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«». »« Die unpoMßfeye Seite Mr M Bergs... SkWm AMn »la tn 3»Wa Von Wilhelm Hochgrev«. Viele Käfer und Insekten üben in ihrem Kampf umS Dasein Täligiciten aus, die zum Teil lebhaft an menschliche Be rufe gemahnen, weshalb jene Tiere entsprechend benannt worden sind. Von den zahlreichen Arien der „Spinner" aus der Schmetterlingswelt wollen wir hier absehen und unsere Auf merksamkeit einigen in ihrer Lebensweise eigenartigen Käfern und Insekten widmen, deren Tätigkeit ihnen die Bezeichnung menschlicher Berufe eingetragen Hal, obgleich sie meist zerstörend wirkt. Da ist zunächst der Buchdrucker oder Fichtenborkenkäfer. Durch den Fraß der Larven und der noch wochenlang in den Larvengängcn verweilenden Käfer wir- der Bast zerstört, so daß die Acste und schließlich die Bäume vertrocknen. Gelbe und rote Nadeln sind die weithin auffallenden Krankheitszeichen der befallenen Bäume, die bald an sogenannter Wurmtrocknis ab sterben. Das Bohrmehl aus den „Muttergängen" liegt manch mal in Haufen unter den befallenen Bäumen. Die durch die Larven von den „Mutlergängen" her ansgefressenen Seiten- gänge wirken auf unser Auge wie ein Zeichenbild, so daß der „Typographus" seinen Namen schon mil Recht trägt. Eine ähnliche zerstörende Tätigkeit entfaltet der Große und der Kleine Waldgärtner. Der Große ist ein 4 Millimeter langer fein behaarter schwarzer Borkenkäfer des Kiefernwaldes, dessen Flugzeit die Monate März und April umfaßt. Beide Ge schlechter bohren sich in die Kiefernrinde ein und fressen einen Gang nach oben, in den die Eier abgelegt werden. Dann ver- lassen die Käfer den Gang und ernähren sich von Kieferntrieben. Die im Bohrgang ausgekommenen Larven fressen in Schlangen linien verlaufende Gänge, an deren Enden sie sich verpuppen. Die im Juli schlüpfenden Käfer fressen die Kiefernlriebe an, deren Mark ihre Nahrung bildet. Der Wind bricht solche Triebe dann leicht ab, oder, was häufig zu beobachten ist, die endständi gen Kronentriebe bleiben stehen, heilen langsam aus, treiben aber vorerst Knospen, die sich zu buschigen kurzen Nadeln ent wickeln. Hierdurch wirken Vie Wipfel wie ausgeputzt, wie vom Gärtner beschnitten. Während der Große Waldgärtner vornehm lich kränkelnde Kiefern, seltener Fichten und Lärchen, angreift, befällt der Kleine Waldgärtner gesundes Holz, das er nach und nach zum Verdorren bringt. Er ist noch schädlicher als sein großer Bruder. Harmlos dagegen ist der Pillendreher, ein vom Dung der Rinder und Schafe lebender Käfer, der die seltsame Gewohnheit hat, Kolstücke zu Pillen zu formen, diese einzuscharren und dann geborgen im Schoße der Erde aufzufressen. DaS Weibchen formt solche Kotpillen, um darin ein Ei abzulegen. Die daraus schlüpfende Larve hat in dem Kot Schutz und bis zu ihrer Vollentwicklung genügend Nahrung. Sowohl die Fraß- wie die Brutpillen werden, falls der Untergrund an der Kolstelle daS Eingraben erschwert oder unmöglich macht, fortgerollt, bis ge ¬ eigneter Boden gefunden ist. Der Pillendreher ist schwarz und Hai lange säbelartig gebogene Hinterbeine. Fällt am Treiben dieses Käfers die sein Handeln leitende Intelligenz bewnSers auf, so ist es bei den Totengräbern dazu die Ausdauer und Kraft, die sie bei der Versorgung ihrer Nachkommenschaft beweisen. Man kennt drei Totengräberarien, den Gemeinen, den Schwarzen und den Großen. Den Gemeinen und den Schwarzen kann der aufmerksame Naturbeobachter nicht selten „im Beruf" belauschen, wenn sie kleinere Tierleichen, Mäuse und Vögel, Frösche und große Käfer, buchstäblich beerdigen, so lange unter- wühlen, bis sie in der Erde verschwinden. In die