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Nr. irr 2. Beiblatt »um Zsivopauee Laoebla« MI» Bn»r<o«e M Zum sieventen Tag Wh Mück W DO Me N«, »le Ä Sole kenn sM Von Irmgard Johannes. KöM« EheB« cküM WW Mes? We physWmW Studie Bon Professor Richard Müller-Freienfels. MS im Jahre 1639 in einer Kirche London» ein Paar zum Traualtar schritt, geschah da» unter äußerlich glänzenden Um ständen. Der Hof, -er Adel, in allem Prunk, nahmen an der Feier teil. ES handelte sich bei dem jungen Paar um den be rühmten, gefeierten, in großen Verhältnissen lebenden Hofmaler Karls I., Sir Anthony van Dyck. Und um Maria Ruthven, dje schöne Hofdame im persönlichen Dienst der Königin, Tochter deS schottischen Earl of Gowrie, verwandt mit den ersten Familien Englands, sogar mit den StuartS selbst. Aeußerlich also glänzend, war innerlich Grundlage zu emem Glück kaum gegeben. Als van Dyck sich verheiratete, war er ein Mann, der die Höhe des Leben» überschritten hatte. Zwar war er erst 40 Jahre alt, aber dem Lebenshunger und Lebensgenuß verfallen, war er in diesem Alter bereit» ein müder, kränkelnder Mann. Karl I. von England hatte diesen Bund von van Dyck und Maria Ruthven gewünscht, well er glaubte, durch eine Ehe den Künstler vor dem Untergang retten zu können. Und die zarte, schöne und sehr mnge Maria Ruthven ent schloß sich zu ihrem Ja, vielleicht weil es ihrer Jugend schmeichelte, den großen Künstler, dem Ehren und Güter zu fielen, den von Frauen verwöhnten Mann zu heiraten, vielleicht auch, um der Enge des Dasein» eines armen Hoffräuleins zu entgehen. Graf Gowrie, ihr Vater, war unter der vorhergehen den Regierung in den Verdacht des Hochverrats gekommen. Er war im Tower eingekerkert gewesen und darüber war der Rest des Familienbesitzes verlorengegangen. Liebe wird bei diesem Bund nicht die Grundlage gewesen sein, aber Wohl Zuneigung und bei beiden der Wunsch nach einer Zuflucht. Maria Ruthven trat ein schweres Erbe an. Das Verhältnis oan Dycks zu den Frauen war der Punkt, an dem der lebens- und schönheitshungrige Künstler sich zugrunde richtete. Zudem machten die Frauen es dem „Pittore cavalieresko" leicht. Mit Geld streute er um sich, denn er hatte riesige Ein nahmen. Mit großem Aufwand lebte er teils in dem Atelier- hauS in BlackfriarS, teils in dem Atelier in Eltham, oder in dem Landhaus in Kent, oder auf seinem Gut in Flandern, neben vcm Schloß von RubenS. Er hatte eine Hofhaltung wie ein Fürst, mit Lakaien, Karaffen, Pferden, Musikanten, Narren. Wen er malte, wurde abends zur Tafel geladen. Biele schöne Frauen wurden von ihm gemalt. Kühle Aristokratinnen, höfisch, distanziert, malerisch repräsentativ gesehen, in weichen Farben, in virtuoser, geistreicher Art, verschönend, was ihm, dem Schön- heitShungrigen, häßlich erschien. Er malte auch seine Geliebte Margaret LemonS, der der König die Hauptschuw an van Dyck» Lebenswandel zuschob Ihre Derbheit war ihm Gegengewicht gegen die Zartheit der Hofdamen. In Antwerpen lebte unter »er Obhut von van Dycks Schwester seine natürliche Tochter Maria Therese im Kloster der Beginen DaS waren die Verhältnisse, in die die junge Maria Ruth ven eintrat. Hier sollte sie ihr ErlösunaSwerr beai««««. Sie kam Man nimmt im allgemeinen an, daß die Aehnlichkeit zwischen Menschen auf Blutverwandtschaft beruhe. In der Tat findet man oft verblüffende Aehnlichkeit zwischen Eltern und Kindern oder zwischen Geschwistern, ja sogar zwischen entfernteren Bluts verwandten. Die moderne Erbforschung hat eine interessante Gesetzlichkeit für diese Tatsache ermittelt, daß häufig Aehnlich- keiten zwischen Großeltern und Enkeln sogar dann auftreten, wenn die Eltern, also die Zwischengeneration, weder ihren Ellern