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Zschopau«» Tageblatt und Auzelger )?». 102 Dienstag, de» S. Mai 1918 Rah mH Fer« Fritz Blechschmidt. den Sieg sicherte. Tmei - Sport - Spiel 1. ZFC. r siegt in Grobolbersdorf. To. Grotzolbersdors 1-1. ZFC. 2 8:4! Die 2. Mannschaft des Clubs, die sich mit 3 Mann aus der 1. Elf verstärkt hatte, trat am Sonnabend in Grotz- olbersdorf der 1. Elf des dortigen TV. gegenüber und siegte nach interessantem und wechselvollem Spiele mit 4:8 Toren. Die Platzherren lagen anfangs überraschend mit 8:1 Toren in Front, mußten sich jedoch dem besseren Können der Club reserve beugen, die ihren Rückstand bald aufholte und wenige Minuten vor Spielende durch prachtvollen Schutz von Höll BücherW Filmkunst — Filmkitsch — Film-Korruption. Ein Streif- zug durch vier Filmjahrzehnte. Mit SO Porträts und 21 Ab bildungen auf 16 Bildtafeln. Geb. 4,80 Verlag Her mann Scharping, Berlin SW. 68. Das fesselnd geschriebene und mit vielen Bildern auSgcstattete Werk schildert an Hand von geradezu profundem Tatsachenmaterial die korrupte Juüenwirtschaft, aber aus dem eigenen Erlebnis der Ver fasser auch den leidenschaftlichen Kampf und den endlichen Triumph der Streiter für den deutschen Film. Das dem unbekannten Soldaten einer wahren Filmkunst gewidmete polemische Erlebnisbuch wird auch dem Eingeweihten eine Fülle bisher unbekannter Tatsachen vermitteln; für die deutsche Filmgeschichte ist es von dokumentarischem Wert. FranzöflschrS Privatflua-eug abgefiürzt. — vier Tote. Ein Privatflugzeug, das vom Flugplatz Louff»L-l«- N o bl» mit fünf Personen und dem Flugzeugführer gestartet war, stürzte in der Gegend von Bar-le-Duc ab. Vier der Insassen kamen dabei ums Leben, der fünfte wurde in hoffnungslosem Zustand ins Krankenhaus übergeführt. Eine ungeheuerliche Bluttat beging ein Jude in dem Pol nischen Städtchen Szumsk. Er stach ohne jeden Anlab »ine» polnischen Waldhüter nieder. Als die entrüstete Bevölkerung des Städtchens und die aus dem Markt weilenden Bauern von dieser Messerstecherei erfuhren, gaben sie ihrer Entrüstung durch Zerstörung der jüdischen Marktständ« und jüdischer Läden Aus druck. Acht Juden wurden schwer verprügelt. Lastauto in die Schlucht gestürzt — 10 Tot«. BeiAtlixco in Mexiko stürzte ein Lastwagen beim Ueberaueren einer Brücke in ein« zwanzig Meter tiefe Schlucht, weil der angetrunkene Wagenlenker die Macht über den Wagen verloren hatte. Zehn Insassen wurden getötet. Von den 32 Verletzten werden einige auch kaum mit dem Leben davonkommen. Autobus vom Zug überrannt. Bei der portugiesi schen Stadt Viana do Castello wurde ein Autobus mit Heini- kehrenden Teilnehmern an einer Maifeier an einem Sisen- bahnübergang vom Zuge erfaßt. Der Autobus wurde völlig zertrümmert. 