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r»r 270 2. Beiblatt zum Lschopauer Tageblatt und Anzeiger S*«nab«n»,Asvemd«» ^8 Zum fieventen Tag der Angst oder der RMbMWm Der Postmeister suchte die Stube der Agentur auf, obwohl dort nichts auf ihn wartete und alles zum besten geordnet lag. Er schlug die Markenmappen auf und wieder zu, legte die Erzählung von Dies ist die Geschichte des Christian Mark, der vergessen worden ist, obgleich er einmal an das Herz und Geheimnis der Natur rührte. Aber er tat eS auf eine so stille und behutsame Weise, daß die, die um ihn waren, nichts anderes in ihm zu sehen vermochten als einen ein wenig sonderlichen Gärtner burschen. Nur eine sah ihn mit anderen Augen an, das war die kleine Anne-Kristm. Trotzdem sie um jene Zeit erst 12 Jahre zählte, war sie schon die Herrin des Gutes. Gewiß, sie hatte einen Vormund und Verwalter, und da war chere tante, das alte Freifräulein von Klodwitz, die an ihr Mutter stelle vertrat — aber die Achse, um die sich alles drehte, war doch sie, Anne-Kristin. Christian Mark war um jene Zeit als Gehilfe in die Gutsgärtnerei gekommen. Er war ein schmaler, hochauf- eS chere tante klar, daß Anne-KristinS Kindheit beendet war und daß eS schleunigst nachzuholen galt, was man vielleicht bei ihrer Erziehung doch noch versäumt hatte. Und unter dem Blick deS Neichsgrafen wurde es chere tante ebenso klar, daß ein Gärtnerbursche kein passender Umgang ^ür eine Baronesse ist, und sie beschloß, das augenblicklich zu andern. Noch an dem selben Abend ging sie daher zu dem Gärtner und verkündete ihm, daß er seinen Gehilfen fortzuschicken habe. Der entledigte sich am nächsten Morgen nur zu gerne der aufgetragenen Pflicht und verkündete Christian, daß er sein Bündel zu schnüren und sein Glück anderswo zu suchen habe. Widerstand war unnütz, und so zog Christian fort, ohne Anne-Kristin noch einmal wiederzusehen, von einem Geschick ergriffen, daS ihm vorläufig noch fremd und wie nicht zu ihm gehörig erschien, da eS ihn aus allem Gewohnten verstieß. Aber wie er nun endlich aus'seinen Gedanken die Augen erhob, die er bis jetzt auf den Weg geheftet hatte, sah er Anne- Kristin wie ein Spiegelbild seines Wünschens am Rande deS kleinen Wäldchens stehen, durch daS sein Pfad hindurchführen sollte. Sie wußte schon alles und war gekommen, um ihm noch ein Stück das Geleit zu geben. Sie vermochte vor Bewegung kaum zu sprechen, und wie sie nun neben ihm herging, preßte sie verstohlen die Hand auf ihr klopfendes Her^. Er aber hielt die Augen noch immer gesenkt, und eS war mcht anders, daß er ihre kleinen Füße sehen mußte und sie schienen ihm weniger d?nn je dazu gemacht, rauhe Wege zu gehen, sondern nur sanft geebnete Pfade. So kamen sie durch daS Wäldchen in ihren tiefen Ge danken und Heimlichkeiten, die §e einander nicht offenbaren konnten, und hier standen sie plötzlich vor einem Lupinenfeld. Es mochte sein, daß sich die Blüten erst an diesem Tage er schlossen hatten; sie standen in einer so wunderbaren, goldenen Pracht, daß Anne-Kristin und Christian wie verzaubert stehen blieben. Darüber bemerkten sie nicht, wie der Himmel, der schon den ganzen Motgen gedroht,hatte, sich verfinsterte. Erst als eine Regenwolke sich in schweren Tropfen über ihnen er- >goß, erwachten sie und flüchteten unter den Schutz eines Baumes. Da aber die Tropfen auch noch durch die Krone hin durchschlugen, tat Christian seine Jacke ab und hängte sie vor sichtig um Anne-Kristins Schultern. Als habe der Himmel nur auf dieses Zeichen gewartet, hörte der Regen so Plötzlich auf, wie er gekommen war, und die Sonne trat aus den Wol ken hervor. Es war ein unbeschreiblicher Anblick, denn die feuchte Luft schleuderte das Licht wie in einen