noch ihren Kindern ähnlich wird. Die Vererbung scheint also hier eine Generation zu überspringen, also daß in dieser die bei der dritten Generation wiederkehrenden Merkmale latent blie ben. Besonders die oft geradezu erstaunliche Aehnlichkeit zwischen eineiigen Zwillingen sind Gegenstand der neuesten Forschung. Die Volksmeinung schließt unbedenklich bei aller Aehnlichkeit auf Verwandtschaft, und selbst in der Wissenschaft spricht man von „verwandten Erscheinungen", etwa bei Sprachen oder Kunst stilen, wenn Aehnlichkeit besteht, obwohl twn gemeinsamer Ver- rrbung gar nicht die Rede sein kann. Dieser Sprachgebrauch ist nicht korrekt. Bei aller Anerkennung der Bedeutung der Vererbung muß man jedoch feststellen, daß nicht alle Aehnlichkeit zwischen Men schen auf Blutsverwandtschaft beruht. Aehnlichkeit braucht nicht angeboren zu sein, sie kann sich auch bilden. Dafür gibt es in der Natur Beispiele genug. Delphirke und Wale sind wirklichen Fischen in ihrer Gestatt sehr ähnlich, obwohl sie den Fischen nicht verwandter sind als andere Säugetiere auch. In der Pflanzenwelt haben wir entsprechende Erscheinungen. Pflanzen verschiedener Arten, die aus feuchtem in ein trockenes Klima versetzt werden, entwickeln auf den Blättern überein stimmend ein Haarkleid, durch daS sie einander ähnlich werden, obwohl keinerlei Verwandtschaft besteht. Solche Ähnlichkeiten gehen auf Anpassung an gleiche LebenSvcrhältniffe zuruck. Natür- uch ist nicht, wie man früher angenommen hat, das „Milieu" als solches formbildend. Aber aktive Anpassung der Lebewesen an gleiche Umstande bringt ähnliche Formen hervor. Solche Falle nicht angeborener, sondern sich bildender Aehn- lichkeit gibt es auch im Menschenleben. Der meist beachtete Fall ist der, daß Ehegatten, ohne daß BluiSverwandtschaft bestünde, einander m längerem Zusammenleben ähnlich werden. In Otto Ludwigs Roman „Zwischen Himmel und Erde" bemerkt Fritz Nettenmeier mit Entsetzen, daß bei seiner Frau und seinen Kindern, die seinen Bruder AppoloniuS weit mehr lieben al» ihn, Ähnlichkeiten mit diesem verhaßten Bruder auftreten. E» ist durchaus möglich, daß diese Schilderung de» Dichters dem Leben entnommen ist. Indessen muß die Wissenschaft einen Unterschied zwischen vorübergehender AuSdruckSahnlichkeit und dauernder physiogno« Mischer Aehnlichkeit machen, wa» in der Alltagsbeobachtung nicht immer klar «schieden wird. Ma» erlebt «S oft bei Kindern, die man nicht M ihren Ettern .ähnlich angesehen hat, daß plötzlich zu spät. Sie war auch' zu zart, verträumt, überzüchtet und zu schwermütig, um van Dyck all die Frauen vergessen zu lassen. Er hat sie mehrfach gemalt. Wir haben in der Münchener Pinakothek ihr Bildnis an der Baßgeige. Große dunkle Augen blicken sinnend, träumerisch auS dem blaffen, fernen Gesicht, und die junge Frau ist voll Liebreiz. Sie trägt ein Seidenkleid in barocker Schwingung und sitzt au§ einem roten Sessel vor dunk lem Hintergrund. Das Helle Haar um die hohe Stirn gleitet in das Rötliche. Ein Jahr lebte daS junge Paar in England abwechselnd in Blackfriars und dem Lausitz in Kent. Dann gingen sie aus Reisen. Auf das Festland, wo er, lungenleidend, Erholung suchte. Im Herbst zeigte er seiner jungen Frau Antwerpen, seine Heimat- stadt. Dann kehrten sie nach London zurück. Der Kunstler begab sich im Jahre 1641 wieder auf den Kontinent zur Erholung und auch in der Hoffnung auf Aufträge in Paris von Ludwig XIU. Aber es wurde eine Enttäuschung, der König gab die Aufträge an Poussin. Allein war er diesem Schlag preisgegeben. Maria, die ein Kind erwartete, hatte ihn auf der zweiten Festlandreise nicht begleiten können. Als ein Sterbender kehrte er im Novem ber heim. Der König schickte