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bei ihm, dem Klavierkomponisten von stärkster Eigenart, mit neuen, kühnen Klangkombinationen und Wendungen zwar unbedingt im Mittelpunkt des Ge schehens, ist dabei aber ganz in den Dienst der Kompositionsidee gestellt und verzichtet — trotz schwierigster Aufgaben für den Solisten — vollkommen auf jede äußerliche Virtuosität und leere technische Brillanz. Gleichzeitig jedoch gelingt Schumann in seinem Klavierkonzert — im Gegensatz zu Chopin, dem einzigen Meister der Zeit, der ihm in der Gestaltung des Klavierparts seiner beiden Konzerte kongenial ist — auch eine großartige Verschmelzung von Klavier- und Orchesterklang, die Schaffung einer Einheit zwischen solistischem und sinfo nischem Element. Soloinstrument und Orchester dienen in schöner gegenseitiger Durchdringung gemeinsam dem musikalischen Ausdruck, der Darlegung einer unermeßlich reichen Fülle von Gedanken, Gefühlen und poetischen Stimmungen, in herrliche Melodien und edle Formen gefaßt. Drängende Leidenschaft und Sehnsucht bestimmen den Charakter des ersteh Satzes (Allegro affettuoso). Nach einer kraftvoll-energischen Einleitung durch das Klavier ertönt zuerst in den Bläsern, dann vom Solisten wiederholt, das schwärmerische Hauptthema, das in seinen Motiven als Leitgedanke des Wer kes in allen Sätzen wiederkehrt. Darauf entwickeln sich in reizvollem Wechsel zwischen Orchester und Solisten nacheinander eine Reihe der verschieden artigsten Bilder und Stimmungen, wobei das Hauptthema mit seinen einzelnen Teilen, dem hier kein eigentliches zweites Thema entgegengestellt wird, in wechselnder Beleuchtung, der Phantasie breitesten Spielraum gebend, den Verlauf des Satzes beherrscht. Die Reprise hat ihren Abschluß und Höhepunkt in der breit angelegten, verinnerlichten Kadenz des Soloinstrumentes. Kraftvoll vorwärtsstürmend wird der Satz danach abgeschlossen. Völlig entgegengesetzt erscheint der kurze zweite Satz (Intermezzo — Andantino grazioso), der durch die überaus poetische, graziöse Wiedergabe ruhiger, ge löster Empfindungen gekennzeichnet wird. In feinem Dialogisieren zwischen Klavier und Orchester über ein Thema, das dem Hauptthema des ersten Satzes entstammt, entfaltet sich ein anmutiges, subtiles Spiel. Der kantable Mittelteil des Intermezzos bringt ein ausdrucks- und gefühlvolles Thema, das zuerst von den Celli vorgetragen wird, während sich das Klavier in zarten Ara besken ergeht. Auch das schwungvolle, frische Hauptthema des unmittelbar anschließenden Finalsatzes (Allegro vivace) wurde aus dem Hauptthema defl ersten Satzes gewonnen, und zwar diesmal durch eine rhythmische Verschie bung. Das sprühende, fast tänzerisch anmutende Finale nimmt einen leiden schaftlich bewegten, farbigen Verlauf und endet auch nach einer im wesentlichen vom Soloinstrument getragenen Schlußsteigerung in lebensbejahender, freudig weltzugewandter Haltung. Dr. Dieter Härtwig Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1967/68 — Chefdiriger.t: Kurt Masur Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Ausbildungsstätte 40539 III 9 5 1,35 268 ItG 009 19 68