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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES H Y G I E N E - M U S E U M Sonnabend, den 10. Februar 1968, 19.30 Uhr Sonntag, den 11. Februar 1968, 19.30 Uhr 12. AUSSERORDENTLICHES KONZER Dirigent: Roberto Benzi , Italien Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 Sinfonie Nr. 4 A-Dur op. 90 (Italienische) Allegro vivace Andante con moto Con moto moderato Saltarello (Presto) PAUSE Hector Berlioz 1803-1869 Symphonie fantastique (Phantastische Sinfonie) op. 14 Largo-Allegro agitato e appassionato assai (Träume reien, Leidenschaften) Vaise-Allegro non troppo (Ein Ball) Adagio (Szene auf dem Lande) Allegretto non troppo (Der Gang zum Richtplatz) Larghetto-Allegro (Beim Hexensabbat) ROBERTO BENZI, Sohn italienischer Eltern, wurde am 12. Dezember 1937 in Marseille (Frankreich) geboren. Er verbrachte die ersten Jahre seiner Kindheit in Italien. Vom vierten Lebensjahre ab erhielt er Musikunterricht (in Gesang und Klavier) beim Vater. Als die Familie nach Frankreich übersiedelte, verstärkte sich sein Wunsch, das Dirigieren zu erlernen, und er wurde mehrere Jahre von Andre Cluytens und Fernand Lamy unterwiesen. Sein Dirigenten- Debüt gab er im Juli 1948, sein erstes Konzert in Paris — beim Orchester Colonne — leitete er im November des gleichen Jahres, also im Alter von elf Jahren. Die damit beginnende „Wunderkind"-Karriere, die ihn auf Konzerttourneen durch die ganze Welt führte, fand ihre Höhepunkte in zwei Musikfilmen, deren Hauptdarsteller er war: „Vorspiel zum Ruhm" (= „Roberto"; 1949) und „Der Ruf des Schicksals" (= „Konzert in Venedig"; 1952). Beide Filme steigerten in erheblichem Maße die Popularität Roberto Benzis, der sich trotz seines jugend lichen Alters als ein hochbegabter, echter Musiker ausgewiesen hatte. In den Jahren 1952 bis 1956 widmete er sich weiteren Musik- sowie Universitätsstudien, um auch als Erwachsener seine künstlerische Laufbahn fortsetzen zu können. 1954 war er erstmalig als Operndirigent tätig. 1959 60 leitete er die erste Inszenierung der Oper „Carmen" an der Pariser Grand Opera (das Werk war zuvor nur an der Opera Comique gegeben worden), eine Aufführung, mit der eine erfolgreiche Gastspieltournee nach Japan unternommen wurde. Der junge Dirigent wurde von den berühmtesten Orchestern und Musikfestivals Europas eingeladen und errang — wie auch auf Konzertreisen durch Südamerika und Nordafrika — größte Erfolge. Seit 1960 produzierte er zahlreiche Schallplattenaufnahmen. ZUR EINFÜHRUNG „Die Haupteigenschaften meiner Musik sind leidenschaftlicher Ausdruck, innere Glut, rhythmischer Schwung und überraschende Wendungen", schrieb Hector Berlioz, der große französische Komponist, glänzende Instrumentator, ei gentliche Begründer der Programmusik und Schöpfer der sinfonischen Dic^ tung, in seinen Lebenserinnerungen. Berlioz' Musik, die Frucht eines geniale' Musikers, aber auch eines von außergewöhnlicher Überanstrengung gekenn zeichneten schweren Lebens, spiegelt die gesellschaftliche und geistige Wider sprüchlichkeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wider, insbesondere die typischen Wesenszüge der Menschen jener Epoche. Ausgehend von Beetho vens Pastoral-Sinfonie, in welcher der Wiener Klassiker bekanntlich „mehr Aus druck der Empfindung als Malerei" verlangt hatte, machte der französische Meister