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llr. 15^ Zschopaaer Tageblatt und Anzeiger Montag, d-n 11. Juli 1^.38. Nah «ad Fern Sechs Bergknappen verschüttet Unfall auf einer westfälischen Grube Auf der Zeche Caroline in Holzwickede wurden durch Zubruchgehen eines Abbaubetriebs sechs Bergknap pen verschüttet. Die Verschütteten wurden tot geborgen. Neichswirtschaftsministcr Funk hat dem Betriebs führer und der Gefolgschaft der Gewerkschaft „Caroline" in Holzwickede bei Dortmund telegraphisch sein aufrichti ges Beileid zu dem schweren Unglück übermittelt und ge- icten, den Angehörigen der verunglückten Bergmänner eine herzlichste Anteilnahme auszusprechen. Der Betriebs- ührer soll im Einvernehmen mit den zuständigen Dienst tellen zur Behebung der dringendsten Not der Hinter bliebenen das Erforderliche in die Wege leiten. Eisenbahnunglück bei Rheinsberg Fünf Tote, sieben Schwerverletzte Ein folgenschweres Eisenbahnunglück ereignete sich bei Rheinsberg. Der fahrplanmäßig um 19.44 Uhr von Rheinsberg nach Berlin fahrende Personenzug stieß aus der eingleisigen Strecke mit dem aus Löwenberg kommen den Triebwagen zusammen, der einige Minuten Verspä tung hatte. Infolge eines Versehens, das der Fahrdienst leiter in Lindow verschuldete, begegnetm sich die beiden Züge in der ziemlich unübersichtlichen Kurve bei Koper- nitz. Obgleich der Triebwagen und der Personeuzug so fort scharf bremsten, war der Zusammenstoß unvermeid lich. Der Triebwagen wurde von der Lokomotive des Per- sonenzugcs aufgcrissen. Von den Insassen, die sich haupt sächlich aus Berliner Ausflügler» zusammensetzten, wur- den fünf Personen, darunter der Führer des Trieb wagens, getötet, und verletzt, ^'runter sieben schwer, Freiplähe für SSt.-Wettkampfsieger Hauplmntsleiier Hilgenfeldt stellte der Obersten SA.-Füh- rung 500 Freiplätze der Hitler-Freiplatzspende zur Ver fügung. Sieger ans den diesjährigen Sportwettkämpfen der SA. werden dadurch in den Genuß einer mehrwöchigen Er holung gelangen. Himalaja vom Klugzeug photographiert Das Flugzeug der Deutschen Himalajaexpedition konnte wiederum Ausrüstung und Lebensmittel am Nanga Parbat abwerfen, und zwar sowohl beim Lager IV (6200 Meter) als auch beim Hauptlager. Mit leerer Maschine stieg der Flieger dann auf 8000 Meter und flog um das Gipfelmassiv. Dabei wurden photographische Ausnahmen gemacht, die den Berg steigern zngcleitet werden sollen, damit sie Einblick in den Auf- bau des Gipfels gewinnen. Ungeheuer in Menschengestalt Die des Giftmordes an elf Personen und des Giftmord- Versuches an weiteren fünf Personen angeklagte Witwe Becker wurde vom Gericht in Brüssel zum Tode verurteilt. Da in Belgien die Vollstreckung des Todesurteils abgeschasft ist, hat die Todesstrafe nur theoretische Bedeutung. In Wirk lichkeit wird die Becker auf unbestimmte Zeit ins Gefängnis wandern. Der vernichtenden Anklage des Staatsanwalts, der die Ge- ^worenen ersuchte, die Becker, dieses „Ungeheuer in gestalt" unschädlich zu machen, standen die sehr geschickten Plädoyers der zwei Verteidiger gegenüber, die die Freisprechung der Angeklagten verlangten. Die Verteidigung stellte immer wieder in den Vordergrund, daß die der Becker zur Last gelegten Mordtaten nicht einwandfrei bewiesen seien, Und daß man daher keine Verurtciluna aussvrecbcn könne Vollstreckung eines Todesurteils. Am S. Juli 1938 wurde der am 14. April 1914 geborene Mar Fritsch aus Drossel- schlag (O.