Kadaver legt das Weibchen Eier ab, dort finden sie Schutz und die später aus- schlüpfenden Larven dazu ausreichende Nahrung. Ter Große Totengräber, der bis 3 Zentimeter lang wird, kommt nur an größeren Kadavern vor. Ist der Boden an der Kadaversund- stelle, die sie übrigens mit unglaublich feinem Riech«ermögen ans weiter Entfernung wittern, zum Vergraben ungeeignet, wird der Kadaver mit vereinten Kräften nach einem günstigeren Platz geschoben. „Gerber" wird auch der Sägebock genannt, einer der größten Käfer, dessen bis 7 Zentimeter lange Larven hauptsächlich in den unteren Teilen von Laubhölzcrn, vorwiegend der Eiche zu finden sind. Auch auf das ehrbare Handwerk des Tapezierers haben die Namengeber zurückgegriffen. Die „Tapezierblene" schneidet mit ihren Kiefern aus Blättern kreisförmige Stückchen aus, womit sie ihre Eizellen, die sich meist in Hohlen Stengeln befinden, aus- kleidet. Aehnlich verfährt die Blattschneiderbiene, die an Rosen büschen zu beobachten ist. Einen menschlichen „Waldportier" gibt es zwar nicht, dafür aber zwei Schmetterlinge, die so genannt werden, nämlich ver Große und der Kleine Waldportier, weil sie in großer Zahl an Stämmen sitzen. Sie sind braunschwarz, die Vorderflügcl haben Helle Binden. Der Klein" Waldportier fliegt vom Juni bis September, der Große vom Juli bis August. Die Spinnen haben ihren Namen von ihrer Tätigkeit, zu spinnen, und müßten eigentlich Spinner heißen. Aber nicht alle Spinnen vermögen zu spinnen, so die Afterspinnen, deren bekannteste Art der Weberknecht ist, auch unter dem Namen Kanker oder Schneider bekannt, jenes langbeinige Geschöpf, das wir oft an Mauern und Baumstämmen sehen. Die Spinnkunst der spinnfähigen Spinnen dient nicht immer zum Fang von Jnsektenbeule, wie wir es am auffälligsten von der Kreuzspinne kennen, sondern gilt bei vielen Arten allein dem Schutz der Eier, es sind also Eigespinste, die von manchen Spinnen (Wolfs- und j Jagdspinnen) umhergetragen werden. Andere wieder weben Eischutzgespinste an Zweige und Stengel. Ein reizendes kleines Meisterwerk dieser Art ist das „Feenlämpchen" der Agroeca- spinne, ein Glöckchen aus „Seide, das an Heidekraulstengeln hangend zu finden ist. ' MMer Leckerbissen Abenteuer mit MMen Ameisen Als mein Entschluß feststand, nach Afrika zu gehen, erzählten mir meine Freunde Geschichten von Löwen, Leo parden und Schlangen, aber keiner war dabei, der mich vor Ameisen gewarnt hätte... Afrika kennt vielerlei Ameisen. Gemeinsam ist ihnen allen die ungeheure Gefräßigkeit. Die weißen Ameisen, die eigent- lich Schaben sind, haben wiederum den größten Appetit unter ihnen. Ohne Unterschied verzehren sie Flanellhemden, Tapeten, Bücher und Mahagonimöbel. Sie sind eine gefürchtete Macht in Afrika. Die roten Krieger-Ameisen marschieren meist nachts und in militärischer Ordnung: hinter der Vorhut die Haupt abteilung in 25 cm breiter Kolonne, voran und an den Seiten Kundschafter und Offiziere, während den Schluß die Ambulanzen bilden; denn nie sah ich, daß sie einen der Ihren auf dem Kriegsschauplatz ohnmächtig zuruckließen. Der Heerzug der Krieger-Ameisen kennt kaum Hindernisse, es sei denn Wasser und Feuer. Ich sah ihre Pioniere aber auch über einen zwei Meter breiten Fluß Brücken bauen. Die „Krieger" greifen sofort und kühn an, ihr lautes Zischen ist Fcldgeschrei. Und ihr Angriff ist tödlich. Ich habe das erlebt, als ich mit einem ihrer Heerzüge zusammenstieß und für meinen Hund keine Rückzugsmögllchkeit mehr schaffen konnte. Im Nu hatten sie sich des armen Tieres bemächtigt. Vortrupp und Hauptkolonne fielen in kluger Berechnung über seinen Schädel her und besetzten Augen, Nase, Ohren und