den Leibarzt. Er versprach ihm 300 Pfund, wenn er das Leben van Dycks rettete. Kurz nach der Heimkehr deS Künstlers schenkte Maria einer Tochter das Leben. Diese Freude hat van Dyck noch erlebt. Justiniana wurde die Kleine getauft. Das einzige, was der Vater noch für die kleine Tochter tun konnte, war, ihre Zukunft wirtschaftlich sicherzustellen, „...in Erwägung, daß nichts ge wisser als der Tod und nichts ungewisser als die Sterbestunde", wie er schreibt, Halle er ein Testament aufgesetzt. Seine Schwester Susanne bekam eine Summe Geld: „Von diesem Gelde soll meine junge Tochter Maria Therese van Dyck erhalten und er zogen werden... Den Rest meiner Güter, Gelder, Schuld sorderungen, Bilder, Rechnungen, Wechsel, Schriften irgend welcher Art, die ich im Königreich Englano zurücklasse, mit allen Summen, die mir S. M. der König und irgendwelche anderen Personen schulden, soll zu gerechten Teilen zwischen meiner Frau Lady Mary van Dyck und meiner kürzlich in London geborenen Tochter verteilt werden.. Nach zweijähriger Ehe zerriß der Bund der beiden. Am S. Dezember 1641 starb van Dyck. Wie Holbein und Händel, forderte ihn England als eine» der Seinen. In der St.-Pauls« Kathedrale wurde der große Bildnismaler der englischen Aristokratie beigesetzt. Die junge Witwe heiratete später Baronet de Gogerdan. Ban Dycks Tochter Justinian« wurde zwölfjährig Sir John Stepney de Freudergast angetraut. Sie machte ein ähnliches Schicksal wie die Mutter durch. Jung verlor sie de» Man« und heiratet« zum zweite» Male Marti» den Tardonell. In der Familie Stepney lebte» Nachkomme« van Dyck» und Maria RuthvenS bis 1825. l Ma u da «lene Sin Erlebnis von Elisabeth Loerzer. Der Sommer war lang gewesen damals. Aber dann war I eS Herbst mit einemma., und wir ritten, und die frühen« grauen Schleier de» Himmel» waren über un». Bei einem Bauern an der litauischen Grenze hatten wir eine Bestellung gemacht. DaS niedrige, buntgestrichene Holz- Hau» unter dem warmen Strohdach strahlte vor Sauberkeit an jenem Abend, und e» duftete festlich nach Sonntagskuchen. Die rundlich« Hausfrau gab un» daS Geleit di» zum Hosto^ da» fest mit Backsteinpfeilern im Boden verankert war. > „Sehn Eie, wir hüten hier die Grenze", sagte sie und., lachte halb verlegen. „Hier ist da» letzte deutsche Gehöft. Dort hinter dem Berg liegt schon Litauen." Sie wie» mit der Hand den Weg entlang. ,Hm Winter ist der ganze Hohlweg voll. Schnee. ES ist gar nicht in» Dorf zu komme». Na, und der, Zug fährt da»» überhaupt tagelang nicht. Aber man hat de» Mann und die Kinder und Arbeit genug. Da braucht man nicht» anderes. Ich möchte schon nicht mehr hier weg. — Aber nu» reiten Sie man", brach sie ab. „Wenn Sie die Grenze sehe» wollen, immer den Weg geradeaus!" Sie stand noch ein Weilchen und sah uns nach. Dann zog sie daS Umschlagetuch fest um die Schultern, denn eS war kühl gegen Abend geworden, und ein Ostwind kam auf, der Frost für die Nacht versprach. Wie in Erwartung des Sonntags, blank und festlich lag der umfriedete Hof, und die Frau ging breit un sicher zurück in ihr warmes Haus. Wir aber ritten nach Osten, der Grenze zu. Der Weg war aufgeweicht, die Pferde sanken tief in den Lehm. Wir ritten im Schritt. Ganz einsam wurde das Land. Die Felder waren schon sahl, die Farben tot. Ganz wenig Menschen fanden wir auf dem einsamen Weg, unwirkliche, fremde, die waren, als lebten sie gar nicht: Zigeuner halten sich hart am Weg eine Hütte gebaut. Kleine dunkle Kinder fpielten wunderliche Spiele am Grabenrand. Wartend standen oie braunen Frauen vor der Tür und sahen mit leeren Augen den lehmgelben Hügel hinan und zitterten frierend im Wisid. Ein hochgewachsener, alter Mann kam uns entgegen