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Zschopauer Tageblatt und Anzeiger : 24.12.1938
- Erscheinungsdatum
- 1938-12-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1780077211-193812242
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1780077211-19381224
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1780077211-19381224
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Zschopauer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1938
-
Monat
1938-12
- Tag 1938-12-24
-
Monat
1938-12
-
Jahr
1938
- Titel
- Zschopauer Tageblatt und Anzeiger : 24.12.1938
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rollen in endlosen Tüterzügen draußen auf den Bahnhöfen mächtige Bündel von großen und kleinen Tannen und Fichten an. Lastwagen fahren die frischgrünen Kinder des Emme rings, des Steierlandes und der Tiroler Berge durch die Strafen und zu den freien Plätzen, die sich in wenigen Stunden in duftende Wälder verwandeln. Ter Handel nut den freudcspend.'nden Christdäumen beginn» Toch kennt man diese in Wien erst seit 'lwa 120 Jahren. Nur langsam und weit später als in allen Orten des alten Reiches bürgerte sich der Lichtcrbanin ar der Donau ein. Als man 'n nor« deutsche 1 Fürstentümerr. schon Besorgnisse wegen des allzu starke Verbrauchs k'LÜ-.er Weihnachts tannen hegte, als Goethe in Weimar bereits seine bekannten Bcrsc: „Bäume leuchtend, Bäume blendend, überall das Süße spendend — —" jchrieb, feierten die Wiener ihre Christfeste noch ganz auf südländische Art: Mit reichlichem Essen, nächt- lich.m Kirchenücsnch und dem „Kripperlspiel", der figür lichen oder dramatischen Darstellung der Geburt Christi. In vielen Kirchen waren — ähnlich wie heute noch überall in Italien — prächtige, figurenreiche Krippen ausgestellt, zu denen Las Volk aus der Stadt und den Bororten in Scharen pilgerte. Auch in den meisten Privathäuscrn baute man hübsche Krippen auf. Die besonders zur Renaissance- und Barockzeit überaus prunkvollen öffentlichen theatralischen Weihnachtsspiele mit deutschen und lateinischen Wechsel gesängen wurden unter der Negierung Kaiser Josefs ll. ab- gcschafft. Damals feierte man in Wien das Christfest durch eine neuntägige Andacht in der Kapuzinerkirche „als Vor bereitung auf die Geburt des Heilands". Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es dann eine Zeitlang Marionetten spiele, die von den Wienern gerne besucht wurden. Tas Schenken an Weihnachten kannte man im alten Wien nicht. Tie Kinder erhielten ihre Gaben am Nikolaus tag. Da steckte man ihnen heimlich allerlei Süßes und Er freuliches in die Schuhe. Der gebefreudige „Niccolo" — der auch heule noch in Bischofsgcstalt oder als lustiger roter Teufel, als „Krampus", als Vorbote des Christkindleins auf tritt — kani nicht nur ins Bürger- und Adelshaus, sondern auch in die Hofburg. Zur Zeit Maria Theresias, der glück- licknm Mutter von 16 Kindern, mag sein Erscheinen wohl eine aufregende Angelegenheit gewesen sein. Im Schloß Schönbrunn soll cs noch ein altes Bild geben, das im Jahre 1762 entstand und eine Niccolobeschcrung bei Hofe im engsten Familienkreise darstellt: Der Kaiser sitzt im Morgenrock bei Tisch, indes die Kaiserin neben ihm steht. Nund herum tummeln sich die Kinder mit den Geschenken, die sie in den ausgestellten Schuhen, gefunden haben. Dem kleinen Erz- herzog Ferdinand aber überreicht seine erwachsene Schwester Maria Christine in einem Schuh — eine Rute." Wer die Wcihnachtsbcscherung