Schnauze, sie bissen sich dort fest, verspritzten ihre Giftsäure und brachten den Hund vor Schmerz zum Wahnsinn. Obwohl ich sofort hinzusprang und zu Helsen versuchte, starb der Hund den gewaltsamen Ameiscnlod. Der Mensch nur kann sich dieser kleinen, behenden Amcisenkrieger erwehren. Er mutz in Afrika einen leichten Schlaf haben, wenn eine Amcisenarmee des Nachts sich an- lchickt, sein Lager zu überfallen. Die schwarzen Ameisen lieben die weitläufigen und nach der Tiefe zu gestaffelten Marsch- sormationen. Wo aber eine Armee schwarzer Ameisen durch ein Lager oder über eine Farm hinweggeht, gibt es ein gründ- lick)cs Großreinemachen. Nicht nur der Schmutz, sondern alle Motten, Käfer, Mäuse, Natten, Schlangen und Skorpione werden dann völlig auSgecilgt. In Nord-Nhodesia satzen wir einmal auf der Veranda eines Bungalows und genossen schweigend die Abendkühle. Draußen 'quarrten die Frösche, Grillen zirpten, und in den Bäumen fächelte ein leichter Wind. „Horcht! Was ist das?" fraate plötzlich der Farmer. Und tatsächlich, auf einmal war die Nacht von einem feinen Ge räusch erfüllt wie von rauschender Seide, es kam langsam aber unaufhörlich näher. Da sprang der Farmer auf, hob beide Hände vor den Mund und schrie nach dem Leutehaus hin über: „Hall ' w —- '-„-u bringt F-"er I>ie Ameisen!" Roter Glutschcin tauchte an den Seiten des Bungalows auf, sechs schwarze Boys, mit Fackeln aus geflochtenem Gras, schritten in breiter Reihe dem seltsamen Geräusch entgegen. Das Gras bestrichen sie mit ihren Fackeln; denn das Feuer ist der einzige Feind, den die Ameifenarmee nicht annehmen kann, sie muß fliehen. Die Fackelträger folgten den Ameisen so lange, bis sie jenseits der Straße in den Dornbusch getrieben waren. Der Farmer ließ Fenster und Türen d«S Bunaalow» mit Paraffin" bestreichen, 'er wußte, daß die Ameisen ihre Niederlage nicht so einfach hinnehmen, sondern zurückkommen. Paraffin macht sie jedoch zu jedem Umwege bereit. Als wir uns zum Schlaf zurückzogen, schloß ich sorgfältig mein Moskitonetz. Wie lange ich schlief, weiß ich nicht. Plötz lich wachte ich aber jäh auf. Der Raum war noch ziemlich dunkel. Ich erkannte nur die Umrisse meines Moskitonetzes, das aber seltsam schwarz und voll zuckender Bewegung war. Dann nahm ich auch jenen kräftigen Zischlaut im Raume wahr, und sofort erinnerte ich mich: — die Ameisen! Ich riß das Netz herunter und streckte die Hand nach den ZünHölzern aus, fuhr aber sofort wieder zurück; denn die Schachtel lebte. Und im gleichen Augenblick fielen auch schon die Ameisen über mich her. Ich sprang aus dem Bett, der Fußboden wimmelte von Ameisen. Ehe ich es noch richtig ge wahr wurde, waren sie an mir heraufgekrochen und stürzten über mein Gesicht. Mit einem Riesensatz sprang ich nach der Waschschüssel und tauchte meinen Kopf, nicht etwa ins Wasser, sonder in — Ameisen! Da half nichts mehr, in meiner Ver zweiflung rief ich: „Die Ameisen kommen!" Es schienen aber Jahrhunderte zu vergehen, bevor sich der Farmer mit einem Kerzenlicht zeigte. Kaum hatte er jedoch mein Angesicht er blickte, wandte er sich um und schrie: „Boys, Boys, hallo! Feuer! Die Ameisen sind da!" Dann holte er mich in sein Zimmer, nahm das Wasch- gcfäß und goß Petroleum ins Wasser. Mit diesem Mittel be freite ich mich von meinen Peinigern. Dabei mutzte ich aber jede Ameise mit Vorlicht abnehmcn, war ich zu heftig, blieben Kopf und Beitzzangc stecken, das gab dann schlimme Wunden. Und dies alles war entstanden, weil einer der schwarzen Boys die Tür meines Zimmers mit Paraffin zu bestreichen ver gessen hatte... Die Ameisenheere können nicht nur selbst fressen, sie werden auch gern