die Musik zum Ausdrucksträger seiner dichterisch-programmatischen Vorstellungen. Dabei erschloß er dieser Kunst einen völlig neuen Gefühlsgehalt, eine faszinierende Bildhaftigkeit, die ihn zum „realistischen Romantiker" wer den ließ. Obwohl der Komponist die aufbrechende Leidenschaftlichkeit des französischen Menschen des romantischen Zeitalters in seiner Musik gestaltete, dem typisch romantischen Ichkult in der Kunst, den schroffen Stimmungsgegen sätzen, die jene Zeit liebte, huldigte, wurde Berlioz' Schaffen von seinen Zeit genossen zwiespältig aufgenommen. Während der große Geiger Joseph Joachim sich von seiner Musik „in zunehmendem Maße abgestoßen" fühlte, behauptete der Opernkomponist Adolphe Adam „Er ist alles, was man will..., aber ein Felix Mendelssohn Bartholdy, der musikalisch von einer seltenen Frühreife war, besitzt in der Musikgeschichte ein dreifaches Ansehen: als Or ganisator (so gründete er beispielsweise das Leipziger Konservatorium als erstes in Deutschland und brachte Bachs Matthäus-Passion hundert Jahre nach ihrer Uraufführung erstmalig wieder zum Erklingen), als Dirigent der Leipziger Gewandhauskonzerte (hinzu kam seine ausgedehnte Konzerttätigkeit in Berlin, London und anderen Städten) und nicht zuletzt als Komponist zahlreicher Werke für die verschiedensten Gattungen, die zu den schönsten Zeugnisssen der deutschen musikalischen Romantik gehören, wie die geniale Musik zum „Sommernachtstraum", das Violinkonzert, die „Schottische" und „Italienische Sinfonie". Mendelssohns formvollendete Tonsprache erwuchs oft aus Natur- und Landschaftserlebnissen — wie im Falle der dritten Sinfonie a-Moll (der „Schottischen") und der Hebriden-Ouvertüre, die die Früchte einer Schottland reise waren. Ebenso entstand die Sinfonie Nr.4 A-Dur op.90, db „Italienische“, während einer Italienfahrt des 21jährigen Bankiersohnes MeiJ, delssohn. Von Rom berichtete er 1830: „Die Italienische Sinfonie macht Fort schritte; es wird das lustigste Stück, das ich gemacht habe." Die Sinfonie wollte er nicht beenden, ehe er Neapel gesehen hatte, „denn das muß mitspielen“. Die erfolgreiche Uraufführung des Werkes fand 1833 in London statt. Das liebenswürdige Stück bietet keinerlei Probleme. Der Komponist folgt dem klassischen Sinfonieschema konsequent. Er musiziert in der „Italienischen" vor wiegend einfach, heiter und lebenfsreudig. Die lichterfüllte Weit des Südens begegnet im jugendlich-jubilierenden, frohbeschwingten Hauptthema des er sten Satzes. Der zweite Satz, dem angeblich ein böhmischer Wallfahrtsgesang, von Holzbläsern und Bratschen vorgetragen, zugrunde liegen soll, gibt sich dagegen mehr elegisch, balladenhaft. Auch der dritte Satz, ein Menuett, ge mahnt eher an einen Schubertschen Ländler als an ein Bild aus der italieni schen Landschaft. Der Trioteil malt mit weichem Hörnerklang den Zauber des deutschen Waldes, den Mendelssohn selbst in Italien nicht vergessen konnte. Genial ist das Presto-Finale, ein leidenschaftlich dahinwirbelnder „Saltarello“ (Springtanz; das Tanzthema erklingt in den Holzbläsern), der, aus der neapo litanischen Volksmusik übernommen, ein mitreißendes Bild aus dem italieni schen Volksleben mit seiner ausgelassenen Fröhlichkeit trotz elegischer Episo den zeichnet. Dieser Satz ist ein typischer geistsprühender, elegant-schwung voller Mendelssohn, der jeden Hörer wohl in seinen Bann zwingt.