unter dem strahlenden Lichterbaum in der Donaustadt einführte, ist nicht genau überliefert. Man vermutet, es sei die junge Erzherzogin Henriette gewesen, Sie von Grillparzer hochverehrte Gemahlin Karls, des Siegers von Aspern. Sie soll um 1818 für ihre ältesten Kinder Therese und Albrecht den allerersten Wiener Christbaum entzündet haben. Die hübsche Sitte mag ihr von ihrer nassauischen Heimat her vertraut gewesen sein. Viel- sach wird aber auch dem aus Norddeutschlaud stammenden berühmten Hofburgtheaterschauspieler Heinrich Anschütz die Einführung des kcrzenbesteckten, buntbehangcncn Tannen baumes zügeschricben. Um 1830 flimmerten die Lichler- bäumchcn icdenfalls schon in allen Wiener Weihnachtsstuben. Seit dem frühen Mittelalter bis zu unseren Tagen er hielt sich der „Christkindlmarkt", dessen Buden voll Nasch werk und Tand früher am Graben, später bei St. Stefan und am Hof vor der Kirche mit dem wunderlichen Namen „Zu den sieben Chören der Engel" standen. Auf diesen Märkten, die ehedem wohl mehr „Nikolausmärkte" waren, machien schon die Babenberger Herzöge ihre Einkäufe. In jenen Tagen wurde während der Christmette nach dem Hochamt zu St. Stefan noch der feierliche „Wolfssegen" abgesungen (Eingang des Matthäusevangcliums), „ehn löblich althergebrachter Brauch", der die hungrigen Wölfe zur Wintcrzeit von den Stadttoren fernhalten und Unheil ver hüten sollte. Bis vor wenigen Jahrzehnten rief noch die be rühmte „Pummerin", die gewaltige, aus Türkenkanonen ge gossene Riesenglocke des Stefansdomes zum Mitternachts gottesdienst. Wegen der gefährlichen Erschütterung des Turmes durch das schwere Geläute wird sie jetzt nicht mehr in Bewegung gesetzt. Wenn auch ihr eherner Mund heute schweigt, klingen dafür die Hellen und dunklen Stimmen zahlloser anderer Glocken melodisch durch di« Wiener Christ nacht Weihnacht im Eismeer habend auf einem Kochereischiff der deutschen Walfangflotte Don Dc. Fred Heinsen Ein norwegischer Kamerad sitzt in seiner kleinen Kammer, und sieben, acht Gäste drängen sich im engen Raum. Auf der Back steht ein Kessel mit heißem Wasser und eine große Flasche Kognak, alle haben Mucken — so heißen an Bord die Kaffee becher — in der Hand und trinken Grog und lachen und scherzen zusammen. Ueberall ist eine herzliche Zuvorkommenheit zu be merken, als ob einer dem anderen helfen wolle, über Grillen und traurige Stimmung hinwegzukommen. Die Schiffsleituna aber »erbricht sich den Kopf, wo bloß all' der „Stoff" so rasch hingekommen sein mag. Aber schließlich sind wir an Bord eines Walfangschiffes, und die uns gegebene Fangzeit währt nur knappe hundert Tage. Die müssen ausgenütz: werden. Da gibt es keinen Arbeitsaus- schub. Ein Wal negl noch, schon zerlegt, auf dem Achterdeck, und ein zweiter ist noch achteraus vertäut. Die wollen ver arbeitet sein, sonst verdirbt daS kostbare Gut. Wer vorher noch ein paar Augen ooll Schlaf nehmen will, der muß sich zurück ziehen, denn um vier Uhr morgens soll die Nachtwache wieder anfangen, der geregelte ürbeitsgang wieder beginnen. Daß Weihnachten ist, muß durch leibliche Genüsse zum Ausdruck ge bracht werden. Zum Frühstiuk erhält jeder Mann außer dem gewöhnlichen Sonnlagsessen noch einen kleinen Klöben und ein Viertel Pfund gute Butter. Und auch zu Mittag, zum Kaffee und zum Abendessen bietet der Küchenzettel allerhand kleine Ueberraschungen. Auch mir der Arbeit ist es nicht gam so schlimm bestellt, wie es am Anfang aussah. Die