aeaessen, sie sind ein guter afrikaniscbcr Leckerbissen. Einmal lag ich nachmittags auf der Veranda und rief nach Tee. Niemand erschien. Darum stand ich auf, um nach dem Küchenbop zu sehen. Jenseits der Straße hockte er mit den anderen Schwarzen in einem Kreise zusammen. In ihrer Mitte schien ein kleines Feuer zu schwelen: denn ein feiner Weitzer Ranch stieg ans. In Wirklichkeit aber waren es die weihen Ameisen, die aus ihren Höblen hera"skam-n und zum kurren Kochzcüsflug antraten. So wie sie aufsticgen, wurden sse gefangen und an Ort und Stelle vo» den Negern — verzehrt. Dabei grinsten die Schwarzen vor Wonne... Die Riesenstadt der Ameisen. In einem Wal 'e unweit der französischen Ortschaft Quim- per haben Naturforscher unlängst eine Ameisensiedlung von bis her noch nicht beobachteter Grütze festgestellt. Die Siedlung setzt sich auS 16 Haupt- und 62 Nebenkolonien zusammen. Es handelt sich sozusagen um den Zusammenschluß mehrerer „Großstädte", die durch Straßen miteinander verbunden sind. Die Gesamt länge der Straßen beträgt nicht weniger als 10 Kilometer! Man schätzt die Einwohnerzahl dieser Riesenstadt nach „Ein- gemeindung" aller Vorstädte (die durchschnittlich KOO OM „Sied- ler" aufweffen) auf 40 Millionen Ameisenseelenl Heimkehr der Gefangenen. Erzählung von Herbert Wieben. Stunden um Stunden fuhr der Zug. Aus dem Tag wurde die Nacht, und die Nacht verlor sich wieder in den Tag. Gleich mäßig, ruhig sangen die rollenden Räder ihr Lied... In den Viehwagen, in die man sie Tieren gleich gepfercht hatte, hockten die Kriegsgefangenen auf dem harten Boden, der ihnen bei den schüttelnden Stößen Schmerz in die wund- gelegenen Glieder jagte. Zwei Jahre Sibirien hatten sie hinter sich. Zwei Jahre Hunger, Not und Qual und Elend. Zwei Jahre viehische Behandlung, Pein bis aufs Blut. Zwei Jahre Sehnsucht... „Heimat", flüsterte der kleine Witmann, der in sich ver- funken in der Ecke lehnte. Ueber snn abgezehrtes Gesicht glitt der leise Schimmer eines fernen Traumes. „Heimat" „Ich will nach Haus", riß eS ihn wild aus dem Traum empor. „Ich will nach Hause! Ich muß meine Frau sehen!" In allen brach etwas lange und mühselig Zurück gedämmtes wieder auf. Frauen... Wie lange war es her, daß man eine in den Armen gehalten halte, die man liebte. Zwei Jahre Sibirien löschen das Bewußtsein für das Schöne aus, die zerren an den Sinnen und an der Sehnsucht. Der kleine Witmann war wieder in seinen tatlosen Traum versunken. Er horchte den ratternden Stößen des Zuges nach, er ließ sich von ihnen entführen in die ferne und schone Ver gangenheit. Es gab eine Zeit — wie unendlich weit lag daS doch —, da umjubelten ihn Menschen, da stand er, Abend für Abend auf der Bühne und sang, sang die Menschen in einen Taumel der Begeisterung hinein. Da nannte man seine Stimme eine Offenbarung. Frauen umschwärmten ihn, Kritiker bewunderten ihn. Wie lang war das her. Aber oft hatte er seine Kameraden durch ein Lied auf- gerissen, mutig gemacht, und oft hatte er ihnen das Heimweh in das Herz gesungen, daß sie die Zähne in den Kissen ver bissen, um nicht aufzuschreien und wahnsinnig zu werden. Der Zug rollte langsamer. Die Wagen singen die rat ternden Stöße auf, sie glitten länger aus, hielten. Aus schwerem, dumpfem Brüten stolperte man hoch. Die Wagentür flog auf. Das Bauerngesicht des Unter offiziers wurde in der Oeffnung sichtbar. „Aussteigen zum Umladen", knurrte er, und stolperte weiter. Müde plötzlich von dem Licht, das auf sie einströmte, standen sie auf dem Bahnsteig. Weiber gingen am Bahndamm entlang. Sie sahen zu den ausgemergelten Gestalten hinüber, lachten und machten spöttische Bemerkungen. Der kleine