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ZsGopauer Gonntagsvlatt «eilase rum ÄsOopauer Tagevlatt und Anzeiger Sonnabend, den 6. August 1938 »be -en ; keinen Hanno, Da wandte er sich ab, gehetzt von seinen eigenen Morten, die er nicht mehr widerrufen konnte und wollte. Die Füße waren ihm schwer und gehorchten widerwillig. Er wollte gehe», zur Stunde noch. Bergessen war der Neitenlepp und seine Mahnung. Beraessen auch die Er kenntnis. die Glonau zuweilen aufgedämmert war: daß er und Gildis arme Getriebene waren, Menschen, die sich gegenseitig an den Härten und Kanten ihres Wesens serrieben — ein Schicksal, daS nur durch sehr viel Ge« duld und Gitte auszugleichen gewesen wäre. Aber die wenigen Schritte in der Sommernacht zu« klick zum Parktor blieben Glonau immer in Erinue- seung. ES waren Augenblicke, unwirklich und schleppen- wie ein böser Traum, Dann hörte er dicht hinter sich den Schrei der Fran. Er wußte später nicht, wie das eigentlich gekommen Mr: daß er mit einem Male unter dem feierlichen huschen der Buchen stand, GildiS im Arm, die am ganzen Körper bebte. Eie mar ihm auf ihren leichten Schuhen unhörbar nachgelaufen, und als er, durch den Schrei erschreckt, sich umwandte, war sie haltlos an seine Ähr Mund war auch jetzt noch stumm. ^'Elleichtmar dieser Mund wenig geeignet, sich an Worte und Hingabe zu verschwenden. Abe.r §^bt hatte Glonau alles gesagt Damit hatte sich herbe Frau verraten. Gesicht tn setN4 Schulter. Aber mit »tanen. Aufregung, . „Almut hat mir versprochen . . Die Stimme ver« sagte ihr. „Was hat Almut versprochen? Was habt ihr hinter meinem Rücken verhandelt? Und wo ist eigentlich Almut?" , , -Solltest du daS wirtlich nicht wissen?" Er schüttelte ungeduldig den Koos. „Sie muß -och längst abgereist sein. Ihr Urlaub war schon vor vierzehn Tagen zu Elches GtldtS war völlig verMnmt. Sie wußte nicht mehr, was sie denken söllte7'Mit -Men Händen griffsiesich vn »en wirbeligen Kopf, die Ahnnng einer Niederlage drängte sich ihr Übermächtig auf, und plötzlich wurde Ihr klar,-aß sie sich geirrt hatte. Ihre Leidenschaft, die eben poch lichterloh gebrannt hatte, sank znsammenin ein klägliches Häuflein Scham unv Reue. Wie aut?-weiter Ferne hörte sie Walters Stimme: „Wenn du es durchaus wissen mußt: - ssteitensepp besucht. Er ist mein Freund. Ich andern mehr. Er ist -er einzige Mensch ar her mir nicht -um Ekel geworden ist." Sein Gesicht blinkte als Heller Fleck im Dunkel, der Mund war schief von Bitterkeit. Sie zuckte unter seinen «Worten zusammen und schwieg ratlos. „Glaubst du mir nicht?^sragte er, ihr Schweigen miß verstehend. Sie konnte immer noch nicht sprechen, die Kehle war Ihr wie zugeschttürt. Nach der stundenlangen Hoch spannung war eine grauenvolle Leere in ihr zurück geblieben, sie schäkttte sich vor Walter und am meisten vor sich selbst. Wohin' war der mühsam errungene Friede gekommen, den sie geschworen hatte, sich und Walter um jeden Preis zu erhalten? Ein erster kleiner Anlaß zum Mißtrauen,.und schon lag alles wieder in Scherben. „Gut!" sagte Walter Glonau schneidend. „Ich schenke dir die Antwort. ES ist wohl nicht möglich, daß wir beide einen Weg zur Verständigung finden. Das beste Ist, wir trennen uns wieder." Er sagte es rasch und unbedacht mit einer zornigen Lust am Zerstören. Aber noch während er sprach, siel Ihm Hanno ein — Hanno — Hanno — an diesem Namen blieb er haften und