im schwarzen Mantel, mit wehendem, weißem Bart, dankte für unseren Gruß hoheitsvoll, zremd, als käme er weit aus ferner, sagenhafter Zeit. Wir erschauerten leise, wir jungen, tebenS- warmen Reiter. Die Pferoe wichen zur Seite. Dar hinter dem Berg die Welt zu Ende? ES war, als lebte nicht» mehr auf der Erde. Der Himmel war grau verhangen. Die Zeit stand still. Doch da hielten wir, eh' wir eS wußten, schon aüf der Spitze deS Hügels, und vor unS lag die Grenze, lag verschwim men» im Grau da» fremde Land. Zu unseren Fußen breitet« sich «ine wunderlich östliche Stadt mit Holzhäusern und einem Zwiebelturm, schmiegte sich regellos gebaut an daS Ufer de» See», der in Weiher Stille zwischen den blaugrauen Hügel» lag. Auf den fernen, Inseitige« Höhen lag »och der Schnee vor den Waldern. Hier und dort reckten Windmühlen feiernd die schwar ze« Flügel. Die Grenze verwischte sich vor unser« Augen: Hügel reihte sich sanft an Hügel, hier wie dort. Doch unter un» lag bald verfalle« ei« ftemde» Gehöft, Windschieft Häuser, zer- . brochene Zäune, uralte, fast erstorbene Bäume, al» hatte« die Menscheu e» längst verlassen. Da wußten wir plötzlich, wa» jene runde, rotbackige Frau zu hüten hatte hier an der Grenze: den blanken Hof, das warme Hau», die ganze umfriedete Heimat. ^Mir scheint, sie hüte da» Leben selbst mit ihren breiten Arbeitshände«", sagte der Freund neben mir. „Man müßte sich hier ein Hau» bauen und von ihr lernen: den zähen Kampf im Gleichmaß de» Alltag», den Kampf um die Heimat und all seine stillen Freuden. Mau müßte der Heimat dienen ganz ohne Ueberschwang, ja..." Doch da rissen die grauen Schleier am Himmel entzwei. Die fremde Stadt leuchtete rot auf unter blauen und rosigen Wolken. Die Farben kehrten zurück in die Welt. DaS bunte Leben lockte unS wieder. Da brachst du mitten im Satze ab, mein Freund, und sagtest: „Nein, wir haben die Ruhe noch nicht. Ich sprach aus Müdigkeit so. Und aus Müdigkeit nur der Erde sich zu- wenden, heißt, sie schänden!" ' In wortlosem Einvernehmen wandten wir rasch die Pferde und ritten der sinkenden Sonne entgegen. Ihre Strahlen fielen wie stürzende Wasser durch die verworrenen, roten Wolken herab. Wir sahen unS nicht mehr um, wir ritten schneller und schneller zurück in die Welt, galoppierten auf weichen Wegen zwischen den Saatfeldern nebeneinander her. Nun schien es uns fast Vermessenheit, dort hinter dem Berg, an der Grenze das Land zu bebauen. Wir haben die Ruhe ja nicht, müssen weiter und immer weiter. Aber wir gehen getrost den Weg unserer Unrast; wir wisse« eS doch ganz geheim, in einem Winkel unseres Herzens: Die Heimat holt ihre Kinder immer wieder zuruck. Sie weiß, daß wir auch draußen ihr dienen. Eie schenkt auS vollen Händel die Kraft — und einmal wohl auch die Ruhe. . Der Hm» des FDrWr In der polnischen Garnison Krzeminieniec verschwand eines Tages ein blutjunger Fähnrich, ohne daß jemand über den Ver- bleib deS jungen Menschen auch nur das geringste aussagen konnte. Da er zuletzt im Privatquartier bei einer ansehnlichen Witwe gewohnt hatte, wurde sie verhört, doch wußte auch sie keine näheren Angaben zu machen. Kurz nach der polizeilichen Vernehmung war der Bruder des Vermißten bei ihr gewesen, um den Fähnrich zu einem Spaziergang abzuholen. Die Ver mieterin bedeutete ihm, sein Bruder habe sich beurlauben lassen und eine Wanderung unternommen. DaS schien dem Besucher nicht recht glaubhaft, doch begnügte er sich mit diesem Bescheid. Als dann auch er zur Vernehmung geladen wurde, schöpfte er Verdacht un- stellte sich der Polizei zur Verfügung. Mit eini gen Beamten und dem Hunde seine» Bruders erschien er aber mals bei der Witwe und fragt« sie «ach dem Verbleib seine» Bruders. Wieder