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KLAUS TENNSTEDT, der zu den begabtesten jüngeren Dirigentenpersön lichkeiten unserer Republik gehört, wurde 1926 geboren. Er studierte in den Jahren 1942 bis 19Ä Violine und Klavier an der Hochschule für Musik in Leipzig, wirkte dann zunächst als Konzertmeister in Heidelberg und Halle, ehe er 1951 in Halle zum Kapellmeisterberuf überwech selte. Von 1954 bis 1957 war er als Kapell meister an den Städtischen Theatern in Karl-Marx-Stadt tätig. 1958 ging er als Musikalischer Oberleiter an die Landes bühnen Sachsen in Dresden-Radebeul und wurde hier zum Generalmusikdirektor er nannt. 1962 folgte er einer Berufung als Musikalischer Oberleiter an das Mecklen burgische Staatstheater Schwerin. Gast spiele führten den Künstler u. a. in die CSSR, nach Westdeutschland, Schweden, Jugoslawien und zu führenden Orchestern der DDR. Konzerte in Österreich und in c'fl Sowjetunion stehen bevor. 1966 erhielt ™ den Fritz-Reuter-Kunstpreis. Mit der Dresd ner Philharmonie musizierte er bereits in den Jahren 1966 und 1967. HERBERT COLLUM WH ZUR EINFÜHRUNG Wilhelm Friedemann Bach, der älteste und wohl genialste Sohn Johann Sebastian Bachs, wirkte 13 Jahre (von 1733 bis 1746) in Dresden. Hier trat er als 23jähriger seine erste Stellung als Organist an der Silbermannorgel der Sophienkirche an, nach dem er von seinem Vater im Orgel- und Klavier spiel ausgebildet worden war und an der Leipziger Universität Rechtswissen schaft, Philosophie und Mathematik studiert hatte. Schon vor der Annahme des Dresdner Amtes war Friedemann Bach öfter zusammen mit seinem Vater in dieser Stadt gewesen, u. a. zur Erstaufführung von Johann Adolf Hasses Oper „Cleofide“ am 13. September 1731 und zum Orgelkonzert des Vaters, das am folgenden Tage in der Sophienkirche stattfand. In der Dresdner Zeit stand er auch in Verbindung mit dem Musikleben des Hofes, hatte Zutritt zur Hofmusik, pflegte mit berühmten Dresdner Meistern wie Hasse, Pisendel und S. L. Weiß Umgang und empfing namentlich durch die von Hasse geleitete Hofoper zahlreiche Anregungen. Seine Pflichten an der Sophienkirche waren relativ gering, und es entstanden viele seiner besten Kompositionen, vor allem Instru mentalwerke: Sinfonien, Konzerte, Klavierwerke, in Dresden. Nur ein einziges festes Amt (als Organist der Liebfrauenkirche und „Director musices" in Halle) hatte Friedemann Bach nach der 1746 niedergelegten Dresdner Stellung noch inne, ehe er als freischaffender Künstler in den letzten 20 Jahren seines Lebens — nicht zu voller künstlerischer Reife gelangend — immer mehr in wirtschaftliche Not und innere Haltlosigkeit geriet. Das Unglück dieses „zwischen den Zeiten" stehenden Komponisten war es (neben seinem zweifellos schwierigen, zwie spältigen und zerrissenen Charakter), daß die sozialen Voraussetzungen für ein ihm als Ideal vorschwebendes „freies Künstlertum" in der im Entstehen begriffenen bürgerlichen Gesellschaft seiner Zeit noch nicht gegeben waren. Auch Friedemann Bachs zum Teil hochbedeutende kompositorische Werke weisen in starkem Maße Merkmale einer Übergangsperiode, des Übergangs vom barocken Stil zum neuen Stil der sogenannten „Empfindsamkeit" auf; in vielen von ihnen spiegelt sich bereits deutlich der neue „Sturm-und-Drang"- Geist mit seiner Hochspannung der Gefühle. Mehr noch im barocken Stil ver wurzelt zeigt sich allerdings die heute erklingende Komposition Friedemann Bachs, die einzige erhaltene seiner neun Sinfonien. „Die Sinfonia in d-Moll für zwei Flöten und Streich orchester ist als Vorspiel zu einer Kantate zum Geburtstag König Friedrichs II. komponiert. Das einleitende Adagio erinnert an Händelsches Pathos mit seinen wuchtig in Oktavschritten oder absteigenden Tonleitern ge führten Bässen. Zu den erregenden Sechzehntel-Figuren in den Streichern kontrastiert wirkungsvoll die getragene Flötenmelodie. Es folgt eine vierstim mige Fuge im Alla-breve-Takt ohne Flöten. Sie ist heroisch; das Thema mit verminderten Septimen- und Quintenschritten hat eigenwilligen Charakter. Zuweilen spürt man bei dem Werk die Nähe von J. S. Bachs italienischem Konzert oder der Chromatischen Fantasie und Fuge" (C. Schröder). Eine führende Stellung als Hofkapellmeister Augusts des Starken und leitende Persönlichkeit des vielfältigen, reichen Musiklebens am Dresdner Hof der vor- Hasseschen Zeit nahm der sächsische Barockmeister Johann David Hei ni c h e n ein. Der Komponist, gleichzeitig einer der bedeutendsten Musiktheo retiker seiner Zeit, war von 1717 bis zu seinem verhältnismäßig frühen Tode 1729 in Dresden tätig und genoß hier eine hohe Wertschätzung. Vorher wirkte der in Weißenfels geborene Heinichen, der — wie später W. F. Bach — in Leipzig die