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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES H Y G I E N E - M U S E U M ZUR EINFÜHRUNG Sonnabend, den 11. Mai 1968, 19.30 Uhr Sonntag, den 12. Mai 1968, 19.30 Uhr 15. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Kurt Masur Solist: Ralph Kirkpatrick, USA, Cembalo Johann Sebastian Bach 1685-1750 Konzert für Cembalo und Streichorchester d-Moll BWV 1052 Allegro Adagio Allegro Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791 Manuel de Falla 1876-1946 Serenata notturna D-Dur KV 239 Marcia (Maestoso) Menuetto — Trio Rondo (Allegretto — Adagio - Allegro) PAUSE Konzert für Cembalo, Flöte, Oboe, Klarinette, Violine und Violoncello Allegro Lento Vivace Flöte: Helmut Rucker Oboe: Gerhard Hauptmann Klarinette: Werner Metzner Violine: Günter Siering Violoncello: Manfred Reichelt Maurice Ravel 1875-1937 Zum ersten Male Bolero Der amerikanische Cembalist und Musikforscher RALPH KIRKPATRICK wurde im Jahre 1911 in Leominster (Massachusetts) geboren. Er studierte an der Harvard University so wie in Europa bei Nadja Boulanger, Wanda Landowska, Arnold Dolmetsch, Günther Ramin und Heinz liessen. Seit 1933 wurde er in Europa und in den USA durch Konzertreisen und Schallplattenaufnahmen als einer der hervorragendsten Cembalisten der Gegenwart bekannt und erhielt mehrfach hohe Auszeichnungen. Seit 1940 lehrt er an der Yale University, die ihn 1956 zum Professor ernannte. 1964 erhielt er eine Ehrenprofessur der Berkeley University (Ka lifornien). Ralph Kirkpatrick gab wertvolle Urtextausgaben heraus und verfaßte eine grund legende Arbeit über Domenico Scarlatti (1953). Bei Johann Sebastian Bachs Klavierkonzerten (der Meister ver wendete bis zu vier Soloinstrumente) handelt es sich in den meisten Fällen um Übertragungen von Violinkonzerten, zum Teil von fremder Hand stammend. Aus derartigen Transkriptionen ist die Gattung des Klavierkonzertes überhaupt entstanden. Unter dem Klavier verstand man in der Barockzeit natürlich nicht Bis 1800 waren die Grenzen zwischen Kammermusik und Sinfonik, zwischen in timem und festlich-repräsentativem Musizieren, ja zwischen Konzertsaal- und Freilichtaufführungen fließend. So gibt es gerade von Haydn und Mozart sowie ihren Zeitgenossen eine Fülle von Werken, die zwischen Kammermusik und Sin fonik stehen, zwischen Konzertantem und Sinfonischem, die in geschlossenen Räu men ebenso wirken wie im Freien. Zu solchen Schöpfungen, „Unterhaltungsmusik" im besten Sinne des Wortes, rechnen neben den zahlreichen Divertimenti und Kassationen auch die etwa 30 graziösen Serenaden und Nachtmusiken Wolf gang Amadeus Mozarts, die meist frühen Schaffensperioden des Komponisten entstammen. Die Serenata notturna KV 239, eine dieser Kompositionen, nannte der Mozartforscher Alfred Einstein „eins der bezau berndsten Frühwerke Mozarts, nach Klang und Melodik", über Entstehungsanla' und erste Aufführung der im Januar 1776 von dem damals 20jährigen komm nierten Serenata ist uns nichts bekanntgeworden. Einem solistisch besetzte Streichquartett (einem „Concertino" im Sinne des älteren Concerto grosso) wird hier ein Streichorchester gegenübergestellt, das allerdings zumeist nur verstärkende Funktionen hat, bisweilen aber auch selbständig in das musika lische Geschehen eingreift; hinzu treten Pauken. Das in seinem Charakter sehr launige und humorvolle Musikstück ist dreisätzig angelegt. Es beginnt mit einem Aufzugsmarsch der Spieler in „majestätischem" Tempo (Marcia, maestoso), der an die Stelle des üblichen ersten Allegro-Satzes tritt. Der zweite Satz ist ein Menuett mit einem solistischen Trio des Concertinos. In das Finale, ein Rondo mit zierlich-elegantem Hauptthema, sind zwei Intermezzi eingefügt, die nach Ansicht Einsteins nicht von Mozart selbst stammen, sondern dem damali gen Publikum bekannte Zitate darstellen: eine kurze Adagio-Episode und ein anschließender wieder marschähnlicher Allegro-Teil. den modernen Hammerflügel, sondern das Cembalo, dessen Saiten nicht „an geschlagen", sondern „angerissen" werden. Bachs heute wohl populärstes Klavierkonzert, das d-Moll-Konzert (BWV 1052), das noch um 1850 Hans von Bülow als „Nicht-Musik" bezeichnet und sich geweigert hat, es zu spielen, wird von einigen Forschern als nicht „echt" bezeichnet. Möglicherweise hat der Komponist, wie es zu seiner Zeit allgemein üblich war, eine fremde Komposition auf seine Weise umgearbeitet, vor allem kontrapunktisch bereichert. Wiederum griff er dabei auf ein Konzert für ein Streichinstrument zurück, das er auf das „Klavier" übertrug, es sowohl für Cem balo als auch für Orgel einrichtete (als Einleitung zu einer Kantate). Unc^ achtet aller Echtheitsproblematik, die in erster Linie die Fachwelt beschäftig ist das Werk ein herrliches, substanzreiches und tiefgründiges Stück Musik, das in vielen Details (Figuration des Soloinstrumentes, motivisch-imitatorische Be gleittechnik des Orchesters) die unverkennbaren Züge der Bachschen Hand schrift trägt. Ein ernstes, häufig wiederkehrendes Tuttithema der Streicher, scharf synkopiert, das gleich zu Beginn vorgestellt wird, prägt den Charakter des ersten Satzes (Allegro). Neue Klangfiguren dazu entwickelt der Solist. Am Beginn und am Schluß des Adagios steht eine einstimmige Figur von dunklem Ausdruckscharak ter, über die sich eine stark verzierte Melodie entfaltet. Cembalo und Violinen duettieren in kanonischer Führung. Ein energisches Profil besitzt der Schlußsatz, der auf die gegensätzlichen Themen von Tutti und Solo begründet ist und seine Spannungen aus deren Widerstreit erhält. Durch den Welterfolg einiger Werke ist Manuel de Falla eine Art Re präsentant oder Idealtyp des spanischen Musikers geworden. Dabei war er eine