21 Personen wurden getötet, etwa 19 zum Teil schwer verletzt. Kurze Nachrichten Berlin. Der Führer und Reichskanzler hat General Franco anläßlich des spanischen Rationaktages drahtlich seine Glückwünsche übermittelt. Berlin. Der Führer und Reichskanzler hat dem Dichter Hermann Graeden er in Wien zu seinem 60. Ge burtstag in Anerkennung seiner Verdienste um das deutsche Schrifttum und seines Wirkens um den großdeutschen Ge danken die Goeth e - Medaille für Kunst und Wissenschaft verlieben «M-NMs-M Mittwoch, de« 4. Mai. Deutschlaudseuder. 6.00 Morgenruf. 6.10 Konzert. 6.00 Nachrichten. 6.80 Konzert. 7.00 Nachrichten. Ü.40 Kleine Turnstunde. 10.00 Hörfolge. 10.30 Fröhlicher Kindergarten. 11.30 Dreißig bunte Minuten. 12.00 Konzert. 13.43 Nachrich ten. 14.00 Allerlei — von Zwei bis Drei. 18.00 Wetter, Börse, Marktbericht. 15.15 Eine kleine Tanzmusik. 15.40 Hauswirtschaftsmeisterinnen erzählen. 16.00 Musik am Nach mittag. 17.00 Aus dem Zeitgeschehen. 18.00 Klaviermusik. 18.25 Musik auf dem Trautonium. 18.40 ... und dann kracht der Startschuß. 19.00 Kurznachrichten. 19.10 Konzert. 20.00 Reiseberichte — Fremde Gesichte. 21.00 Stunde der jungen Nation. 21.30 Beliebte Walzermelodien. 22.00 Presse, Wet ter, Sport. Deutschlandecho. 22.30 Eine kleine Nachtmusik. 23.00 Im Wiener Dialekt. Leipzig. 5.50 Nachrichten, Weiter. 6.00 Gymnastik. 6.80 Konzert. 7.00 Nachrichten. 8.00 Gymnastik. 8.20 Kleine Mu sik. 8.30 Musik am Morgen. 9.30 Petit tableau parisicn. 10.00 Hörfolge. 10.30 Wetter, Tagesprogramm. 11.15 Er zeugung und Verbrauch. 11.35 Heute vor... Jahren. 11.40 Weide aus Unlanb. 11.55 Zeit, Wetter. 12.00 Musik für die Arbeitspause. 13.00 Zeit, Nachrichten, Wetter. 13.15 Kon zert. 14.00 Zeit, Nachrichten, Bürs«. Tonfilm und Operette. 15.00 Das singende Land. 15.30 Alle Wiesen sind grün. Kin- berliedersingen. 16.00 Konzert. 17.00 Zeit, Wetter, Wirt schaftsnachrichten. 18.00 Das Deutschtum im Karpathen- raum. 18.20 Klaviermusik. 18.50 Umschau, Nachrichten. 19.10 Arbeitskameraden. 20.00 Volkstänze. 21.00 Neichsscndung: Stunde der jungen Nation. 21.30 Volkstänze. 22.00 Nach richten, Wetter, Sport. 22.20 Verwurzeltes Blut. 22.40 Tanz und Unterhaltung. Aufruhr in Palästina wächst Wieder sechs Polizisten erschossen Die Unruhen in Palästina nehmen immer be drohlichere Ausmaße an. Bei einem Ueberfall auf ein tlraberdors wurden wieder sechs Polizisten durch Freischärler erschossen. Außerdem wurde das Land durch zahlreiche weiter« Ueberfälle auf Siedlungen und Autoomnibusse, Lockerung von Eisenbahnschienen, Zerstörung von Telephonleitungen usw. tn Unruhe der- setzt. Die vermehrte Aufruhrtätigkeit wird als eine Ant wort auf die Ankunft der britischen TeilungSkommisfion gedeutet, die gegenwärtig unter starker militärischer Be wachung in Panzerwagen durch das Land reist. Die arabische Presse beschwert sich bitter darüber, daß 160 000 Pfund von der Mandatsreaierung, auS dem San- desvermögen, an eine jüdische Firma für den riesige« Stacheldrahtzaun verschleudert wurden, durch den bi« palästinensische Nordgrenze vom Bruderland Syrien getrennt werden soll. Dieser 80 Kilometer lange Stachel- drahtwall wird 3 Meter hoch sein und mit elektrischer Hoch spannung geladen werden. Ilm SOO« Goldschilliog Wegen vierfachen Giftmordes vor Gericht Vor dem Wiener