Wirbel hinein — es war wie die Wellen eines Stromes, in denen Wasser, Luft und Strahlen zu einem einzigen Silber zusammenfließen — eine süße Betörung und zugleich eine Erweckung aller Sinne. Und wie das Leuchten nun weiter der Erde entgegensank und über dem Lupinenfeld liegen blieb, als seien die Farben des RegenbogenS in die Blüten zerstreut, da schien es Christian und Anne-Kristin, als habe die Erde selbst in diesem Augen blick ihnen ihr heimliches Wollen verraten und anheimgegeben. Zum ersten Male an diesem Tage trafen sich ihre Blicke, und wie Anne-Kristin nun die Jacke von ihren Schultern streifte und sie Christian darbot, neigte sie sich zu gleicher Zeit zu ihm herüber, und er fühlte ihren Mund auf seinen Lippen. — Viele Jahre später kam ein Mann desselben Weges zu rück. Das Lupinenfeld war verschwunden, aber der Baum, der einmal zwei Liebenden Schutz gewährt hatte, stand noch da. Der Mann ging so langsam, als müsse er mit jedem Schritt eine Erinnerung aufheben. Später saß er dann in dem Dorf krug, und der Krüger, der selbst einmal weit in der Welt her umgekommen war, gesellte sich zu ihm, denn er merkte, daß daS ein Weitgewanderler und Erfahrener war. Ja, weit war der Mann gekommen, und viel hatte er gesehen in Bayern und Böhmen, in Oesterreich und der Türkei. Aber das Seltsamste, sagte er, sei nicht der Kaiser Franz in seiner Hofburaund nicht die goldene Stadt Konstantinopel, sondern ein Prälat in Brünn, mit Namen Mendel, der allein wisse heute um da» Geheimnis, wie man die Natur bewegen und in ihrem Inner sten verändern könne. Dann fragte der Fremde wie nebenbei nach der Guts- Herrschaft, und der Krimer erzählte, daß das letzte gnädige Fräulein den gnädigen Herrn Neichsgrafen von Bürbach und Malstatt geheiratet hätte. Aber schon rm ersten Jahr ihrer Ehe sei sie ausgelöscht wie ein Lichy dem die Nahrung fehlt. An einem Sommertag habe sie sich zum Sterben hingeleat, aber zuvor habe man ihr einen Strauß von einem blühenden Lu pinenfeld bringen müssen, den habe sie mit in daS Grab ge nommen. Der gnädige Herr Reichsgraf aber sei wieder auf seine Güter gezogen und habe sich hier nicht mehr blicken lassen, auch sei er Wohl längst wieder verheiratet. Wunderte sich der Krüger, wie hastig sein Gast nach dieser Nachricht aufbrach? Im nächsten Sommer hätte manches offenbar werden können, aber da hatte die Zeit schon um alles einen so dichten Schleier gesponnen, daß die Wahrheit nur noch wie ein blasser Abglanz hindurchschien. Im Juli- erhob sich über Anne- Kristins verlassenem Grabe ein Meer von Lupinen — in allen Farben, die dem Menschenauge offenbart sind, standen sie über dem Hügel, und eS war nicht anders, als sei die schimmernde Herrlichkeit deS Regenbogens über ihm auSgestreut. Der alte Friedhofswärter, von allen Seiten bedrängt, gestand, daß der Fremde, der im letzten Jahre hier gewesen sei, die Samen in die Erde gesenkt und gegen gutes Silbergeld seiner Obhut empfohlen hatte. Als er aber nun im nächsten Jahre selbst die sorgsam von den Wunderblumen geerntete Saat ausstreute und gespannt auf die Blüten wartete, da öffneten sich nur matte, weißgelbliche Kerzen. Das Geheimnis der Regenbogen lupinen war verweht, und auch von Christian Mark wurde nichts mehr gehört. Lotte Kries« r. gehörigkeit seines Benehmens bewußt geworden war, kam gar nicht dazu, sich zu entschuldigen, weil eine kleine heiße Kinder hand sich schmeichelnd über die seine schob und das Sümmchen, das vorhin die verfängliche Frage gestellt hatte, nun bat: „Darf ich sie nicht verbinden? Ich will auch ganz vorsichtig sein —, ach, ich möchte doch so gerne —!" Und vor diesem sehn süchtigen Seufzer schmolz Christian Marks gärtnerisches Ge wissen in ein Nichts zusammen. „Ja, also —", sagte er,, und da stockte er schon, denn w i e sollte er sie nun anreden?! Und sie, schon mit der Sicherheit der Frauen erratend, worum es hier ging: „Ich heiße nämlich Anne-Kristin und du?" — „Christian —" — „Aber", rief sie fröhlich, „daS ist ja beinahe dasselbe — Kristin und Christian — und nun zeig mir, wie ich Zuschauerin bewußt, so versunken war er m sein Werr ge wesen, das ihn sein alter Lehrmeister als ein fast heiliges an sehen gelehrt hatte. Und nicht bedenkend, daß eS ein Kind war und noch dazu die Baronesse selbst, der er nach der Sitte der Zeit nur mit untertänigem Ja oder Nein zu antworten hatte, entgegnete er ihr mit Worten, wie er sie selber auS dem Munde seines Meistes gehört hatte. „Alle Natur", sagte er, und es klang Anne-Kristin gar feierlich, „strebt auS dem Zustand der Verwilderung in ein höheres Leben, und dies ist ein gottwohl- gefälligeS Werk, wenn zwei sich paaren und die höhere Art deS einen daS andere hinüberzieht in eine neue Erscheinung Dann als erwachte er, fuhr er mit seiner natürlichen Stimme fort: „ aber ich verstehe eS selbst noch nicht ganz —. Anne-Kristin stand mit großen, erstaunten Augen, wie sie vor ihrem Geburtstagstisch zu stehen Pflegte. ES waren selt same Worte, die sie da gehört hatte, und daS seltsamste hieß „Natur". Christian Mark, der sich inzwischen erschrocken der Un- Fast hätte man glauben können, als besänne sich die Natur auf ein anderes und führte ihre Kraft dem Sterben zu und nicht mehr, wie bisher, rhm entgegen. Aber wer die Birn bäume in Doktors Garten tragen sah an ihrer verschwende rischen Fruchtbarkeit, dem ward doch gezeigt, daß der natür liche Wille zur Ewigkeit sich um nichts geändert hatte. Es war eine warme Nacht, kein Wind rüttelte im Laub, und doch fielen die Birnen dumpf ins Gras, und der Doktor lag noch immer wach in seinem Bett. Da schlürfte jemand rasch den Kiesweg heran und ries zum offenen Fenster herauf. Es mar der Postmeister, und seine Stimme konnte sich nicht recht entscheiden, wem sie gehorchen sollte, der Angst oder der Zuversicht, als er den Doktor an das Wochenbett seiner Frau bat. So sehr sich auch der Doktor beeilte, er holte den Post- meisler in der Straße nicht mehr ein und traf ihn erst unter traf ihn erst unter der Tür seines Hauses. Der Postmeister, am Schalter sonst ein sebmcigsamer Mann, konnte nun doch nicht sein Herz ver heimlichen: Eine Träne sah der Doktor aus dem Auge des Mannes kommen, und reden hörte er ihn wie aus einem Gebet heraus: „.... wir sollen ein Kind haben, doch noch!" Das ist am Menschen wesentlich, daß er mitleidend und mitbeglückt sein kann an fremdem Geschick, und der Doktor, der selber einen Sohn besaß, wenn auch in Uniform und an einem Srt, wo der Tod dem Lebendigen arg zusetzt, der Doktor lächelte und kostete mit am Glück des Postmeisters, und seine Aufgabe, zu so nächtlicher Stunde eine Geburt zu überwachen, leuchtete auf im Licht ihres Segens. Aber der Doktor wußte auch aus den langen Jahren, in denen er Kindern ins Leben geholfen hatte, wie alle Männer, die sonst brauchbar gewesen waren in ihrem Alltag, Männer mit starken Fäusten und gutem Gedächtnis und klaren Ent scheidungen, unbrauchbar, unzuverlässig und gar hinderlich wurden zu solchen Stunden, wo sich ihr Blut wiederholen will in einem jungen, frischen Leben. Und so schob der Doktor den Postmeister sanft aus der Kammer und blieb allein mit der Amme und der Frau. Trotz des Krieges hatte der Doktor bleiben dürfen in feinem Dorf; wohl nicht allein seines Haares wegen, das weiß leuchtete wie Wand und Möbel seines Sprechzimmers, sondern auch deshalb, weil ja auch fern der Front Wunden bluten und Knochen brechen und Kinder geboren werden. Nun, viele Kinder waren es