-S.) hingerichtet, der vom Schwurgericht in Rativor wegen Mordes zum Tode verurteilt worden ist. Fritsch hatte unter der Angabe, ledig zu sein, Beziehungen zu einem Mäd chen angeknüpft, obwohl er verheiratet und Vater dreier Kin der war. Als sein« Ehefrau, die ihr viertes Kind von ihm er wartete, das Mädchen zur Lösung des Verhältnisses veranlaßt hatte, erschlug er sie in der Nacht zum 12. Oktober 1937 mit einem Beil. Der Bär jagdbares Tier in Deutschland. Durch eine Ver ordnung auf Grund des Neichsjagdgcsetzes wird der Bär als jagdbares Tier erklärt. Der Bär ist in der deutschen Fagdgesetzgebung bisher nicht berücksichtigt, da man ihn in Deutschland nicht kannte. Das hat sich nach der Wiedereingliede rung Oesterreichs geändert. An der österreichisch-tschechischen Grenze sind einige Bären aufgetaucht, und es können dort auch in Zukunft Bären hinübcrwcchscln. Um zu verhindern, daß diese Büren gewildert werden, daß man mit Mistgabeln und anderen Instrumenten auszieht, um sie totzuschlagen, ist die Verordnung erlassen worden. Sie soll die ordnungsmäßige Erlegung sicherstcllen. Erste Moorsicdlung der Groststeingräberkultur entdeckt. Das Amt sür Vorgeschichte der NSDAP, hat im Dümmer- see und den angrenzenden Moorgebteten an der olden burgisch-hannoverschen Grenze Probegrabungen vor- genommen, die zu aufsehenerregenden Entdeckungen führten. Die Vermutung, daß es sich hier um das erste lang gesuchte und gut erhaltene Dorf des Großstcingräbervolkes, der ältesten bäuerlichen Vorfahren der Germanen auf deutschem Boden, bandelt, wurde durch das Grabungscrgebnis in vollem Um fange bestätigt. Seegrund und Moorland sind auf weiten Flächen mit steinzeitlichen Siedlungsfundcn bedeckt, deren Alter rund 5000 Jahre beträgt. Unwetter über dem Eichsfcld. Ucbcr Heiligen st adt und seiner näheren Umgebung ging ein von starkem Hagel schlag begleitetes Unwetter nieder. Zahlreiche Fensterscheiben sind zertrümmert, und an vielen Dächern ist erheblicher Schaden verursacht worden. Besonders haben auch die Glashäuser und Pslanzcnkulturen in den Gärtnereien unter dem Unwetter ge litten. Grohfeucr In lettischer Stadt vernichtete 32 Häuser. In dem Städtchen Kraslowa, unweit von dem kürzlich durch eine Feuersbrunst hcimgesuchten Lndsa, vernichtete ein Groß feuer 32 Häuser. Menschenleben sind nicht zu beklagen. Der Schaden soll etwa 200000 Lat betragen. Die Ursache scheint auf unvorsichtiges Umgehen mit Streichhölzern zurückzuftthren sein. 22 Menschen vom Blitz erschlagen. In den letzten Tagen hat ein schweres Unwetter die Woiwodschaft Wilna heim gesucht und einen Schaden anqerichtet, der in die Millionen geht. Nach den bisherigen Feststellungen wurden 88 Wohn häuser und 45 Wirtschaftsgebäude von dem Sturm zerstört. Durch Blitzschlag wurden 22 Personen getötet. Svaziergang auf dem Wagcndach bei 120 Kilometer Ge schwindigkeit. Ein seltsamer Heiliger brachte dieser Tage den FD-Zug Berlin—Köln in Plockhorst unweit von Hanno ver zum Stehen. Dem Bahnhof war gemeldet worden, daß auf dem Dache des mit 120 Kilometer Geschwindigkeit fahren den Zuges ein Mann spazierengehe. In Plockhorst wurde der Mann vom Dach hernntergeholt. Es war ein Reisender, der an Verfolgungswahn leidet. Er hatte während der Fahrt die Zugtür geöffnet, war auf das Dach geklettert und turnte dort herum. Zu seiner eigenen Sicherheit wurde der Fahrgast unter Bewachung gestellt. Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche in Polen. Wie amtlich bekanntgegcben wird, wurden in der Zeit vom 26. Juni bis 2. Juli in Polen insgesamt 24 780 Wirtschaften von der Maul- und Klauenseuche befallen. Am stärksten wütet die Seuche in den Woiwodschaften Lemberg, Kielce, Lodz und Posen. In Warschau mußte mit Rücksicht auf die Maul- und Klauenseuche der Zoologische Garten geschlossen werden. 29. Fortsetzung. Ich werde mich bessern." Er nimmt den Hut vom Kopfe, Quitt erschrickt, wie tief seine Augen liegen, wie mager und kantig sein Gesicht geworden ist. „Sie bitte ich um Verzeihung, daß Sie auch einen Tritt mit abbekommen haben. Ich kann es nicht ändern, bedanken Sie sich bei Ihren Menschenbrüdern und...", kurze Pause, „und Schwestern! Guten Abend, Fräulein Petersen!" Er will sie verlassen, aber Quitt gibt es nicht zu. „Ich gehe jetzt mit Ihnen, Sie können mich nicht daran hindern. Ich bin würdelos — ach, das ist mir so gleich; ich bin aufdringlich — meinetwegen. Treten Sie mich nur weiter, Herr Doktor Birk, wenn Sic. es müssen. Aber Sie brauchen heute abend jemand, der es gut mit Ihnen meint." Doktor Birk zieht den Hut wieder In die Stirn. „Sie sind ein merkwürdiges Mädchen, ich verstehe Sie nicht", sagt er langsam. „Wenn Sie Wert darauf legen, einen ungemütlichen Abend zu verleben — bitte, schließen Sie sich mir an. Sie verlangen nicht, daß ich Konversation mit Ihnen mache — nicht wahr?" „Nein...!" sagt Quitt. „Nach welcher Richtung fahren Sie?" Doktor Birk hat seine Handtasche ausgenommen, und sie gehen nebeneinander her. „Ja, wo fahre ich hin?" fragt er nachlässig, „'s is ja eigentlich egal — ich werde die nächste Elektrische nehmen und wenn sie zur Hölle fährt. Und Sie?" „Ich nehme auch die nächste Elektrische, und wenn sie zur Hölle fährt." Sie stehen an der Haltestelle und warten. Es regnet sich langsam wieder ein und es ist kalt. Sie sprechen kein Wort miteinander in diesen Minuten. Quitt lehnt am Pfeiler, der das Richtungsschild trägt, und Peter Birk geht mit nervösen Schritten auf und ab, ohne sie zu be achten. Quitt denkt nicht viel, sie verfolgt mit den Augen die kleinen Blasen, die der Regen auf die Oberfläche einer Pfütze streut. Es ist schnell vorbei mit dem Leben so einer kleinen schmutzigen Blase, aber gleich ist eine neue an ihrem Platz. Die Elektrische kommt. Ihr Kopfschild verkündet als Zielstation: Stettiner Bahnhof. Sie steigen ein, ohne sich noch einmal zu verständigen. Die Helle des Wagens ist quälend. Zudem ist er recht- besetzt, wie immer Sonntag abends. Sie sitzen entfernt voneinander, aber Quitt hat Doktor Birk im Gesichtsfeld. Er ist ihr fremd geworden in diesem schweren Vierteljahr, er sitzt ein bißchen gebückt und denkt vor sich hin. Sie ist bemüht, Erinnerungsbild und Wirklichkeit wieder mit einander zu verschmelzen; das ist nicht ganz leicht. Hinter ihr erzählt eine fette Frauenstimme, daß Paul und Frieda jetzt endlich heiraten wollen. „Jetzt, wo die Anstellung bei der Post doch sicher is — nicht wahr?" Quitt hört vor lauter Müdigkeit aufmerksam zu. Sie tvüuscht Paul und Frieda von Heizen Glück und Segen. Es ist kein leichter Entschluß, den sie da gefaßt haben. Ter Wagen leert sich — es kommt die Endstation. Doktor Birk sucht Quitt mit den Blicken und steht dann auf. Sie steigen aus, ein schweigsames Paar, das der selbst heraufbcschworcne Zufall in eine Gegend Berlins ver schlagen hat, die beide bisher fast nur auf dem Stadtplan kennen. Ueber den Bahnhofsplatz fegen Wind und Regen. Drüben leuchten die Hellen Eingangstüren der Hotels, die Fenster der Läden sind dunkel. Auf dem Bürgersteig