beiden Wale sind bald in die Kessel verschwunden, und neux liefern die Fangbooie nicht an. Es herrscht diesiges Welter und Schneetreiben, da ist es mit der Jagd nicht weit her. So bleibt auch die Nacht vom ersten zum zweiten Feiertag noch ruhig, dann aber beginnt wieder daS normale Leben. Die Fangboole schleppen Wale heran, die wer den aufgehievt, und alles stürzt sich ausgeruht und mit frischem Arbeitsinut in die gewohnte Tätigkeit. Wir sind hier nicht zum Feiern hergekommen. Feiern können wir, wenn wir wieder in Hamburg sind. Und das werden wir dann auch gründlich be- sorgen. Sankt Pauli wartet! Per Rauschgoldengel Die alten deutschen Weihnachtsmärkte Don E. Trost In einer Chronik aus dem alten Nürnberg vom Jahre 1527 wird berichtet, daß sich zur Feier des Thomastages sehr viel Volk in der Stadt eingefunden habe. Durch das Laufertor, das Spittlertor, das Neutor und die anderen Stadttore seien nicht weniger als 1279 Wagen und über zweihundert Karren eingefahren. Hierzu kamen noch zahllose Fußgänger, besonders Bauersleute aus der Umgebung Nürnbergs, die den Markt be suchen und dort ihre Weiynachtseinkäufe erledigen wollten. Der „Kindlesmarkt" von Nürnberg ist wohl der älteste und bekannteste der heute noch in alter Form bestehenden deutschen Weihnachtsmärkte. In früheren Jahrhunderten genoß er in allen deutschen Landen solchen Ruf, daß viele bedeutende Per sönlichkeiten und sogar Fürsten die beschwerliche Winterreise nach Nürnberg nicht scheuten, um Herr großartigen Markt zu sehen. Natürlich war der „Kindlesmarkt", der jedes Jahr „um St. Thomä" etliche Tage vor Weihnachten stattfand, von jeher das Paradies der Nürnberger Kinder. Wer» di» Eltern ge nügend Geld besaßen, wurde manches „ChristUirWtn" an den „Rietern", den Verkaufsständen des „Kindlesmarktes" gestillt. Lukas Friedrich aus dem ehrengeachleten Nürnberger Adels- geschlecht der Behaim, gab auf dem Christmarkt von 1622 sechs Gulden und sechsundsechzig Kreuzer aus, um seinem Söhnlein „allerley Dockenwar" zu erstehen. Die schöne freie Reichsstadt war nicht umsonst von alters- her die Stadt des Spielzeuges und der Lebkuchen. Alle Herrlich, keilen, die der Kunst und dem Gewerbefleiß der Nürnberger ihre Entstehung verdankten, wurden in den offenen Buden auf dem Hauptmarkt vor der ehrwürdigen Frauenkirche aufgebaut. Ein gelehrter Nürnberger Chronist schrieb Ende des 17. Jahr- hunoerls: „...da ist denn der ganze Platz mit Holzbuden voll- gestellt, darin Waren aller Art verkauft werden. Alles, was ein Kinderherz begehrt, aber auch Waren für Erwachsene sind da zu sehen... Die Nürnberger Kinder sind überzeugt, daß das Christ kind hier selbst die Sachen einkauft, um sie dann in der Nacht vor dem ersten Weihnachtstage an die Kinder zu verteilen..." Daß Weihnachten mehr als irgend ein anderes Fest ein Fest der Familie ist, das empfindet am stärksten, wer zu dieser Zeit fern der Heimat weilen muß. Ob man Ostern in Kapstadt feiert oder m Melbourne, ob n.an den Pfingstausflug, sofern man als Seemann gerade im Hafen liegt, zum Fudjijama oder auf den Zlickerhut bei Rio de Janeiro macht, ist nicht von Be- deulung, o^er Weihnachten fühlt man sich in der Fremde ver einsamt, auch wenn man sich unter den besten Kameraden be- finüei. Ein Rest an Sehnsucht bleibt immer... Wie die einzelnen über diese oft sorgsam versteckte Weh mut hmwcglommen, darin unterscheiden sich die Charaktere. Die einen ertrinken in ihr, die anderen vertrinken sie, einige