erschrak. Beklommen horchte er zu Gildis hinüber, hörte aber noch immer keinen Laut. Er lohnte nicht, daß sie stumm und verbissen in die Dunkel- 11. Fortsetzung. f-In der Dämmerung war sie dann Plötzlich in den Garten gelaufen, hinab in den.BuchxrrgMnd, als triebe Ue ihr Instinkt dem heimkehrenHen Mann entgegen. Nun stand sie ihm geaetlüber, seme veMaute Stimme Ham beruhigend aus dem Dimkel, Mr sie wehrte sich Dagegen, sie wollte kränken, verletzen — irgendein Wort sagen, Las ihm ins Gesicht schlug — er sollte leiden wie / Wo bist du gewesen?" _ s Gildis wußte nicht, wie rückfällig sie geworden war« Sie examinierte den Gatten wie einen.Schuljungen, und sogleich sprang wieder die alte Gereiztheit zwischen ihnen «och. „Du warst bei Almut, leugne -och nicht! Ich weiß eSl Kaum auf den Beinen, muHt du wieder zu ihr ..." „Gildis, ich bitte dich! Geht der Lanz schon wiedes los?" Sie konnte kaum sprechen, so atemlos war sie vor -Mein Gott, Gildis — warum quälen wir uns so?" „Es tut mir schrecklich lei-, Wauer — aber ich war außer mir — ich haM Astgst, Lich wieder zu verlieren." Er verstand kaÜ'm MS sie sagte, so leise kam es. Tröstend strich er über Hr Haar, Ler schlichte Knoten rührte ihn plötzlich in setzer Anspruchslosigkeit. „Du brauchst keine AtM S» Haven, Gildis," sagte er fest. „Dummheiten wacht man, damit man eines Tages einsieht, daß es eben — Dummheiten sind. Aber nun ist alles vorbei." „Alles? Auch Almuts ' i^r wurde sehr erüst. Almuts Name weckte immer Noch ein Echo in ihm. Sin Tag tauchte vor ihm auf, ein sehr ferner Tag, La er noch frei gewesen war und mit Almut eine Helgolandfahrr gemacht hatte. Gegen -en Himmel un- Lie Kimmung des Meeres hatte ihr wun dervoller, junger Kopf sich abgehoben, er hatte sie immer- fort angesehen, die ganze Verheißung des Lebens war sie für khn gewesen» „Almut war keine Dummheit." Er sagte es still, wie ein reifer Mensch einen schwergewordenen Verzicht aus spricht. „Du mußt da unterscheiden, Gil-iS! Almut war meine Jugend. Aber dann bist Lil gekommen ..." -Und ich habe sie dir genommen .. Sie atmete gepreßt. Jetzt erfaßte sie die Wurzel ihrer Leiden. Sie war mit ihrem Geld als daS nüchterne und rauhe Muß des LebSnS in den Garten einer jungen Liebe getreten. Scheu sah sie ihn an, und trotz -ü Dunkelheit erkannte er -aS Flehen in ihren Augen. Er lächelte plötzlich. „Gildis, noch immer Angst? Noch immer kein Ver trauen? Lu, -aS ist aber schlimm. Du mußt jedes Wort, -aS ich zu dir sage, festhalten un- bewahren, -enn ich werde heute -um letztenmal mit dir über diese Dinge sprechen. Nur wenn -u mir versprechen kannst, baß du nicht wieder bohren, grübeln und quälen wirst, hat unsef neues Leben einen Sinn." Neues Levent Ihr Herz schlug hochauf. Er würde bet ihr bleiben, er würde nie mehr fortverlangen, hinter keiner Almut mehr herlaufen. ES würde endlich, end lich Friede sein. -Nun, GildiS?" Sie nickte mehrmals heiß un- heftig. Ihr Versprechen war stumm wie ihre Liebe. Aber er wußte, sie würde es halten. „Almut ist längst über mich hinweggegangen, GildiSl" Er zog ihren Arm durch -en seinen und schiitt langsam mit ihr Lurch die Nächt. „Ich habe nicht mehr den ge- ringsten Einfluß auf Ye. Ich glaube, sie hält überhaupt nicht mehr allzuviel von uns Männern ..." Gildis lachte leise. Almuts Geständnis fiel ihr ein« Wie hatte sie nur darauf vergessen können? Sie schliß telte über sich selbst -en Kopf. Almut liebte doch — liebte einen andern — Ihr HeU schlug leicht und freudig. Und als sie nun ans dem Buchengrund in bas hellere Licht des Wiesen- hanges traten, sah Glonau einen Zug von Schalkhaftig keit in dem Gesicht seiner Frau, -eu er bisher noch nie an ihr bemerkt hatte. „Gildis, worüber hast du soeben gelacht?" „Uebcr dich!" sagte sie ehrlich. „Ueber dich und alle Männer! Hat einer von euch Pech bei einer Frau, so schreibt er tbr ioaleick Männerkemdlickkeit zu. Ich kann r^r nur sagen, Almut ist alles andere als eine Männer« Feindin/ „So? Woher weißt du denn das?" „DaS darf ich nicht verraten, Walter. Es gibt eine Einigkeit der Frauen — und wenn sie auch nur von den wenigsten gewahrt wird, ich werde sie gewiß nicht ver letzen? Er blickte sie von der Seite an, wieder erwachte die Anteilnahme in ihm, die sie ihm schon einmal abge- Dötigt hatte. Eie war für ihn ein Buch, von dem er nicht Viel mehr als -en Titel kannte. Aber vielleicht würde er nach und nach noch manche eigenartige und fesselnde Seite ,hreS Wesens aufschlagen können. Sie schritten Langsam dem Haus zu, den Sternen- Himmel über sich. Da zuckten plötzlich zwei gelbe Strahlenbündel durch die Sommernacht und beschienen Lie Terrassentreppe hell und einladend. Der Lichigrutz wirkte wie ein festlicher Willkomm. „DaS ist Hanno!" sagte Gildis lächelnd. „Er hat die großen Lampen angezündet." „Der Junge wartet noch auf uns?" „Bestimmt! Er hörte unsere Schritte auf dem Kies." Almut erwachte meist um die vierte Morgenstunde, ü'm diese Zeit begann die Lacknerin im Hanse zu «rumoren, un- dal- hörte man auch die Tritte des Simvu Itreppauf un- treppab. Almut liebte das frühe Licht in -einer silbernen Frische, wenn es durch Las offene Fen- «er kam Mrd den DiM -eS Morgennebel» mitbrachte. Die Geräusche des Host», -aS Krähen -er Hähne, LaS knarren Ler StallttÜ und Scheppern -er Milcheimer — «alle» vabte ko aut 1» de» neue» aekbästiaen Lau. den Almut freudig begrüßte. Sie Mylte sich oem vofe zu« gehörig und hatte sich seinen Gewohnheiten eingefügt. Ihre Freiheit hatte ein wenig darunter gelitten, denn Lie Lacknerin belegte sie noch mal ganz unL gar mit Be schlag und tat so selbstverständlich, daß Almut lächeln wußte. Die alte, rauchgeschwärzte Kuchel der Lacknerin war ihr auch nicht mehr fremd. Einmal kochte sie mit Ler Alten zwanzig Liter selbstgepflückte Himbeeren ein, ein andermal zeigte sie ihr ein neues Steinpilzgericht, Las sogar der Simon lobte. Der Simoni Das war ein Kapitel für sich! Almut hatte zwischen ihm und seiner Mutter ständig zu schlich, tcn und zu rechten. Sie tat es meist lachend und kopf schüttelnd und hatte eine Art, die beide Teile entwaff nete, aber manchmal dachte sie doch, daß es mit -er Ge mütlichkeit im Lackncrlehen vorbei wäre. Was steckte in L:r Alten für ein böser, borstiger Unfriede und wie kalt g ihertcn oft die Augen des Simon, wenn er sein« Mutter antrotzte! Meist zog die Lacknerin den kürzeren. Irgendeinen Trumpf mußte der Simon in Händen haben, der sie vertrieb. Dann schlug sie die Knchcltür krachend hinter sich zu und war ein paar Stunden un sichtbar. Später kam sie stets zu Almut geschlichen, saß nieder neben ihr im Garten oder auf der HauSbank unter dem vorspringenden Altan. Ein zerknittertes Häuflein Kum mer mar sie dann, ihre Augen standen voll Wässer, und ' Lie Wangen hingen so schlaff herab wie zwei faltig» Lederbeutel. Almut