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Menschen treuer sei, die Frau oder der Mann; das Liebespaar Hüon und Rezia wird von ihnen auf die Probe gestellt, weiß aber alle Prüfungen zu bestehen, und so versöhnen sich auch Oberon und Titania am Schluß wieder miteinander. Zu dem für den Geschmack des englischen Publikums als großes Schau- und Ausstattungsstück konzipierten Text, der dem Werk trotz zahlreicher späterer Bearbeitungen den durchschlagenden Bühnenerfolg auf die Dauer sehr er schwerte, schrieb der Komponist eine kostbare, bunt leuchtende Musik von orien talischem Reiz und doch echt romantisch-deutschem Märchenton. Neben der meisterhaften, häufig auch im Konzertsaal erklingenden Ouvertüre ist das wohl berühmteste Musikstück aus „Oberon" die große, sogenannte „Ozean-Arie“ der Rezia aus dem 2. Akt, „Ozean,du Ungeheue r“. Dieser musikalische Höhepunkt fällt mit dem dramatischen Höhnpunkt der Oper zusammen: Rezia ist nach einem gewaltigen Seesturm, der das Schiff, auf dem sie sich mit Hüon befand, zum Scheitern gebracht hat, an eine öde Felsenküste verschlagen wor^ den; sie entdeckt schließlich in der Nähe der Küste ein Schiff und ruft es durcfl Winken herbei. Die ausgesprochen dramatisch angelegte, musikalisch hinreißende Soloszene bringt nach erregenden, leidenschaftlichen Ausbrüchen des Anfangs ein großartiges Naturgemälde. Rezias aufbrechender Jubel über das entdeckte Schiff gipfelt in dem jubelnden, von größtem musikalischen Schwung erfüllten Bekenntnis ihrer Liebe zu Hüon. Webers Oper „Euryanthe" wurde 1823 in Wien uraufgeführt. Trotz anfäng lichen Erfolges, der wohl mehr der Person des durch seinen „Freischütz" bereits weltberühmt gewordenen Komponisten galt, konnte sich das Werk durch das unzulängliche, verworren-romantische Libretto der Dichterin Helmina von Chezy (1783—1856) nicht im ständigen Repertoire der Musikbühnen halten. Auch ver schiedenartigste Bearbeitungen vermochten an dieser Tatsache bis heute nichts zu ändern. Die im mittelalterlich-ritterlichen Milieu spielende, sehr verschlungene und ziemlich unlogische Handlung stellt zwei Paare, ein positives und ein nega tives gegenüber: Euryanthe, Braut des Ritters Adolar, wird vor dem düsteren Lysiart begehrt, die finster-dämonische Eglantine (eine Art Vorläuferin der Ortrud aus Wagners „Lohengrin") ihrerseits liebt Adolar. Euryanthes Treue wird auf die Probe gestellt, und der Schein gibt ihr eine Zeitlang unrecht, bis sich am Ende ihre Unschuld erweist und die feindlichen, bösen Mächte vernichtet werden. Trotz des dramaturgisch schwachen Textbuches enthält die Musik dieser „Großen hero isch-romantischen Oper" wieder zahlreiche unvergleichliche Perlen Weberscher Kunst, vor allem in den lyrischen und ritterlich beschwingten Partien. Von packen der musikalischer Wirkung und echter Dramatik ist jedoch auch Lysiarts große Szene „Wo berg ich mich" aus dem 2. Akt, in ihrem Seelenaufruhr eina| Nachtszene von erregender Dämonie. Lysiart, dem es nicht gelungen ist, Eur'H anthe zur Untreue zu verführen, sinnt hier auf Rache, um sie und Adolar zu vernichten. Nur eine — wenn auch nicht unwesentliche — Episode blieb seine Dresdner Zeit für den 1795 in Zittau geborenen Heinrich Marschner, einen stilistisch zwischen Weber und Wagner stehenden romantischen deutschen Opernkompo nisten. Marschner, der in Leipzig Jura studiert und daneben kompositorische Studien bei Thomaskantor Johann Gottfried Schicht getrieben hatte, war zunächst als Musiklehrer und Kapellmeister in Preßburg tätig, ehe er sich nach Dresden wandte. Grund dafür war die 1820 hier erfolgte Einstudierung eines seiner frühen Bühnenwerke, der von Weber zur Uraufführung angenommenen Oper „Hein rich IV. und D’Aubigne“; der Erfolg des Werkes veranlaßte Marschner, sich 1821 in Dresden niederzulassen. Er trat in Verbindung zu dem Kreis um Tieck und den „Freischütz"-Dichter Friedrich Kind und schrieb mehrere Schauspielmusiken für das Dresdner Theater. Zu Weber ergab sich allerdings kein näheres Verhältnis. Nach erfolgloser Bewerbung um das Kreuzkantorat fand Marschner 1824 eine Anstellung als Musikdirektor an der Dresdner Oper, löste aber bereits 1826 sei nen Vertrag wieder, als er nach Webers Tode keine Aussicht hatte, dessen Nach folger zu werden. Die nächsten Stationen seines künstlerischen Wirkens waren das Stadttheater Leipzig und schließlich Hannover, wo er von 1830 bis zu seiner Pensionierung 1859 Kapellmeister (zuletzt GMD) am Hoftheater war und 1861 starb. Von Marschners zahlreichen Bühnenwerken (Opern, Singspielen, Schauspielmu siken, Festspielen), die neben Kammermusik und vielen Liedern den Schwerpunkt seines kompositorischen Schaffens darstellten, war drei Werken ein starker und nachhaltiger Erfolg beschieden: den Opern „Der Vampyr" (1828), „Der Templer und die Jüdin" (1829) und vor allem der Romantischen Oper „Hans Hei- ling“ (1833), seinem bedeutendsten Werk überhaupt. Dieser Oper, deren Text Philipp Eduard Devrient verfaßte, liegt eine alte Volkssage aus dem Erzge birge zugrunde, nach der ein Berggeist ein irdisches Mädchen, das seine Liebe verschmäht hat, aus Eifersucht am Hochzeitstag mit ihrem Bräutigam und der ganzen Hochzeitsgesellschaft in Stein verwandelt —ein echt romantischer Stoff aus der Märchen- und Sagenwelt also, der indessen in Marschners Oper durch einen versöhnlichen Schluß abgewandelt wurde: über alle dämonisch-übersinnli chen Kräfte triumphiert die Liebe zweier junger Menschen, während der Erdgeist Hans Heiling durch Leid geläutert ins Geisterreich zurückkehrt. Echte Volkstüm lichkeit in gelungener Verschmelzung mit dem Einbruch des dämonischen Ele ments, romantische Ehrlichkeit und Einfachheit sind bei sinfonischer Verfeinerung des Begleitsatzes und psychologischer Durchdringung der geschlossenen Form auch die Vorzüge von Marschners Partitur. Die Ouvertüre zu „Hans Heiling“, die übrigens nicht direkt am Anfang des Werkes steht, sondern zwischen Vorspiel und 1. Akt gespielt wird, wird durch ein Hornsolo im Larghetto-Zeitmaß eingeleitet, dem leidenschaftserfüllte, glanzvolle Passagen folgen. Nur in dieser Larghetto-Einleitung hat der Komponist ein Thema aus der Oper selbst verwendet (Melodram des Hans Heiling: „Ich bin am Ziel"), doch strahlt das klangprächtige, effektvoll instrumentierte und melodisch einprägsame Musikstück insgesamt eine dramatisch-spannungsreiche Atmo sphäre aus. Die ganz im romantischen Geiste gehaltene Ouvertüre ist formal klar in der üblichen Ouvertürenform (Sonatenform) gegliedert. Einen weiteren musikalischen Höhepunkt der Oper stellt Hans Heilings große Arie aus dem 1. Akt, „An jenem Tag", dar, ein Stück farbiger romantischer Opernkunst von leidenschaftlich gesteigerter Klanggebärde mit einem lyrisch empfindungsreichen Mittelteil. Der dämonische Titelheld, der in seiner Anlage bereits als unmittelbares Vorbild für Wagners „Holländer“ betrachtet werden kann und als eine Teilnahme und Mitgefühl erregende tragische Figur gezeichnet ist, bittet hier Anna, das geliebte Mädchen, inständig um ihre Treue, die allein ihn zum beseelten Menschen machen kann. Insgesamt 20 Jahre lang lebte Richard W a g n e r in Dresden, der dieser Stadt besonders wichtige Impulse für seine menschliche und künstlerische Ent wicklung verdankt. 13 dieser Jahre fallen in seine frühe Jugend, denn die Familie des 1813 in Leipzig Geborenen siedelte bereits 1814, als die Mutter eine zweite Ehe eingegangen war, nach Dresden über. Bis 1827 (erneute Umsiedlung nach Leipzig) wuchs der Knabe in Dresden auf, besuchte seit 1822 die Kreuzschule und fand vielfache, befruchtende Anregungen für seine Begabungen. Wesentlicher frei lich wurde für ihn noch die zweite Dresdner Zeit seines Lebens, die 1842, nach