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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Freitag, den 2. Februar 1968, 19.30 Uhr Sonnabend, den 3. Februar 1968, 19.30 Uhr Sonntag, den 4. Februar 1968, 19.30 Uhr 5. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Heinz Bongartz, Dresden Solist: Oleg Kryssa, Sowjetunion, Violine Sprecherin: Karin Lesch, Dresden OLEG KRYSSA, einer der hervorragendsten jungen sowje tischen Geiger unserer Tage, wurde 1942 in der Ukraine ge boren. Seine Ausbildung be gann bereits im Alter von sechs Jahren an der Musik ¬ schule in Lwow. 1960 hörte ihn David Oistrach und nahm ihn sofort in seine Klasse am Mos kauer Konservatorium auf. 1962 erhielt er — noch als Student — den 2. Preis beim Internationa len Wieniawski-Wettbewerb in Poznan. Im Jahre darauf wurde ihm der 1. Preis des Internatio nalen Paganini-Wettbewerbs in Genua zuerkannt. Seitdem ging seine Karriere steil auf wärts. 1965 konzertierte Oleg Kryssa erstmalig in der DDR mit der Dresdner Philharmo nie im Rahmen der Ostsee woche und gab auch Konzerte mit dem Leipziger Gewand hausorchester. Bohuslav Martinü Die Fresken von Piero della Francesca 1890-1959 Andante poco moderato Adagio Poco Allegro Erstaufführung Max Bruch 1838-1920 Konzert Nr. 1 für Violine und Orchester g-Moll op. 26 Vorspiel (Allegro moderato) Adagio Finale (Allegro energico) KARIN LESCH wurde in Zürich geboren und wuchs auch dort auf. In den Jahren 1955 bis 1958 studierte sie an der Schauspielschule Berlin. Ihr erstes Engagement führte sie an das Hans-Otto-Theater Pots dam. über die Städtischen Theater Karl-Marx-Stadt kam die Künstlerin 1966 an das Staatsschauspiel Dresden, des sen prominentes Mitglied sie seitdem ist. PAUSE Max Reger 1873-1916 Eine romantische Suite op. 125 Notturno Scherzo Finale ZUR EINFÜHRUNG Bohuslav Martinüs Oeuvre repräsentiert im internationalen Musikleben wohl am nachhaltigsten den Begriff der tschechischen Gegenwartsmusik, ohne daß dieser — bei der stattlichen Schar bedeutender zeitgenössischer Kompo nisten unseres Nachbarlandes — darauf beschränkt wäre. Im Gesamtwerk des vielseitigen, kraftvoll eigenständigen Komponisten dominiert (obgleich der tschechische Meister auch zahlreiche musikdramatische Werke geschrieben hat) der Anteil der Instrumentalmusik, vielleicht weil die instrumentalen Ausdrucks möglichkeiten seinem Temperament und seiner Ansicht vom schöpferischen Pro zeß mehr entsprachen, über Entstehung und Inhalt von Martinüs am 26. August 1956 durch die Wiener Philharmoniker unter Rafael Kubelik bei den Salzburger Festspielen uraufgeführter Orchesterkomposition „Die tresken von Piero della Francesca" schrieb Milos Safranek, der Biograph des Komponisten: „Im April 1954 unternahm Martinü eine Autofahrt; bei wunder schönem Frühlingswetter bereiste er die italienische Halbinsel. Als er bei Perugia in das Tibertal einbog, gelangte er bis Borgo San Sepolcro. Hier, in dem Ge meindehaus eines abgelegenen Dorfes, war jahrhundertlang ein Fresko unter' einer Mörtelschicht verborgen gewesen: die .Auferstehung' von Piero della Fran cesca (um 1460). Von diesem Maler sind auch acht berühmte Bilder, die die Le gende vom Heiligen Kreuz darstellen, im nahen Arezzo zu sehen. Martinü war von der schlichten, natürlichen, ungekünstelten Würde des Werkes Pieros tief; ergriffen. Die Legende vom Heiligen Kreuz wird im Werk des Malers zum Aus druck seiner Bewunderung für alles, was beim Menschen bewundernswert ist, umgewandelt. Und so wählte Martinü die Fresken von der Kanzel der San Fran-I cesco-Kirche in Arezzo als Motto einer Orchesterkomposition und nannte siel .Die Fresken von Piero della Francesca'. Die .Fresken' sind meditativ und im Ausdruck rein lyrisch. Sie bilden eine Suite! in drei Sätzen für großes Orchester, ohne Klavier, aber mit Harfe und acht! Schlaginstrumenten, mit einem langsamen Mittelsatz. ,Die Form ist gelockert,! und nichts wiederholt sich hier; es gibt keine Durchführung oder Variationen,! das musikalische Material ist sozusagen lose angehäuft und hält dennoch zu-l sammen'. Das war während eines unserer Gespräche in Paris Martinüs Kom-I mentar zu den Fresken. So wie in den Fresken des Malers gibt es auch im Ton-I werk keine dramatischen Szenen, und alles ist — um mit dem Komponisten zul sprechen — ,Ruhe und Farbe'. Der Inhalt des ersten Satzes ist das Spiegelbild! der Eindrücke, die der Autor beim Anblick des Bildes gewann, das die Königin! von Saba zusammen mit König Salomo darstellt. Im zweiten Satz wird Konstan-I tins Traum vertont. In ihm finden wir Andeutungen an Martinüs typisches! Mährertum. Rhythmische Energie tut sich im dritten und letzten Satz kund (Pocol allegro), in dem der Autor seinen allgemeinen Eindruck von den Fresken wieder-1 gibt. Die Fresken sind nach der Sechsten Sinfonie Martinüs erstes Orchesterwerk. I Sie weisen jedoch einen ganz anderen Charakter auf: fröhlich, voll inneren Frie-1 dens, vielleicht auch italienisch gefärbt, wenn wir uns die Schönheit des süd-1 liehen Landes im Frühling vorstellen, da das Werk in des Künstlers Geist zu! keimen begann." Der Name des zu seinen Lebzeiten hochgeehrten und vielgespielten Kompo-I nisten Max B r u c h ist heute eigentlich nur noch durch ein einziges Werk in! den Konzertsälen lebendig geblieben: durch sein 1. Violinkonzert! g-Moll o p. 2 6. Bruch, ein später Vertreter einer ganz vom Mendelssohn-! sehen Ideal herkommenden romantisch-klassizistischen Kompositionsrichtung, I blieb trotz der 82jährigen Dauer seines Lebens unberührt von den gewaltigen I musikalischen Veränderungen im Laufe dieser Jahrzehnte. Romantische Klang- I Schönheit und formale Klarheit waren das Ziel dieses Komponisten, der zwar! nicht die Originalität einer starken Persönlichkeit besaß, dessen Stil sich aber! durch eine hervorragende Melodik, gediegene Kontrapunktik, vielgestaltige I Instrumentation und einen direkt ansprechenden, schlicht-volkstümlichen Aus- I druck auszeichnete. Hauptwerke und Schwerpunkt des Schaffens des gebürtigen I Rheinländers Bruch, der bereits mit elf Jahren zu komponieren begann, lange I Zeit als angesehener Dirigent in Deutschland und England wirkte, von 1891 bis I