Witmann preßte die Fäuste. Er sah über sie hinweg in die Ferne. Drüben, Tausende von Kilometern weit lag Deutschland, gab es ein kleines Haus, gab es eine Frau« Er atmete heftig. Sah sich um, sah seine Kameraden, die müde und verloren umhersatzen, sah die Kosaken, die Sonnen blumenkerne spuckten und die Rufe der Frauen erwiderten -- er sah alles und sah es doch nicht. Szenen stiegen vor ihm auf. Wie er sie auf der Bühne gesungen und gespielt hatte. Und da brach eS plötzlich auS ihm heraus. Er sang. Auf dem kleinen russischen Bahnhof, unter de« Bajonetten der Wachsoldaten sang er das Intermezzo auS „Cavalleria rusticana". Wie eine lange gestaute Flut stürmte es auf. In unsagbarer Schönheit hob sich die Stimme über dem Getriebe der bitteren Alltäglichkeit. Auf der anderen Seite des Bahnsteiges rollte ein V-Zug an. , - Der Sänger sah eS nicht. Die Kosaken hörten mit dem Speien der Sonnenblumen kerne auf und grinsten sich verlegen an. Die Kriegsgefangenen saßen erschüttert um den einsamen Sänger. Er sah eS nicht. Er verströmte seine ganze Sehnsucht, sein jahrelanges Heimwehgefühl in das Lied. An den Fenstern der O-Zug-Wagen sammelten sich die Fahrgäste. Der einsame Sänger blickte aus seiner Verlorenheit auf und sah in ein lunges, klares Mädchenantlitz, das ihn von einem Abteilfenster auS.mit Bewunderung und Mitleid ansah. In den blauen Augen standen Tränen, und die zierlichen, weichen, auf dem Fensterrahmen ruhenden Hände zerknüllten das seidene Taschentuch, das sie umschlossen. Noch immer sang der kleine Witmann. Jetzt Heimatlieder, Heimwehlieder... Urplötzlich brandete der anfangs verhaltene Beifall auf, als er endete. Blumen, Süßigkeiten und Zigaretten fielen auf den Bahnsteig. Der Sänger hob den Blick, sah über alles in die Weite. Dann senkte er mit einem stolzen Neigen den Kopf, wandte sich und ging langsam den Transportwagen zu. Ein Ruf ließ ihn auffahren. Drüben stieß eine Wagentür scheppernd auf. Witmann sah, wie die junge, mädchenhafte Fremde ausstieg. Mit kleinen, behenden Sprüngen glitt sie an den Kosaken vorbei und hielt dem verdutzten Sänger eine Schachtel Konfekt entgegen« „Bitte", flüsterte sie, „bitte nehmen Sic." Sie sah ihn hilflos an. In ihren blauen Augen standen Tränen. Unbeholfen nahm er die Schachtel. Sah in das reine, junge Gesicht der Geberin. „Danke", sagte er heiser, „danke"..« Sie zögerte. Sah ihn immer noch an. Und riß plötzlich, ehe er abwehrcn konnte, ihre Arme um seinen Hals, preßte ihre jungen Lippen auf die seinen und küßte ihn... Der Kleine sah ihr mit einem Ausdruck unbeholfener Liebe nach, als sie langsam zu ihrem Wagen zurückging. Vom abführenden Zug aus winkte sie ihm schelmisch lachend zu. Er lächelte. In dieser brutalen russischen Hölle war ihm eine Frau begegnet, deren Tun reinstes und schönstes Menschentum atmete. Beschwingt ging er zum Transportwagen zurück. „Paschall", riesen hinter ihm die Kosaken und knallten die Wagcntüren zu. Er stolperte glücklich in seine Waacnecke. Der Zug rollte an. Die Fahrt ging weiter... Wozu hundert Jahre alt? Den berühmten britischen Arzt Abernelhy suchte einst ein Mann auf, der gern recht all, womöglich hundert Jahre alt wer den wollte. Es entwickelte sich ein schnelles Frage- uiü> Antwort spiel. „Wie alt sind Sie jetzt?" forschte der Doktor. — „Zwei undfünfzig." — .Lrinken Sie?" — „Nein, ich bin Antialkoholi ker." — „Rauchen Sie?" — „Nein, ich habe in meinem ganzen Leben noch nie geraucht." - „Spielen Sie Karten?" — „Nein." — „Essen Sie Fleisch?" — »Ich bin Vegetarier." — „Gefall^ Ihnen die Frauen?" — „Richt besonders." — Da geriet dA Ar^t in ^orn: „Weshalb, zum Kuckuck, wollen Sie dann Hund«