Schwurgericht begann die Verhandlung über einen Straffall, wie ihn die österrei chische Kriminalgeschichte bisher nicht gekannt hat. Ange klagt ist die 40jährige Halbjüdin Marta Marek wegen vierfachen Giftmordes und versuchten Gift mordes in einem Falle sowie wegen versuchten Betruges. Die Angeklagte wird beschuldigt, ihren Gatten Emil Marek, ihre sieben Monate alte Tochter Ingeborg, ihre 67jährige Großtante Susanne Löwenstein, die sie zur Uni- versalerbin gesetzt hatte, sowie die 54jährige Schneiderin Felizitas Kittenberger, die von der Marek zum Abschluß eines Versicherungsvertrages auf 5000 Goldschilling ver anlaßt worden war, durch allmähliche Vergiftung mit Thallium getötet zu habt». Der dreijährige Sohn Alfons Marek, der ebenfalls unter Vergiftungserscheinungen er krankt war, konnte gerettet werden. Marta Marek stand schon ini Jahre 1S25 im Mittel punkt eines Versicherungsbetruges, der gegen ihren Gatten Emil Marek geführt wurde. Marek war, wie erinnerlich, einen Tag nach Abschluß einer Versicherung über 400 000 Dollar mit furchtbar verstümmeltem linkem Unterschenkel aufgefunden worden. Bei dem Strafverfahren, das die Oeffentlichkcit seinerzeit stark bewegte, wurden beide Ehe gatten von der Anklage des Versicherungsbetruges frei- aesprocben. 36 000-Tonner für den Nordatlantitdienst der Hapag- Amrrika-Linie. Die Hamburg-Amerika-Linie hat auf der Werft von Blohm u. Voß einen großen Neubau für den Nord- atlantikdienst in Auftrag gegeben. Das Schiff soll 36000 Brutto- ReMer-Tonncn messen und 1300 Fahrgäste in drei Klassen befördern können. Mi, der vorgesehenen Geschwindigkeit von «twa 23 Seemeilen wird der Neubau in der Lage sein, di« Strecke Kanashäsen-New York in 6 Tagen und dir Streck« Hamburg-New York in sieben Tagen »urückzulegen. Beim Slbribrnanzrigen tödlich getroffen. Bei einem VoNS- fest in HeringSdors ereignete sich auf dem Kleinkaliber- fchießstand ein tragischer Unfall. Ein 17jähriger, der sich als Scheibenanzeiaer betätigte, wurde, als er feinen Unterstand verließ, von einer Kugel tödlich getrosten. Motorräder rasten aufeinander. -- Drei Tote. In Lan« genbielau im Eulenacbirge stießen nachts zwei Motorräder zusammen. Die beiden Fahrer und ein Mitfahrer erlitten so schwer» Verletzungen, daß sie bald darauf starben. HM Wirtschaft M Verkehr Amtliche Berliner Notierungen vom 2. Mai (Sämtliche Notierungen ohne Gewähr) Berliner Wertpapierbörse. Der Aktienmarkt zeigte eine uneinheitliche Tendenz. Das Interesse scheint hier etwas nachgelassen zu haben Am Renten markt bestand am Markt der Kommunalobligationen Abgabeneigung. Am Psand- briefmarki konnte infolge der Erhöhung des Angebots auf Re partierung zum Teil verzichtet werden. Am Geldmarkt stellte sich Blankotagesgeld aus 3 bis 3,25 v. H. Berliner Devisenbörse. (Telegraphische Auszahlungen.) Argentinien 0,651 (0,655); Belgien 41,88 (41,96); Dänemark 55,36 (55,48); Danzig 47,00 (47,10); England 12,40 (12,43); Frankreich 7,612 (7,628); Holland 138,41 (138,69); Italien 13,09 (13,11); Jugoslawien 5,694 (5,706); Lettland 49,10 (49,20); Litauen 41,94 (42,02); Norwegen 62,32 (62,44); Polen 47,00 (47,10); Schweden 63,90 (64L2); Schweiz 57,20 (57,32); Tschecho slowakei 8,651 (8,669); Vereinigte Staaten von Amerika 2,487 (2,491). Berliner Preisnotierungen sür Hühnereier in Reichs- Pfennigen je Stück für waggonweisen Bezug, frachtfrei Empfangsstation, verzollt Und versteuert, einschließlich Unter- schiedsbetrag, einschließlich Kennzeichnung, Verpackung und Banderolierung. I n l a n dS ei e r: l. 61 (vollsrisch): Sonder klasse 65 Gramm und darüber 11,25, Größe -1 60—65 Gramm 10,75, Größe 8 55—60 Gramm 10,25, Größe L 50—55 Gramm 9,50, Größe v 45—50 Gramm 8,75; II. 6 2 (frisch): Sonder- klasse 11, Größe ä 10,50, Größe L 10, Größe c 9,25, Größe v 8,50; lll. Anssortierte (absalleude Wäret' 45 Gramm nnv --r- ' '91'1 «I -York) '98'8 I ryoiN '91'8 8 '09'6 V rYgrK 'M sjjvnrsquoS : a, > r s n v tz z y g » — (;rsiuojnn) mmviG 99—19 wnwläH uszorß 'W'g (lismojun) mmviG wnivpo usivöinK -98'8 0 rygik) '6 I -iMA '91'6 » rYoiG 'n.-gf V rYoiG '91'01 rssv;j"quoA -nsuvumu; « »inisnrvaitz urnrnyJ »szinT 'uslUvZovnJ 'urvvun 'uZivthnW Mswtk 'rsnv;iI 'us;;sg 'uquvfiJ '»qnv»jN '»fvfSK uruufZ '„v-mioU n-upT 'uquvgoH :isf»squv, - ? nL — V9'6 »nuvitz» gg xig 'gg yi muiviG 09 »9» tdiriuoj) ttunzis- istzrjiquvfKnv gun -u, »„urms, g rs;univq 'gi'g rsqy wsr ist Hilds Hild? Voit Josef Riener. Lopf'right by Prometheus-Verlag vr. Llchacker, Gröbenzell b. München. (I. Fortsetzung.) „Geboren" ist sie in demselben Jahr, wie der Ringclhies- baner abgebrennt is, dös war... dös war im Acht- «ndneuzgerjahr, glnab i. Aber wann's g'storbn ist, dös woatz i »et, dös kunnt nur der Herr Pfarrer wissen." Philipp bedankte sich und ging ans sein Zimmer, wo er die entwickelten Platten bereits vorfand. Erneut ver senkte er sich in das Bild, es zog ihn an und ließ ihn nicht mehr los. Angestrengt grübelnd, deckte er plötzlich in spielerischer Zerstreutheit die Biedermeierfrisur und das modische Kleid vergangener Zeiten zu, und... Jäh überkommt ihn die Erkenntnis: Er sieht das Gesicht mit einemmal von einer Schwesternhaube um rahmt, sieht ein hochgeschlossenes Kleid, dir Glasspanae mit dem Noten Kreuz, er sicht ein kahles Zimmer mit Feldbetten und Holztischen, er glaubt Kohlenrauch zu riechen und Lokomotivpfrifen zu hören, und die Tore* der Vergangenheit rollen auseinander und geben weiten Blicken Naum. In düsterer Fülle überstürzen sich die Erinnerungs bilder, und nun glaubt er: Diese Frau, ist keine andere als iene Krankenschwester vom Wiener Nordbahnhof, die ihr Gedächtnis verloren hatte. Ist sie es wirklich? Au einem nebligen Novembertag des Jahres 1918 hatte er mit einem Maschinengetvehr seines Reoimcnts die Wache am Nordbahnhof in Wien bezogen. In dem Hexenkessel der Revolte schien der Puls der Stadt nur bei den Bahnhöfen zu schlagen, wo Heimkehrer ankamen und sortfnhren, wo Uniformstücke nnd armselige Bente verschachert wurden, wo alle möglichen Gerüchte ent standen nnk wo sich Verräter ihre Opfer holten. Gegen A end