schwankte zwischen Mitlei- un- stiller Heiterkeit. Sie war sich vollkommen klar darüber, was im Lacknerlehen vorging: eigensinniges Alter wurde verdrängt von der Jugend, die ihr Recht wollte. „Set froh!" greinte die Alte. „Set nur grad froh, daß d' koane Kinder nit host! Konnst nit stüah gnua AbstcrbenS l-nm Sterben) Amen sagen! Wennst alt wirst, bist im Weg. Und alles, was -'sagst, ist bloß für . Lie Katz!" „Lacknerin, schan," wohin,einte dann Almut, die sich L.u hrimischeu Redewendungen gut anzupassen vex- neue er- liose bekommen haben. ES waren die gleichen blauen Tage, die auch Glonau ganz in ihren Bann gezogen hatten. Zehn lange Tage, aufgereiht an schwebenden Sommerfäden, die schon zu weilen durch die Lüste glitten. Sie sänfteten alles, sie brachten alles zur Ruh. Sie waren eine Narkose deS Herzens, die jeder Sorge den Stachel nahm. Almut lebte in der Zeitlosigkeit, denn im Lacknerlehen standen alle Uhren. Nur die Stundenschläge, die von den Türme» im Tal heraufdröhnten, fielen als flüchtige Mahnung in LaS Gestern, Heute und Morgen. , Und dennoch wartete Almut. Sie wartete mit einer Art unbeteiligter Neugier ab, waS nun eigentlich mit ihr geschehen würde. Ihr ganzes Vermögen betrug noch dreißig Mark, dazu die Rückfahrkarte nach Berlin. Daran durfte Almut nicht denken, sonst kam für Äugen- - -licke eine leichte Starre über sie, und sie mußte sich an Lie Kehle greifen, als trüge sie einen.zu engen Schal um »en Hals. Ich bin ein Spieler, dachte sie, ein Spieler in Mönte, -er erst, wenn der letzte Pfennig futsch ist, iw den Schuelizug.steigt. Ich bleibel Ich bleibe! Und wa» später/ownit, mag Himmel wWn. stand. „Lacknerin, schau, mußt auch ein bißchen nachgebeul Es hilft ja doch nichts. Laß dem Simon das Mädel!" Aber La war gleich wieder Feuer am Dach. Di» Lacknerin ging fauchend weg, um nach eine» Viertel stunde ruhig wiederzukömmen. Dann war ihr Zorn vet« rainht, nur ein wenig qualmte er noch um ihre Nasen« spitze. Sie schaute Almut an und seufzte. „A Dirndl wär mir lieber gwen als a Bual A Dirndl wia du..." Almut wehrte lachend ab. „Lacknerin, wünsch dir nur LaS nicht! An mir hättest Lu deine blauen Wunder erlebt. Wenn mir ein Butsch gefallen hätte, dich hätte ich sicher nicht vorder um Erlaubnis gefragt!" Da mußte auch Lie Lacknerin schmunzeln. j Man fing schon an, das Grummet einzubringen. Fleißig half Almut mit, ihre flinken Arme gewöhn ten sich rasch an den Rechen, der ihr erst so mihandlich erschienen war. Ein Kvvftüchl, von der Lacknerin aüS- acliedcn, bedeckte ihre Stirn, un- sie begriff jetzt die Wohltat des kühlen Leinens in der Sommersonne. Einmal hatte auch der Simon mttgelacht, laut und dröhnend. Da war drüben im Reitenlehen ein Fenster aufgcflvgen, und ein Gesicht batte bitterböse herüber« geschaut» Der Simon hatte mit beiden Armen gewinkt, aber das Fenster wurde klirrend wieder zugeworfen. Die Res lebte wie eine Schnecke im HauS. Oft hatte der Simon versucht, sich anzupirschen, aber unerbittlich sperrte sie ihn aus. Almut liest dis Tage verfließen und wunderte sich nur selten, daß sie hier knöcheltief im Grummet Herumlies, anstatt in Berlin an der Schreibmaschine zu sitzen. Ob ihr Platz noch leer war oder schon bc etzt durch eine n Kraft? ES war ihr einerlei. Ein Le chtsinn hafte sie saßt, wie ihn der große Pan zuweilen über jene ans- schüttet, die seine Witterung in Wa d und Erde tn die