wenige scheinen überhaupt kein Gefühl zu haben, und die aller wenigsten verstehen recht im Innersten zu feiern. Unter diese» Umständen ist eine Weihnachtsfeier an Bord eines Walfängers, der immerhin eine Besatzung von zweihundert Mann hat, der über ein halbes Jahr von der Heimat weg ist und gerade Weih nachten in der entlegensten Gegend der Welt mitten in der Arbeit steckt, etwas ganz besonders Eigenartiges. Am Heiligen Abend ist bereits um sechs Uhr früh Tag wache Ausscheiden. Nur daS allernotwendigste Personal in der Maschine und auf der Brücke bleibt auf seinem Posten. Alles übrige drängt sich in die Waschräume, um den Äroeitsschmutz besonders gründlich herunterzuschwemmen. Dann wirst sich jeder in den besten Anzug. Um acht Uhr gibt es dann Abend essen. Einige Tage vorher hatten bereits sechs Schweine ihr Leben lassen müssen, und nut Andacht und Ausdauer werden riesige Mengen Schweinebraten mit Rotkohl verzehrt. Am Ende der Back in der Messe steht schon ein kleiner, von der Leimat mügebrachler Weichnachlsbaum. Zwar sind die Nadem in den Tropen etwas braun geworden, zum Teil auch schon abgefallen — aber was tut das? Der Tisch selbst ist mit einem bumbedrucktcn Weihnachtsläufer bedeckt, kleine Lichte stehen auf Pappuntersätzen, um jeden Platz herum liegen Tannenzweige, ein Paket mit Lebkuchen, eins mit Nüssen und Datteln, und einige Äepfel. Teller mit Datteln stehen außerdem noch in der Mitte des Tisches. Aber noch brennen die Lichter nicht, die eigentliche Weihnachtsfeier soll erst später sein. „Fröh liche Weihnachten!" wünschen wir uns gegenseitig und drücken uns die Hände und tun so, als seien alle unsere Gedanken von dem Schweinebraten in Anspruch genommen. Nach dem Essen schlägt man die Zeit tot, indem man sich gegenseitig besucht. Tie meisten haben schon bei der Ausreise im Oktober von ihren Angehörigen ein Weihnachtspaket mit bekommen, das jetzt ausgepackt wird. Kleine, künstliche Weih nachtsbäumchen tauchen auf, Kerzenglanz erhellt die schmalen Kammern. Inzwischen erscheint der Funker und verteilt die an gekommenen Weihnachtstelegramme. Viel steht ja in so einem Telegramm nicht drin, aber immerhin, man weiß doch, den An gehörigen zu Hause gehl es im Augenblick wohl, auch wenn cs etwas wehmütig stimmt. Endlich iss der Augenblick gekommen, wo Ler Messejunge, der hier den Weihnachtsmann spielt, in die Mcj'e ruft. Wir haben an Bord keinen Raum, der alle zwei hundert Mann gemeinsam aufnehmen könnte, deshalb feiert jede Messe für sich Weihnachten. Es brennen die Kerzen, auf der Back dampft der Punsch, stehen Teller mit Berliner Pfann kuchen, Zigarren und Zigaretten werden verteilt, und jetzt soll also Weihnachten sein. „Stille Nacht, heilige Nacht", stimmt in der Ecke eine Geige an, und deutsch und norwegisch zugleich wird der Text dazu ge sungen. Dann ist es wieder still, es wird merkwürdig wenig gesprochen. Jeder trinkt still seinen Punsch, singt auch mit, als noch zwei, drei andere Weiynachtslieder angestimmt werden, aber einer nach dem anderen nimmt sein Päckchen Rauchzeug und Lebkuchen und verschwindet in seiner Kammer. In der Messe gegenüber, wo der Mcssejunge wohl nicht ganz soviel Sinn oder Geschick hatte, der Feier den nötigen Rahmen zu geben, ging es nicht ganz so still zu. Auch dort wur den Weihnachtslieder gesungen, nur, daß hier eine Ziehharmonika das Begleitinstrumenl war, aber bald klingen dort auch andere Lieder auf, und so kommen die Kameraden drüben schneller