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treter des galanten Stils. Einflüsse des italienischen Solokonzertes Vivaldis sind mit französischen Zügen verbunden, entsprechend dem von ihm geforderten „ge mischten Geschmack“. Dem strahlend frischen Eingangssatz (Allegro) mit seiner sprühend lebendigen Rhythmik folgt ein ausdrucksvoller Mittelsatz (Arioso). Ge schmeidig-bravourös gibt sich das Presto-Fi na le. Große Musiker zu Besuch in Dresden — auch das gehört zum Thema unserer Reise in die musikalische Vergangenheit Dresdens. So kam im Mai 1747 der 33jährige Christoph Willibald Gluck, damals noch am Anfang sei ner Laufbahn, als Mitglied der Theatertruppe Pietro Mingottis nach Dresden Anläßlich üppiger Festlichkeiten zur Doppelhochzeit des Kurfürsten Max Joseph von Bayern mit Maria Anna, Tochter des Kurfürsten Friedrich August II. von Sachsen, und des Kurprinzen Friedrich Christian von Sachsen mit der auch als Komponistin hervorgetretenen bayrischen Prinzessin Maria Antonia Walpurgl leitete er am 29. Juni 1747 auf einer Gartenbühne des Schlosses Pillnitz die von ihm selbstverfertigte Serenata „Le Nozze d'Ercole e d'Ebe" (Die Hochzeit des Herkules und der Hebe) — sein erstes Gelegenheitsfestspiel, wie er deren später noch eine ganze Reihe schrieb. Die eigentliche Festoper hatte natürlich Hasse komponiert („La Spartana generosa"), mit dem der junge Musi ker bei dieser Gelegenheit zusammentraf. Gluck erhielt für sein Werk „zur Ab fertigung" 412 Taler und 12 Groschen. Bedeutende Gesangskräfte wie der Tenor Canini und „des Prinzipals Frau Eheliebste“ Regina Mingotti wirkten u. a. in diesem „Dramma per Musica" mit, das textlich — eine gelehrt-galante Schäfer poesie mit den üblichen Huldigungen an die Neuvermählten — noch völlig in der Opernkonvention der Zeit steckt und nirgendwo den späteren Opernreformator ahnen läßt, der einmal die Rolle der Musik darauf beschränken sollte, die „Poesie zu fördern". Die Komposition jedoch, übrigens die älteste vollständig erhaltene Partitur des Meisters, fällt durch ihre einfache Schönheit auf, durch ihren liebenswürdig-graziösen pastoralen „Festspielton“, durch liebevolle Natur- und Seelenbeobachtung. Da die ganze Arbeit vermutlich in Eile entstand (nur zwei Drittel wurden neu komponiert, das übrige sind entsprechend dem Brauch der Zeit Übernahmen aus älteren Stücken), entlehnte er für die in unserem Kon zert erklingende dreiteilige Einleitungs- S i n f o n i a (Ouvertüre) das erste Allegro aus seiner Sinfonia seines Lehrers und Freundes G. B. Sammartini, das er geringfügig strich und umarbeitete. Auch der dritte Teil (Presto) lehnt sich melodisch und mit den gebrochenen Dreiklangsmotiven in den Violinen eng an die Art dieses Meisters an. Einen ausgeprägt individuellen Zug besitzt dagegen schon der langsame Mittelsatz (Andante) durch die selbständige Führung de" Bläser mit den Unisoni und den liegenden Stimmen in den Violinen. Gluck hat damals in Dresden noch P. Scalabrinis „Dido“ dirigiert, ehe er sich von hier aus in seine böhmische Heimat begab, da wenig vorher sein Vater verstorben war. Peter Tschaikowski, der Klassiker der russischen Musik, weilte zweimal in unserer Stadt. Das erste Mal kam er 1873, also 33jährig, mit seinem Verleger Jürgenson zu einem Sommerausflug nach Dresden, von wo er zuerst die Säch sische und dann die richtige Schweiz besuchte. 16 Jahre später, auf der Höhe seines internationalen Ruhmes also, im Februar 1889, führte ihn sein Weg über Köln, Frankfurt/M. nach Dresden, wo er im V. Philharmonischen Konzert (des Gewerbehausorchesters, wie der Vorläufer der Philharmonie hieß) am 20. Fe- Heute Mittwoch. den ÄO. Februar, Abends 7 Uhr im Saale des Gewerbehauses: V. Philharmonisches Coneert. m h« Peter Tschaikowsky, M: Fr:. ASJIICS WHtillg, CoBßertweriD, sw Emil Sauer «w Begleitung: Herr Professor Eng. Krantz. BiUeU a Rmk. 5, 3,50, 2,50 und 1,50 sind io der Kgl. Hof-MustkalienhaodJtog vox» W» IWfiOTL Kaofhan» — Fernaprechstelle Nr. 1469 — au baoeru NB. Bületverkauf von 8—1 und 3—6 Uhr. BaaUUungen auf Billeta nimmt auch die Königl. Hof-Muaikalienhaudlnög fOB £<*«/> Bmhmnp (PUhMT)» Neustadt, entgegen — Fenuprechstelle Nr. 579. Aus dem »Dresdner Anzeiger" vom 20. Februar 1889 bruar 1889 die Erstaufführung der 1877/78 komponierten Sinfonie Nr. 4 f-Moll op. 36 dirigierte. Im gleichen Konzert spielte der jugendliche Emil Sauer, ein Schüler Nikolai Rubinsteins in Moskau, das b-Moll-Klavierkonzert. Der Erfolg dieses Konzertes muß außerordentlich gewesen sein. Die Presse feierte den russischen Meister als den „Ersten seiner Nation“. Im „Dresdner An zeiger“ vom 22. Februar 1889 stand u. a. zu lesen: „Von allen den bis jetzt statt gehabten Philharmonischen Concerten dieses Winters dürfte das fünfte als das ■Dteressanteste zu bezeichnen sein. Herr Peter Tschaikowsky, der nächst Rubin- Jrein bedeutendste Componist russischer Nation, beherrschte diese Aufführung als Dirigent und in der Hauptsache auch als schaffender Künstler. Einen sehr vorteilhaften Eindruck machte seine Art und Weise der Leitung des Orchesters. Mit künstlerischer Ruhe, großer Umsicht und Sicherheit führte er den Stab. Da war nicnts von jenen gegenwärtig oft beliebten quecksilberartigen, grotesken Bewegungen und Stellungen zu gewahren, die wohl zuweilen ihren Grund in unbeherrschter Erregtheit und nervöser Überreiztheit haben mögen, nicht selten aber auch — um einen recht zutreffenden sächsischen Provinzialismus zu gebrau chen — weiter nichts sind, als ein komödienhaftes .Gethue*, mit dem die Kunst des Dirigierens nichts zu schaffen hat. Der Wiedergabe der beiden umfangrei chen Werke Tschaikowskys fehlte bei dessen Leitung, trotz der zu überwindenden großen technischen Schwierigkeiten, ein gutes Gelingen nicht, ebensowenig ge brach es auch an feurig pulsirendem Leben, und solches ist unabweisliche Noth-