sammelte Leutnant Philipp Spielvogel seine Leute auf dem Bahnsteig und brachte zwei Maschinengewehre in Stellung, um im Notfall die Gleise der Lauge nach abstreuen zu könne». Transport über Transport langte an. Da tauchte ein Licht auf der Strecke auf, immer größer wurde es, das Bkocksignal klingelt, und polternd Pürzen die Soldaten ans dem Wachzimmer. — Langsam fuhr der Zug ein. Ein stämmiger älterer Korporal, der auffallend stramm grüßte, trat an Spielvogel heran. „Herr Leutnant, bitte gehorsamst, sind wir in Wien?" „Ja, wanim?" „Melde geborsamst. wir haben eine Krankenschwester Im Wagen, die ich tn Wien dem Bahnhofskommando übergeben soll. Hier sink ihre Papiere." Philipp entfaltete die Blätter. Es findet sich darunter . ein zweiseitiger VerpfleznngS'.ettel, e--gestellt vom Etappen-Stationskommando Sarajewo, der neben Stempel und handschriftlichem Vermerk auf eine Krankenschwester, Name unbekannt, etwa 23jährig, deutscher Nationalität lautete. „Wer kann das Geschreibsel lesen!" brummte Philipp. „Melde gehorsamst, es ist vom Sanitätszimmer am Bahnhof in Graz", sagte der Korporal. „Der Oberarzt hat die Schwester untersucht und mir befohlen, sie in Wien dem Bahnhofskommandanten zu übergeben." Mühsam konnte Philipp entziffern: „Kranke untersucht, Herz, Puls, Pupillenreflex normal, Kniesehnenreflex ziem lich' lebhaft. Verheilte Narbe am linken Scheitelbein, Er innerungsvermögen vollkommen erloschen. Offenbar schwere seelische Erkrankung. Sofort au die Psychiatrische Klinik in Wien abzngeben!" „Gedächtis erloschen?" fragte Philipp. „Stimmt das, Korporal?" „Jawohl Herr Leutnant. Sie weiß gar nichts von sich, nicht einmal ihren Namen." „Wie kommt sie denn in euren Transport?" „Wir sind vom 17. Schützenreguneul, von oem mein Bataillon seit April in Sarajewo Garnisondienst machte. Eines Tages wurde ein Transport zusammengestellt und aus zerstreuten Abteilungen ergänzt, die in Galizien und au der Balkanfront gekämpft hatten. Da waren auch ein paar Leute dabei, die jene Schwester bei sich gehabt haben. Diese Gruppe hat sich schließlich uns angeschlossen, im Gedränge bei der Abfahrt haben wir sie aber verloren, nur die Schwester ist uns geblieben. Wir haben sie mitgenommen und verpflegt. Da die wenigen Worte, die sie spricht, deutsch sind, wollte ich sie Kem ersten Bahnhofskommando auf deutschem Gebiet über geben. Die erste Station war Graz. Aber der Oberarzt dort hat mir gesagt, ich solle sie in Wien übergeben, weil da eine große Klinik sei." „Gut, Korporal", sagte Philipp und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Ich werde sie übernehmen und der Klinik übergeben. Wo ist die Schwester?" Sekunden später beugte Leutnant Smelvogel sich über eine in ein Zeltbett' gewickelte Frauengestalt. Der Lampcn- kegel beleuchtete eine große blasje Frau in der Tracht einer Krankenschwester. Heißes Mitleid ergriff Philipp, als er in das Gesicht mit den tiefliegenden schwarzen Angcn blickte. Mit Hilse eines Postens führte er die Frau laugsam über den Bahnsteig. Sie blieb