schieben sich die Menschen hastig aneinander vorbei, wie in einer zu schnell gedrehten Wochenschau. Ueber dem Ge dränge steht ein bewegtes Dach von Regenschirmen. Doktor Birk verschwindet nach kurz gebrummter Ent schuldigung in einer Hotelhalle. Quitt sieht durch die Glas scheiben der Flügeltür, wie er dem Portier seine Tasche übergibt und einen Schein ausfüllt. Die stummen Gesten der zwei im Licht, ihre tonlosen Mundbewegungen er scheinen von draußen gespenstisch und grotesk. Ja, gespenstisch und unwirklich ist dieser ganze Abend. Quitt weiß nicht, wie er enden soll, alles ist fremd und unvertraut, selbst dieser Mann, dem lange, lange Zeit jeder Gedanke ihres Herzens gehörte. Die gegen den Regen vermummten Gestalten, die an ihr vorbeistreichen, sind nicht von Fleisch und Blut, ihr Sprechen und Lachen klingt leer wie das Echo einer längst erstorbenen Wirk lichkeit. Auf dem spiegelnden Asphalt gleiten Autos, bös artig bellen ihre Hupen aufeinander ein. Ein Mann im schwarzen Lederolmantel, die triefende Melone schief auf dem Kopfe, hat Quitt bemerkt, wie sie da wartend steht, und sucht ihren Blick auf sich zu ziehen. Er tritt zu ihr unter das gläserne Vordach, gleich wird er sie ansprechcn. Doch da ist schon Doktor Birk wieder neben ihr, und der blasse Gent taucht enttäuscht in das Getriebe der Straße zurück. „Ich gehe jetzt Abendbrot essen. — Und Sie?" fragt Doktor Birk kurz. Quitt lächelt. „Ich gebe auch Abendbrot esten." 7 Personen bet AutobuSunglück verbrennt. SW schweres Ver- kehrSunglück ereignete sich tn der Nähe der algerischen Stadt Constantine. Ein mit zahlreichen Eingeborenen besetzter Autoomnibus stieß in einer Kurve mit einem entgegenkommen den Lastkraftwagen zusammen, wurde gegen einen Baum ge schleudert und geriet im gleichen Augenblick tn Brand Sieben Insassen verbrannten, 17 weitere erlitten meist lebenSgefähr- liche Verbrennngen. Güterzuglokomotlve explodiert. — Fünf Tote, fünfzehn Verletzte. Im Staat Montana ereigneten sich zwei schwer« Ver kehrsunfälle, die sechs Tote und 22 Verletzte forderten. Bei der Stadt Missoula explodierte die Lokomotive eines Güterzuges der Northern Pacific Railway, wobei fünf Tote und fünfzehn Verletzte verzeichnet werden mußten. profefforiiiel sür Heinrich Hoffmann In Anerkennung seiner Verdien st e um di« große Deutsche Kunstausstellung Zum Tag der Deutschen Kunst verlieh der Führer am Sonntag dem bekannten Photomann Heinrich Hoffman« in Anerkennung seiner besonderen Verdienste um die Große Deutsche Kunstausstellung den Titel eines Pro fessors. < Heinrich Hoffmann, der bekanntlich einer der frühesten Mitkämpfer des Führers ist, hat nicht nur durch seine unermüdliche Tätigkeit die Bildgeschichte der Partei geschaffen und ein einzigartiges Bildarchiv vom Werden des Dritten Reiches aufgebaut, sondern sich vor allem auch um die Entwicklung und Neuausrichtung der bildenden Künste im nationalsozialistischen Deutsch land außerordentlich verdient gemacht. Der Führer überreichte am Sonntag vor Eröffnung der großen Deutschen Kunstausstellung 1938 Professor Heinrich Hoffmann persönlich die Verleihungsurkunde. Führer legt Kranz am Grabe Troost's nieder Vor der feierlichen Eröffnung der Großen Deutschen Kunstausstellung 1938 ehrte der Führer den Schöpfer des Hauses der Deutschen Kunst, den viel zu früh dahinge- gangenen Professor Paul Ludwig Troost. Er legte am Grabe des genialen Baumeisters auf dem Münchener Nordfriedhof einen mit der Führerstandarte geschmückten