über die Wehmutsstimmung hinweg. Wir alle haben Gutscheine für einige Flaschen Bier be kommen. Bald ist ein fröhliches'Zechgelage im Gange, dem sich allmählich auch die Leute aus unserer Messe wieder anschließen. „Man muß seine Wehmut mit Fröhlichkeit totschlagen", meint ein Kamerad, und das wird nun auch gründlich besorgt. „Sieh'", sagt ein anderer, „meine Frau hat mir ein Telegramm geschickt. Sie und die drei Lütten sind aesund und wünschen mir fröhliche Weihnachten. Das freut mich, da darf ich doch eins trinken?" Der Weihnachtsbaum auf „Haniel 24" Weihnachtsgeschichte von Hermann Müller Der trübe Dezembertag erlaubte den sechs Schleppkähnen im Anhang des Radschleppers „Ruhrkohle VII" nur kleine Fahrt. Kaspar, der Matrose auf dem Schleppkahn „Haniel 24", hatte schon um vier Uhr nachmittags das Buglichl aufstecken müssen. Der Rhein lag unter dem aufsteigenden Nebel glatt und fast ohne Wellen. Am frostkalten Winterhimmel stieg über den kahlen Weinbergen der Mond auf. Der Schiffsmann Christoph stand am Steuerrad. Drunten in der Küche schaute Wilhelm, der fünfjährige Junge, auf die immer größer werdenden Lichter der Stadt am Ufer. „Stine, Stine", rief er der am Küchenherd beschäftigten Schiffermagd zu, „steh' mal, drüben hinter dem Fenster brennt schon ein Wcihnachtsbaum." Stine trat ans Fenster, wischte den Hauch des Jungen von den kalten Scheiben und musterte die Lichter an Land. „Nein, das ist kein Weihnachtsbaum", sagte sie und zog mit einer mütterlich zärtlichen Bewegung den Blondkopf des Jungen an sich. „Es ist noch viel zu früh, Wilhelm. Das Christkind kommt erst, wenn es ganz dunkel ist und wir Anker geworfen haben." Die Schiffermagd, die Mutterstelle an dem Knaben vertrat, wandle sich seufzend wieder ihrer Beschäftigung ain Herde zu... Weihnachten waren trübe Tage auf „Haniel 24". Der Schiffer konnte den Tod seiner geliebten Frau nicht vergessen. Sie war am Heiligen Abend vor zwei Jahren in den Strom gestürzt, als sie den nach alter Nheinschiffersitte am Bug des Schleppkahnes angebrachten Weihnachtsbaum schmücken wollte. Seitdem strahlte an Weihnachten auf „Haniel 24" kein Christbaum mehr. Stine hätte gerne dem Jungen ein Bäumchen geschmückt. Stundenlang hatte am letzten Weihnachtsfest Wilhelm auf dem Deck gestanden und nach den Lichterbäumen auf dem Bug der anderen Kähne geschaut. „Warum bringt uns daS Christkind keinen Weihnachtsbaum?" hatte er immer wieder gefragt, aber niemand konnte ibm tröstend« Antwort aeben. «LL will nächstes Jahr einen Lichterbaum haben, liebes Christkind, bring ihn mir doch bitte, bitte", betete er damals. „Wenn die tote Schifferfrau nur noch einmal wieder kommen und den Schiffer von seinem Gram befreien könnte", hatte Kaspar vorgestern zu Stine gesagt. „Ich wollte um Urlaub an Land bitten, um an Weihnachten meine alte Mutter zu besuchen; aber nun bleibe ich hier, das Kind muß doch jemand haben, mit dem es an Weihnachten lachen und scherzen kann. In meiner Matrosenkajüte am Bug darf der Schiffer mir keine Vorschriften machen, wie ich Weihnachten feiere, sonst kündige ich ihm den Dienst." — „Um des lieben Friedens willen, Kaspar, reize nicht den Schiffer, er ist doch so empfindlich", redete Stine auf den Matrosen ein. — „Der Junge muß seine Freude haben am Christabend wie andere Kinder auch, du mußt mir beistehen, Stine." — „Gewiß, das will ich auch, Kaspar, aber bringe ja keinen Meihnachtsbaum aufs Schiff." — Kaspar hatte etwas vor sich hin