die er noch vor der Emigration in der ungarischen Heimat schrieb —, gestand Bartök Szekely, daß er seinen eigentlichen Plan doch ausgeführt habe, da der dritte Satz eine freie Variation des ersten sei. Das Werk ist also in einer dreiteiligen Brückenform geschrieben. Das Hauptthema des ersten Satzes ist mit seinen vielen Quarten typisch ungarisch, das des langsamen Mittelsatzes ist einer der schönsten melodischen Einfälle des Komponisten. Die Uraufführung des Konzertes fand am 23. April 1939 in Amster dam mit dem Concertgebouw-Orchester unter Leitung von Willem Mengelberg statt - heute gehört es längst zum Repertoire aller großen Geiger. Ychudi Mcnuhin bezeich nete es als das beste Violinkonzert seit Brahms. Es wirkt durch die Klarheit und strenge Gcprägtheit seiner Themen, durch die Schönheit des Klanges eines wohlbe- handelten Orchesters, durch die Wahrheit seiner Aussage, die nicht vor Härten zurück schreckt. Der Budapester Musikologe Zoltän Gärdonyi schrieb über den Aufbau des Werkes folgendes: „Nach klassischem Muster ist Bartöks Violinkonzert in drei Sätze gegliedert: Allegro non troppo, Andante tranquillo, Allegro molto. Der erste Satz faßt die Ge gensätze der Thematik in einer festgefügten Sonatenform zusammen. Das energische, melodisch weitschwingende Hauptthema zeigt entschlossenen Charakter. Es steht in unversöhnlichem Gegensatz zu den übrigen Motiven. Bartök redet in seinem Violin konzert keine milde Sprache: Wie er spricht und was er zu sagen hat, wirkt hier ge radezu aufrüttelnd. Innere Kämpfe sind in ihrer bitteren Realität wiedergegeben. Es gibt in diesem Werk keine Zuflucht zu besänftigenden melodischen und harmonischen Phrasen der Vergangenheit. Schon die häufigen Tempoveränderungen zeugen davon, daß es sich um etwas Aufregendes handelt. In der Solokadenz wird für Bartök selbst das Tonsystem zu eng: Er verlangt vierteltönig verschärfte Leittonschritte. Indessen ge wahren wir in alledem den Sieg einer außergewöhnlichen Willenskraft über die innere Krise der Vorkriegsjahrc. - Im zweiten Satz trägt die Solovioline ein sanftes Gesangs thema vor. In den darauffolgenden sechs freien Variationen werden aus dem Thema mannigfaltige Kontraste entwickelt. Die Geschlossenheit des Satzes wird durch die Wie derkehr des Themas am Schlüsse der Variationsreihe erreicht. - Das Thema des Schluß satzes zitiert den umgeformten Anfang des Hauptthemas aus dem ersten Satz. Im weiteren Verlauf wird dieses Thema stets anders und immer weniger geschlossen ge staltet.“ Eines der bekanntesten und meistgespielten Violinkonzerte überhaupt ist neben den berühmten Konzerten von Beethoven, Brahms und Tschaikowski das Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64 von Felix Mendelssohn Bartholdy. Das Werk — übrigens wie die Schöpfungen der ebengenannten Meister auch Mendelssohns einziger Beitrag zu dieser Gattung - entstand in seiner endgültigen Gestalt im Sommer 1844 in Bad Soden, wo der Komponist im Kreise seiner Familie heitere, ungetrübte Ferientage verlebte; erste Entwürfe dazu stammen jedoch bereits aus dem Jahre 1838. Am 13. März 1845 wurde das Violinkonzert im Leipziger Gewandhaus unter der Leitung des dänischen Komponisten Niels W. Gade durch den Geiger Ferdinand David ur aufgeführt, für den es geschrieben worden war. Nach der erfolgreichen Uraufführung schrieb David an den ihm befreundeten Komponisten einen begeisterten Brief, in dem es u. a. über das Werk hieß: „Es erfüllt aber auch alle Ansprüche, die an ein Konzert stück zu machen sind, im höchsten Grade, und die Violinspieler können Dir nicht dankbar genug sein für diese Gabe.“ Bis heute hat sich dieses Urteil nicht geändert; vereinigt das unverblaßt gebliebene Konzert, das sich vor allem durch seine har monische Verbindung von Virtuosität und Kantabilität auszcichnet, doch auch wirklich in schönster Weise alle Vorzüge der Schaffensnatur seines Schöpfers: formale Ausgewogen heit, gedankliche Anmut und jugendliche Frische. Ohne Einleitungstutti beginnt der schwungvolle erste Satz mit dem vom Solisten vor getragenen gesanglichen Hauptthema von echt violinmäßiger Prägung. Neben diesem Thema werden im Verlaufe des von blühender romantischer Poesie erfüllten Satzes noch ein ebenfalls sehr kantabler Seitengedankc und ein liedhaftes, ruhiges zweites Thema bedeutsam, das zuerst durch die Bläser über einem Orgclpunkt des Soloinstrumcntes erklingt und dann von diesem aufgegriffen und weitergeführt wird. - Wie eines der Mendelssohnschen „Lieder ohne Worte“ mutet der durch einen liegenbleibenden Ton des Fagotts angeschlossenc dreiteilige Mittclsatz an, ein Andante in wiegendem 8 /g-Takt. Echt romantischer Elfenzauber wird schließlich im geistsprühenden, prickelnden Finale, das in seinem Charakter der kurz vorher vollendeten „Sommernachtstraum“-Musik des Komponisten nahesteht, in überaus poetischer, stimmungsvoller Weise heraufbeschworen. In festlichem Glanz beendet dieser besonders virtuose, dabei musikalisch ebenfalls substanzreiche Satz das Werk. Dr. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNG : 27. und 28. Mai 1967, jeweils 19.30 Uhr, Kongreßsaal (Einführungsvorträgc, jeweils 18.30 Uhr. Dr. Dieter Härtwig 10. ZYKLUS-KONZERT Dirigent: Carl von Garaguly, Schweden Solistin: Hanncrosc Katterfcld, Dresden, Alt Werke von Zoltän Kodäly Anrecht B Programmblätter der Dresdner Philharmonie - Spielzeit 1966/67 — Künstlerischer Leiter: Prof. Horst Förster Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Ausbildungsstätte 40939 III 9 5 1,5 467 It G 009 37 67 16. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1966/67