Kranz nieder und verweilte einige Minuten in. schweigen dem Gedenken an der Ruhestätte seines treuen Mit arbeiters. Schluß der Handwerksfchau Neber eine Million Besucher in Berlin. Am Sonntag hat die große Internationale Hand«. Werksausstellung in den Hallen am Fnnktnrm in Berlin ihre Pforten geschlossen. Die unendliche Mühe, die sich die Leiter des Deutschen Handwerks beim Zusammentragen der schönsten Handwerksstücke aus aller Welt und die 27 beteiligten ausländischen Staaten gegeben haben, ist reich belohnt worden: 1032 000 Besncher haben die große Schau besucht. Der Millionste, ein Leipziger, konnte als Sondergabe der Ausstellungsleitung eine schöne handwerk lich gefertigte Tischlampe in Empfang nehmen. Die Wer bung für den Handwerksgedanken zeitigte auch wirtschaft lich beste Erfolge. Es werden uncrtWUet Hohe Umsätze gemeldet. Also gehen sie zusammen. Doktor Birk hat die Hände tief in den Taschen seines eleganten Ueberziehers und stapft drauflos. Er gibt sich den Anschein völliger Acht losigkeit gegenüber seiner Begleiterin — aber Quitt merkt doch sehr Wohl, wie er zusieht, daß sie bequem gehen kann, wie er ihr Naum zu schaffen sucht und immer und immer wieder aus der Nolle des teilnahmloscn Menschenfeindes herausfällt. Schließlich landen sie an einem Tisch In einem lauten, heißen und rauchigen Bierrestaurant. „Es ist Ihnen doch klar, daß die Situation hier für Sie kompromittierend ist? Mit einem verheirateten Manne zusammen tn einem solchen Lokal in Berlinit!" „Es ist mir klar und es ist mir gleichgültig!" sagt Quitt. Ringsumher wimmelt es von Menschen, lachend, schwatzend, trinkend — meist junge Paare, die so ihren Sonntagabend verbringen bet Musik und Viergenuß. Die Luft ist bläulich verhangen von Rauch, sie atmet sich schwer, aber die Lungen gewöhnen sich schließlich. Quitt sitzt da und sieht sich um. Sie hat ihr Gegenüber noch mit keinem Blick gestreift; es ist wie eine Angst in ihr, ihn'anzusehen. Die Kapelle in operettenhaft übertriebener Husaren- nniform spielt das Wolgalied mit unerträglichem Tremolo der Geigen. Die roten Jacken leuchten grell zu den blassen, abgespannten Mienen. Qnitt sitzt mit dem Gesicht zum Podium, der Primgeiger schmachtet zu ihr herüber, bis sie seinen Blick bemerkt und Ihn angewidert abschüttclt. „Schön ist es hier — nicht wahr?" fragt der Doktor ironisch über den Tisch. „Ja...!" sagt Qnitt. „Gräßlich schön! Fast unerträg lich schön!" Der müde Kellner legt die Karte vor, beide bestellen sich eine Kleinigkeit, uninteressiert und ohne Appetit. Während Doktor Birk noch zerstreut in der Karte blättert, wagt Quitt es zum ersten Male, ihn anzusehcn. Er ist alt geworden in den letzten Monaten. Das Grau der Schläfe» hat um sich gegriffen, rechts und links vom Scheitel schimmern schon silberne Fäden. Die Stirn ist un vorstellbar hart und kantig, wie von innen heraus modelliert, die Augen liegen zurück, die Backen sind schmal. Qnitt weiß genau, daß Doktor Birk fünfunddreißtg Jahre alt ist; doch der Mann, der ihr hier gegenüber sitzt, könnte schon vierzig sein, müde und angegriffen wie er heute er scheint. Es ist nicht mehr der blendend anssehende, fabel haft frische, elegante Arzt, den Quitt von früher her kennt. Die Krawatte ist achtlos gebunden, der Kragen sitzt nicht ganz einwandfrei, ein Knopf an der Weste fehlt. Die Haut deS Gesichts ist so grau geworden. Es ist ein fremder, ge alterter Mann. Doktor Birk sieht auf und ihre Blicke begegnen sich.., (Fortsetzung folgt).