nicht, die in diese von Gra naten zerfetzte und vom Hunger geschwächte Welt gehoben zu werden verlangten. Es schien, als wüßten die Ungeborenen, daß nicht sie an die Wange der Väter gehörten, sondern der Gewehrkolben, und daß die Mütter an zu schwerem Herzen nagen, als daß sie ein Lächeln und ein' gutes Märchen zu schenken vermöchten. Dabei verging fast kein Sonntag, da der Pastor nicht einen oder zwei Namen durchs Kirchgewölbe rief. Immer antworteten ein paar Frauen, mit einem Schluchzen oder einem fadendünnen Wimmern, daß der Gefallene ein Stück von ihnen oder ein Versprechen an sie gewesen war. Ja, die Verluste, die der Pastor ins Kirchenbuch eintrug, fügten sich yu einer langen Reihe; aber die Liste der Täuflinge rückte nur selten weiter, und dann nur um ein kleines Schrittchen, zaghaft und müde. MM» Mn Mai Der berühmte Naturforscher Beireis, der um 1800 in dem braunschweigischen Orte Helmstedt wohnte und wirkte, aß niemals Kartoffeln. Sie machen dumm — behauptete er. Als er nun eines Tages zum Essen eingeladen war, setzte man ihm eine wunderschöne Kartoffelpastete vor, die er mit Behagen verzehrte, ohne zu ahnen, daß er sich da an der verhaßten Frucht vergriffen hatte. Als er sich die leckere Speise einverleibt, klärte ihn die Hausfrau aus. Aber der witzige Professor wußte sich zu helfen: „Nicht wahr, verehrte Frau, da ist wieder einmal ein Beweis für die Richtigkeit meiner Behauptung, daß die Kartoffeln dumm machen. Nur deshalb konnte es mir entgehen, daß m der Pastete Kartoffeln waren." geschossener Junge mit grauen Augen, den verträumten Augen seiner Mutter, die trotz ihrer zehn Kinder noch immer nicht ganz auf der Erde zu Hause schien. Anne-Kristin fand ihn auf einer ihrer Streifen, wie er in dem kleinen Gewächshaus mit scharfem Messer ddn Ruten der wilden Johannisbeere edle Triebe aufpfropfte. Sie hatte das noch nie gesehen und blieb MserstehW Erzählung von Herbert Kurzbach. Farbstifte und Halter mit unruhigen Fingern in eine neue Reihe, wischte über den Lampenschirm, der doch sauber war, und blätterte oberflächlich in der morgen auszntragenden Post; aber alles tat er ohne ein Wissen darum, und nur ein mal, für ein paar Sekunden, ward er des Regulators gewahr, der laut aus der Stille heraus tickte. Da nun geschah es, daß er, auf eine seltsame Weise, seinem wirren Sinnen über das Wunder, das m seiner Stube oben sich vorbereitete, entrissen und unbarmherzig vor fremdes Mißgeschick gestellt wurde. Er hatte eben den Packen Briefe umgestoßen, wohl aus Unvorsichtigkeit und nicht mit Willen, als einer der Briefe ein Stück über den Sortiertisch rutschte, ein Brief mit bestimmten äußeren Zeichen, deren Bedeutung der Postmeister gut kannte, und gerichtet war der Brief an den Doktor. Vielleicht hätte der Postmeister, zu einer anderen Stunde und mit freierem Herzen, den Brief wieder zurückgelegt zum Stoß und bedacht, daß solche Nachricht nicht spät genug kom men kann. Aber zweifellos hat in so großem Geschehen, wenn sich dem Menschen die Ewigkeit in einem Kinde versprechen will, ein anderes über uns Gewalt als der wägende Ge danke, und so darf es nicht Torheit und Schuld heißen, wozu oer Postmeister nun getrieben ward... Er lief die Treppe hoch und klopfte so lange, bis der Doktor endlich zu ihm aus den Flur trat, hinter sich wieder die Tür schließend. Er nahm den Bries, der Doktor, und erschrak Wohl schon, noch ehe er den Umschlag ganz aufgerisien hatte. Er las nicht alles, was da geschrieben stand, er über flog die Zeilen und suchte nach dem einen kleinen Satz, und da er ihn gefunden hatte, entfiel ihm der Brief und schaukelte auf die Fliesen nieder als ein leichtes, leichtes Papier. Der Postmeister hob das Schreiben auf, Wohl um es