Volltext Seite (XML)
Noch einer zweijährigen Tätigkeit als Kapellmeister am Moskauer Bolschoi- Theater übersiedelte er im November 1906 nach Dresden, um hier ohne feste Anstellung in Ruhe komponieren zu können und bezog mit seiner Familie eine Wohnung im Gartenhaus Sidonienstraße 6. Tatsächlich wurde die Dresdner Zeit — mit einigen Unterbrechungen lebte er bis zum April 1909 hier — für ihn zu einer fruchtbaren Schaffensperiode. (Auch in späteren Jahren kehrte er übrigens noch öfter als Gast in unsere Stadt zurück und trat 1928 auch in einem Kon zert der Philharmonie als Pianist auf.) „Wir lebten hier wie richtige Einsiedler", schrieb Rachmaninow, dem Dresden nach dem Zeugnis eines anderen Briefes sehr gut gefiel, am 21. November 1906 an einen Freund, „wir sehen niemand, wir kennen niemand, und wir gehen nirgends hin. Ich arbeite viel und fühle mich sehr wohl." Die wesentlichsten Werke des Komponisten, die hier entstan den, sind seine zweite Sinfonie e-Moll op. 27, ein Operntorso „Monna Vanna" (nach Maeterlinck), die erste Klaviersonate d-Moll op. 28 und schließlich die sinfonische Dichtung „Die Toteninsel“ op. 29. 4 „Die Toteninsel“, wie Max Regers Tondichtung nach dem berühmten gleich namigen Gemälde Arnold Böcklins geschrieben, vollendete Rachmaninow im April 1909. Er hatte zwei Jahre lang nach einem geeigneten Vorwurf für ein sinfonisches Poem gesucht, bis ihm ein Freund, Nikolai Struve (dem die Kom positen auch gewidmet wurde), auf das Böcklinsche Bild hinwies. Rachmaninow hatte dieses Bild erstmals 1907 in einer schwarz-weißen Reproduktion in Paris gesehen und war sehr beeindruckt davon, mehr übrigens als vom Original, das er erst später kennenlernte und das ihm in den Farben weniger zusagte. Er komponierte seine sinfonische Dichtung in relativ kurzer Zeit, feilte an eini gen Details des am 18. April 1909 in Moskau unter seiner Leitung uraufgeführ ten Werkes allerdings noch nach seiner Rückkehr nach Rußland und sogar noch 20 Jahre später in Amerika. Die Komposition, in der wie in allen Orche sterwerken Rachmaninows ein üppiger spätromantischer Orchesterapparat ein gesetzt wird, ist in klarer Dreiteilung angelegt und bringt nach ruhig fließen dem Beginn in ihrem Mittelteil eine große expressive Steigerung, während der Schlußteil wieder die Anfangsstimmung aufnimmt. Die Musik besitzt einen ausgesprochen bildhaften, malenden Charakter. „Im ersten Teil ist das Meer dargestellt, das die Toteninsel umspült, im zweiten erheben sich Klage, An klage, Todesangst und Todesnot, Gefühle, die im dritten Teil — analog dem ersten — in der flutenden Bewegung besänftigt werden" (K. Laux). Robert Schumann, der von 1844 bis 1850 in Dresden lebte und wirkte - die Details seiner Dresdner Tätigkeit sollen im Programmheft des nächsten Zyklus-Konzertes anläßlich der Aufführung seiner zweiten Sinfonie erörtert werden - schrieb im Jahre 1839 seiner Braut Clara Wieck über die geplante Komposition eines Klavierwerkes, das er ihr zugedacht hatte: „Es wird ein Mit telding zwischen Sinfonie, Konzert und großer Sonate; ich kann kein Konzert für Virtuosen schreiben und muß auf etwas anderes sinnen". Schon sehr viel früher hatte sich Schumann mit dem Plan eines Klavierkonzertes beschäftigt. Bereits von dem Siebzehnjährigen existieren Notizen über den Entwurf eines Klavierkonzertes in E-Dur, dem während seiner Studienzeit in Heidelberg die Arbeit an einem anderen in F-Dur folgte; von beiden Entwürfen ist jedoch nichts mehr erhalten. S ERG EJ RACHMAN INOW Das Klavierkonzert a-Moll op. 5 4 ist im wesentlichen als eine Frucht der Dresdner Zeit Schumanns anzusehen. Der Komponist hatte zwar schon 1841 den ersten Satz des Konzertes als selbständige „Konzertfantasie für Klavier und Orchester" vollendet, die beiden anderen Sätze und die endgültige Form des Konzertes entstanden jedoch erst vier Jahre später im Laufe des Jahres 1845 in Dresden, und hier fand auch am 4. Dezember 1845 die Uraufführung des Werkes unter der Leitung des Komponisten und Dirigenten Ferdinand Hiller mit Clara Schumann als Solistin und dem Hillerschen Konzert-Orchester statt. Kurz danach wurde es auch im Leipziger Gewandhaus, hier mit Felix Mendelssohn Bartholdy als Dirigenten, aufgeführt. Der große Erfolg, den das Werk von Anfang an hatte, ist ihm stets treu ge blieben. Tatsächlich stellt das a-Moll-Klavierkonzert — Schumanns einziges Kon zert für dieses Instrument — nicht nur eines der genialsten und auch der be kanntesten Werke des Meisters dar, sondern gehört zu den schönsten und be deutendsten Schöpfungen dieser Gattung überhaupt. Zu einer Zeit geschrieben als die von Mozart und Beethoven geprägte klassische Form des Klavierkon zertes viele Komponisten dazu verführte, unselbständig diese großen Vorbilder nachzuahmen, brachte Schumann in seinem Konzert in schöpferischer Weiter entwicklung, dem neuen romantischen Geist seiner Epoche entsprechend, formal wie inhaltlich ganz Neues und Eigenes und prägte so den Typus des roman tischen Klavierkonzertes, zu dessen Inbegriff sein Werk wurde. Das Klavier steht