erklärte die Frau, sie wisse nicht». Inzwischen batte sich der Hund durch die HauStür hinausgezwängt und war in das Gärtchen -er Frau gelaufen, wo er eine Stelle de« Rasen» wie toll verbellte. Sofort schöpften di« Beamten Verdacht. Ei« gruben ein Loch und stießen in zwei Meter Tiefe auf den Leich- lam des Gesuchten. Unter der Wucht diese» Ereignisse» brach die Frau weinend zusammen un- gestand, den jungen Fähnriche al» er schlief, mit einer Axt erschlagen und hinter ihrem Häuft nacht« verscharrt zu haben. Ihrem LiebeSwerben habe der sung» Rensch hartnäckigen Widerstand geleistet. Da habe sie beschlossen, ihn z« töten, well sie ohne ihn nicht länger lebe« zu tön««« alaubte. voch eine Aehnlichkeit mit Vater oder Mutter „herauskommt", die jedoch ost nur eine Aehnlichkeit des momentanen Ausdruckes ist. Ein mit feinen Puppen spielendes Mädchen, das sonst seinem Vater ganz ähnelnd scheint, wirkt plötzlich bei dieser Beschäftigung als der Mutter ähnlich. Gleiche seelische Einstellung bewirkt oft eine scheinbare Aehnlichkeit der gesamten Physiognomie. Auch die Aehnlichkeit zwischen Ehegatten ist oft nur Aus drucksähnlichkeit. Zusammenleben und Sympathie bewirken eine Aehnlichkeit der Ausdrucksgewohnhetten, man nimmt vonein ander die Art des Lachens, bestimmte Gesten oder Sprachgewohn heiten an, wie man ja auch typische Redensarten von anderen annimmt. Solche Ausdrucksgewohnheiten wie Lächeln oder be stimmte Blickweisen ändern oft das ganze Gesicht in so charakte ristischer Weise, daß man vermeint, aus den Zügen des einen Ehegatten schaue der andere uns an. Die Angleichung geht oft sehr weit, z. B. auch in der Handschrift, und es war sicher eine begründete Beobachtung, wenn Goethe in den „Wahlverwandt, schäften" erzählt, daß sich die Handschrift Ottiliens der Schrift -es von ihr geliebten Eduard angeglichen habe. Obwohl an sich eine Ausdrucksgewohnheit noch nicht eine Aehnlichkeit der gesamten Physiognomie zu bedingen braucht, kann sie doch, wenn länger geübt, auch die dauernde Physiogno mie umgestalten. Jede Gewohnheit läßt Spuren zurück und formt allmählich die Züge selbst um. Nimmt jemand die Ge wohnheit hämischen Lachens an, so bekommt sein Gesicht dauernd einen hämischen Zug, der selbst dann nicht gan^ schwindet, wenn der Betreffende seinem Gesicht einen liebenswürdigen Ausdruck geben will. Jede Sprache erfordert, wenn sie richtig gesprochen wird, eine ganz typische Mundstellung. Diese ist z. B. beim Englischen anders als beim Deutschen. Daher bekommen Deutsche, die in England leben und nur englisch sprechen, allmäh lich ein typisch „englisches Gesicht". Sie werden den anderen Engländern ähnlich. Die Funktion formt das Organ, der Aus druck formt die Züge. Alles das erklärt, daß es nicht „Einbildung" zu sein braucht, wenn man zwischen Ehegatten oder sonst sich nahestehenden Men schen Aehnlichkeiten bemerkt. Schillers Dort: „Es ist der Geist, -er sich den Körper baut" besteht gerade für die Physiognomik zu Recht. Man spricht von lypi chen Gelehrtenköpfen, von typi- Ichen Offijiersgesichlern oder typi chen Bauernphysiognomien. Bei beträchtlicher Unähnlichkeit der einzelnen Züge entsteht infolge der gemeinsamen Lebenseinstellung in den Berufen ein ähnlicher Gesamteindruck. Die Wissenschaft schiebt immer stärker in -er neuesten Zeit den Begriff -eS „Typus" in den Vordergrund und arbeitet dabei körperliche und seelische Uebereinstimmungen her aus, die nicht auf Vererbung zurückzugehen brauchen. Hat ma« erst de» Blick auf charakterlich« oder geistige Typen eingestellt, so findet man- in der körperliche» Erscheinung mannigfach« Aeh«- lichkeit, die sich dem oberflächlichen Hinsehe« natürlicherweise nicht offtnbaren.