dem Doktor zurückzugeben. Aber der lehnte schon an der Wand, den Arm vor den Äugen, und sprach immerzu den Namen seines Sohnes, als könne er mit diesem Wort, dreifach und aus blutendem Herzen gerufen, den Tod rühren, daß er den Ge fallenen ins Leben zurückgebe. An dieser fremden Erschütterung, die er mit dem Brief gebracht hatte, erwachte der Postmeister. Er schämte sich bis ms Innerste, und er hätte sich gern des alten Mannes er barmt. Aber es gelang ihm nichts, als seine Hand auf die Schulter des Doktors zu legen. Es wuchs kein Trost daraus, und keine Kraft kam beiden; wie wollten sich auch zwei Men schen aneinander aufrichten, über denen so gewaltig die Hand Gottes lag, Tod dem einen und Geburt dem anderen verheißend. Es drang ein schmerzvolles Weinen durch die Tür, und die Amme sprach tröstend darein. Da kam Bewegung in den Doktor, er kehrte sich sacht herum und starrte an der Wand hin, als erkenne er, wenn auch undeutlich, noch etwas in dieser Stunde, das ihm nicht genommen war, und er lauschte dem WH der Frau wie einer, dem Versöhnung angeboten wird. ^Er ging schweratmend ins Zimmer zurück. Es ist ein kräftiger Junge gekommen, er hat laut ge schrien in den Händen der Amme, und die Mutter hat ein leises Lächeln eingelassen in ihr bleiches Gesicht, und der Post meister ist zum Entschluß gekommen, ihn Gerhard zu nennen, wie der Sohn des Doktors geheißen hatte. Und wahrend er das aussprach, stieg es grau herauf hinter den Dächern und Bäumen, und eine Birne raMÄte draußen durchs Laub und fiel dumpf ins GraS. es machen muß —." Ihre Hände waren geschickt. Und bald überließ sie Christian sich selbst und führte aufs neue sein Messer in langem Schrägschnitt durch die Ruten, Mark und Saft frei legend und sie in eine neue Bindung zwingend. So arbeiteten sie — nun stumm — mit großem Eifer, bis dem letzten Stämmchen die neue Krone als Gesellin gegeben war, und das geschah genau in dem Augenblick, als die Mittagsglocke über den Hof rief und die beiden aus ihrer Versunkenheit hin überläutete in das gewöhnliche Leben. Aber freilich — und dies war wohl vorauszusehen — >lieb dies nicht ihre einzige Begegnung. Anne-Kristin ent- chlüpfte, wo sie konnte, ihrer französischen Hofmeisterin und gesellte sich zu Christian. Wie vertraut die beiden miteinander prachen, wenn sie allein waren, das wußte keiner, und ebenso wenig, wie oft Anne-Kristins Gedanken zu Christian liefen, schneller und öfter noch als ihre kleinen Füße. Und Anne- Kristin, die in ihrem Herzen noch immer daS Wort „Natur'' hütete wie einen wunderbaren Schatz, begann bei ihrem großen Freunde ein wenig zu erfahren von dem großen Geheimnis, das hinter unseren Sinnen liegt und sie doch bewegt. Christian hatte damals schon sein Sinnen auf die Gesetze gerichtet, nach denen die Pflanzen wachsen, blühen, Frucht treiben und sterben. In einem Winkel der Gärtnerei hatte er kleine Versuchsbeete angelegt, die der Obergärtner mit brum miger Mißbilligung betrachtete. Worauf er aber auS war und was er suchte, wußte nur Anne-Kristin, und mit ihr sprach er über die Möglichkeit, neue Arten zu züchten und die Natur mit reicherer Fülle zu begaben. Um diese Zeit beging Anne-Kristin ihren 15. Geburtstag, und auf dieser Feier, zu der auch Johann Albrecht, Reichsgraf von Burbach-Malstadt, Anne-KristinS Vetter, erschien, wurde in stummer Verwunderung stehen, mit atemlosem Staunen dem Zug des blitzenden Messers folgend, das in langem , Tchrägschnitt Mark und Saft freilegte und in eine neue Bin- I düng zwang. Nachdem Christian Mark die beiden Teile auf- einandtrsepaßt hatte, bestrich er sie behutsam mit Harz. „Aber wollen sie denn zusammen bleiben?" fragte ein feines Stimmchen neben ihm, und jetzt erst wurde er sich der