gemurmelt und war davongegangcn. Seitdem halte er nicht mehr von dem Weihnachtsbaum gesprochen... Die Schiffsglocke vom Radschlepper läutete, und die Dampfsirene heulte. „Stine, jetzt werfen wir Anker", rief der Junge, der das Zeichen zum abendlichen Ankern kannte, „nun wird das Christkind kommen." Der Schiffer Christoph drehte kräftig unter Land. Kaspar eilte zum Bug an die Ankerwinde. Es läutere noch zweimal, dann rasselten die Ankerketten, und die Anker stürzten auf Grund. Kaspar setzte die Laterne auf halbstock und gab mit der Schiffsglocke das Zeichen „Anker gesetzt". Dann zog er wieder die Fahne hoch, es war Brauch, daß sie am Heiligen Abend und an Weihnachten auf allen Schiffen vom Topp flatterte. Der Schiffer stand noch im Ruderhaus und beobachtete, wie das Schiss etwas abtrieb, bis die Ankerkette gestrafft war und der Kahn fest lag. Dann löschte er das Licht un Ruder haus und ging hinab zur Wohnkajüte. Es war inzwischen dunkel geworden. Von einer Kirche am Nheinufer klang eine Abendglocke. „Heute vor zwei Jahren", sprach Christoph leise vor sich hin, eS wurde ihm ums Herz so weh und schwer. Als er in die Wohnstube trat, hielt ihn Stine an der Hand fest: „Schiffsmann", flüsterte sie, „hör' doch, wie der Junge betet." Sie gingen lerse zur Küche. Wilhelm hatte drüben auf dem Frachtschiff den ersten Christbaum erblickt. „Liebe Mutter", betete er. „Allen Schifferkindern hat Vorige- Jahr das Christkind einen Weihnachtsbaum gebracht. Du bist im Himmel bei dem Christkind, bitte es doch, daß eS auch mir einen Christbaum bringt. Dann wird auch Vater an Weih nachten nicht mehr weinen wie voriges Jahr. Schicke bitte den Baum, liebe Mutter. Amen!" Stine schluchzte, jo hatte sie das kindliche Gebet gerührt. „Schiffsmann", flüsterte sie. „Es geht um die Liebe und daS Vertrauen des Kindes zu seiner Mutter, ihrem seligen An denken seid Ihr es schuldig, daß es einen Weihnachtsbaum bekommt." Der Schiffer stand unschlüssig. ' „Stine, wandte sich jetzt der Junge um, „geh mit mir an Deck, vielleicht hat das Christkind unserem Schiff auch einen Lichterbaum aufgesteckt." Der Junge schmiegte sich an die Schiffsmagd. „Du bleibst hier!" sagte Christoph. Stine wollte dem Schiffer ein hartes Wort erwidern, da öffnete sich die Tür von draußen, und Kaspar trat ein. „Frohe Weihnachten, Schifssleute! Das Christk'nd hat auf .Haniel 24' wieder einen Christbaum angezündet!" Der Schiffer Christoph wollte sich in jähem Zorn auf den Matrosen stürzen; aber sein Junge war schneller. „Kaspar, zeig ihn mir", rief er außer sich vor Freude. „Vater, Stine, kommt mit!" lind er eilte mit Kaspar die Eisentreppe hinauf zum Vorderdeck. — Stine schluchzte auf vor Weh und Freude, dem Schiffer schoß cs warm in die Äugen, und als er mit der Schiffsmagd zum Vorderdeck ging, rannen ihm die Tränen über die wetter harten Backen... Da läuteten die Glocken der Kirchen die Weihengcht ein die Sirenen der Schlepper hupten, die Schiffsglocken bim melten, und auf jedem Schisse flammte der Lichterbaum am Bug auf. Es war überall Weihnachten geworden, auch auf „Haniel 24". Vier glückliche Menschen schauten ans der Matrosenkajüte auf den brennenden Weihnachtsbaum am Bugspriet des Schleppkahnes. „Vater, sieh, di« Mutter hat unS nicht vergessen", plapperte Wilhelm und fchmieate sich an den Vater. „Stine", sagt« der Schifter lerse, ^richte die Wohnstube, her; wir wollen Weihnächte« feiern?
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