stumm. „Hat sie wirklich keine Papiere bei sich?" „Nichts, Herr Leutnant", antwortete der Korporal. „Sie hatte kein Gepäck, und wir wissen nichts über sie." Philipp drückte dem Korporal die Hand. Diesmal ließ er die Untersuchung des Waggons ausfallen, er verständigte den Zugführer und begab sich mit der Kranken in das Nachtzimmer. Bei Tisch saß die Schwester regungslos, den Kopf tief gebeugt. „Bring ein Glas Tee her!" sagte Spielvogel zur Or donnanz, ..mit einem lückniaen Scimtz Nnm." Als der dampfende Tee vor ihr auf dem Tische stand und sie mechanisch wie im Traum die ersten Züge gierig schluckte, glaubte Philipp, einige Fragen stellen zu können. Er erhielt keine Antwort. Plötzlich senkte sie ihren Kopf auf seine Schulter und schlief ein. Vorsichtig nahm er sie in seine Arme, legte sie auf ein Bett und hüllte sie in Decken ein. Dann begab er sich in die Bahnhofskamlei, um die Psychiatrische Klinik anzurufen. Eine gute Weile dauerte cs, bis die Verbindung hergestellt war. Der diensthabende Arzt erklärte es aber für unmöglich, jetzt ein Militär- fuhl-werk aufzulreiben und die Kranke abholen zu lassen. In den knappen Pausen, die ihm der Dienst ließ, trat Philipp immer wieder znm Bett und betrachtete er schüttert und ergriffen das Gesicht der Frau, das fetzt, da die Augen geschlossen waren, nicht mehr unheimlich und von wächserner Starrheit erschien, sondern von sanfter, durch den Schlaf entspannter Schönheit. Was mag sie gelitten, welche Abenteuer mag sie über standen haben? Schon dämmerte der Morgen, als endlich ein junger Arzt mit zwei Krankenwärtern erschien. Flüchtig be horchte der Arzt das Herz der Schlafenden und ließ sie dann auf eine Tragbahre schnallen. Philipp übergab ihm den Verpflegungszettel, begleitete ihn bis zum Ausgang des Bahnhofs und warf noch einen raschen Blick auf das schlafende Gesicht. Dann war dieses nächtliche Erlebnis zu Ende. Die bewegten Ereignisse der folgenden Tage, der Ticnst und endlich die kinschneidende Neuerung seines Lebens, der Rückgang vom Truppendienst zum Studium li-tz ihn das Erlebnis der Novembcrnacht in Wien bald re ^cfscn. Fu den karauf folgenden Jahren hatte ihn nichts mehr an sie Frau erinnert, bis heute, als er oben im Man- .a.denstock jenes Bild sah. Aber trotzdem war er damit in seinen Nachforschungen nicht weiter gekommen, da er ja den Namen der Kranken schwester nicht kannte. Vielleicht kann ihm der Pfarrer von Tweng weitcr- helfen. Der nächste Tag hielt das Versprechen, das der Vor abend gegeben hatte. Bei prallem Sonnenschein wanderte Philipp nach Tweng hinunter, einem winzigen Dorf an der Tauernstratze. Der Pfarrer war z« .Hans, saß in seinem gemütlichen, mit altväterlichen Ledermöbeln ausgestattetem Amts zimmer hinter einer Zeitung und war offensichtlich gerne bereit, sich i» ein längeres Gespräch einzulassen. Es war ein behäbiger, rotwangiger Mann von fünfzig Jahren, mit jenem naturnahen und verständnisvollen Wesen, das so viele Verweser der armen Bcrgpfarren des Alpen- landes auszeichnet. lFortsetzung folgt)